Sookee über Mert, die AfD und "Mortem & Makeup" (Interview)

Mit Mortem & Makeup lieferst du wieder ein Album voller politischer Statements, mit denen man sich durchaus auseinandersetzen sollte. So stellst du dich im Intro gegen Fremdenhass, die AfD und  trittst für die Rechte von Flüchtlingen ein. Welche Wege nutzt du außerhalb der Musik, um dich in dieser Hinsicht politisch zu engagieren?

SOOKEE: Ich diskutiere unter anderem auf Podien, privat und in der Bahn. Da, wo es nach einem Austausch ruft. Ich habe lange politische Bildung mit Jugendlichen gemacht. Ich lese viel und bemühe mich, die Aktualität von politischen Debatten mitzunehmen. Ich gebe Deutschunterricht für Geflüchtete und stelle auch sonst Einzelpersonen meine Möglichkeiten, Räume und Ressourcen zur Verfügung.

Was rätst du Menschen, die sich ebenfalls engagieren möchten?

SOOKEE: Es gibt tausend Möglichkeiten. Du kannst in eine Gewerkschaft oder eine NGO eintreten oder meinetwegen sogar in eine Partei. Du kannst in deinem Sportverein Geflüchteten den Zugang zu deiner Mannschaft ermöglichen. Du kannst Pro Asyl Geld spenden, auf Demos gehen und bei Flüchtlinge-Willkommen.de dein leeres WG-Zimmer anbieten. Du kannst, wenn du ganz stressresistent bist, auch mit den Menschen im Internet diskutieren. Ich bin mir sicher, wenn jede Person sich aufmachen würde, tatsächlich was beizutragen, wäre schon viel gewonnen.

In Zeiten sinkender Umfragewerte und regelmäßiger medialer Aufschreie – Für wie gefährlich hältst du die angesprochene AfD im Hinblick auf die kommende Bundestagswahl?

SOOKEE: Ich rechne mit einem zweistelligen Ergebnis und nehme das sehr ernst. Aber es geht nicht nur darum, wie sich die Wahlergebnisse gestalten, sondern auch, wie die inneren Verbindungen im rechten Spektrum funktionieren. Wenn sich Pegida, AfD, die Identitären und rechte Verlage gegenseitige Unterstützung zusichern, wie kürzlich auf dem Compact-Kongress unter der Führung des Rechten Jürgen Elsässer geschehen, geht es um weit mehr als "nur" die Parlamente.

Ein weiteres Thema, das dir seit Jahren am Herzen liegt und das folglich auch auf deinem kommenden Album stattfindet, ist der Einsatz für die Rechte von Homosexuellen. Welche Fortschritte hat unsere Gesellschaft in dieser Hinsicht in den vergangenen Jahren gemacht und wo siehst du Nachholbedarf?

SOOKEE: Die SPD will noch vor der Bundestagswahl gegen den Willen ihres Koalitionspartners die Ehe für alle durchsetzen. Das ist ja schon mal ein gutes Vorhaben, das natürlich längst überfällig ist. Aber es gibt noch viel zu tun. Zum Beispiel geht es auch darum, endlich zu verstehen, dass es noch viel mehr als "Mann" und "Frau" und "Homo" und "Hetero" gibt. Menschen kennen viel mehr Möglichkeiten, sich geschlechtlich oder sexuell zu identifizieren. Sich dieses binäre Denken abzugewöhnen, einfach, weil es der vielfältigen Realität der Menschen nicht gerecht wird, wäre so ein Thema.

Bevor Sookee in der zweiten Hälfte des Interviews über die Rapszene und den YouTuber Mert spricht, kannst du hier das Musikvideo zu Q1 abchecken.

Insbesondere die Auseinandersetzung der Rapszene mit der Thematik stört dich seit Jahren. So gingen dir Versuche von Marteria und Co., sich hier zu engagieren, schlicht nicht weit genug. Was würdest du dir in dieser Hinsicht von der Szene wünschen und was steht einem solchen Engagement deiner Meinung nach entgegen?

SOOKEE: Die Debatte darf nicht aufgegeben werden oder mit Scheinargumenten wie "Hiphop ist halt so" oder "Das ist Kunstfreiheit" abgebrochen werden. Es bewegt sich ja gerade eine Menge und die Offenheit wächst. Aber einfach nur zu sagen: "Ich habe nichts gegen Schwule" reicht eben nicht. Man muss es auch beweisen finde ich und vor allem Klischees und Stereotype im eigenen Denken abbauen. Im Fall von Marterias OMG war genau das das Problem. Homosexualität mit bunten Glitzerparaden und der ausschließlichen Notwendigkeit von Safer Sex gleichzusetzen. Als wäre Homosexualität nur auf dem Christopher Street Day anzutreffen und als wären alle Homosexuellen HIV-positiv. 

Jüngst sorgte der YouTuber Mert mit einem extremst homophoben Statement für entsetzen. Hast du dieses und die daraus hervorgehende Debatte verfolgt? Wie hast du Merts Aussagen und die Reaktionen auf diese wahrgenommen? 

SOOKEE: Ehrlich gesagt hatte ich das Gefühl, dass ich mich diesmal zurücklehnen konnte, weil sich andere um die Scheiße gekümmert haben. Ich habe mich beispielsweise sehr über das großartige Statement von 3Plusss gefreut.

Wir haben im Rahmen dieses Interviews über Teile deiner politischen Agenda gesprochen. Wenn du deine politische Grundhaltung mit einer Zeile deines kommenden Albums Mortem & Makeup zusammenfassen müsstest, welche Zeile wäre das?

SOOKEE: "Gewalt erzeugt Gegengewaltphantasien"

Marc Schleichert

Autoreninfo

Marc Schleichert ist seit Anfang 2014 ein Teil von Hiphop.de und leitet hier den Textinterview-Bereich. In dieser Funktion spricht er regelmäßig sowohl mit hungrigen Newcomern als auch mit alteingesessenen Künstlern.
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