Kanye West – Yeezus (Review)
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21-facher Grammy-Sieger, Trendsetter, Genie und Wahnsinn. Kanye West droppt mit Yeezus ein Album, das anscheinend noch niemand vollständig versteht... Man findet dieses Album entweder wahnsinnig – oder wahnsinnig gut. Es ist fast schon eine Glaubensfrage.  In der deutschen Musikszene hat das neue Album von Kanye West reichlich Verwirrung gestiftet Liquit Walker hat es verärgert, Timeless und Falk sind sich noch nicht sicher,  Toxik feiert es. Wir haben uns Yeezus genauer angehört.
Als Rick Rubin , seines Zeichens Produzentenlegende und Musik-Guru, drei Wochen vor dem Release mit aufs Album hüpfte, sahen viele schwarz für Yeezus : Keine Singles, keine Videos, nicht mal ein Cover hat das neue Kanye -Album. Doch was man bekommt, überschreitet jede bisher dagewesene Norm eines sogenannten Rappers.  Yeezus  ist kein Hiphop-Album, einordnen kann man es eigentlich gar nicht. Irgendwo zwischen Rap, Industrial, Hardcore Techno, Soul und Dancehall liegt es in der richtigen Schublade – aber eigentlich erstreckt es sich über den ganzen Schrank. Allein schon weil es sich alle paar Takte ändert.  Nach mehrmaligem Zuhören fallen mir immer noch nicht die richtigen Schlagworte ein, um den Sound des Projekts zu beschreiben. Vielleicht "verrückt"? Oder "vielleicht verrückt". Yeezus bekommt schon mal Punkte für Innovation und Eigenständigkeit. Ob man mit den unharmonischen Neuerungen jetzt etwas anfangen kann oder nicht, hilft uns für die Bewertung nicht weiter. Die meisten werden nichts damit anfangen können (Minuspunkt?). Das weiß auch Kanye . Dafür bekommt er gleich noch einen Punkt: für Mut. Das Album beginnt fulminant mit vier von Daft Punk produzierten Tracks. Die Jungs, die gerade mit ihrem Comeback-Album Random Access Memories  einen Achtungs-Erfolg feiern konnten, hatten von Kanye wohl die Devise vorgelegt bekommen, so minimalistisch wie möglich zu arbeiten. "Er hat ständig überlegt, was er noch rausnehmen kann, statt was er reintun kann" , erzählt Rick Rubin über Kanye s Arbeitsansatz. Geprägt von Industrial und um einiges härter als das, was man von Daft Punk eigentlich kennt, schockiert Yeezus zu Beginn seine Zuhörer. Verzerrte Drums, industrielle Sounds, Lärm. Der Vergleich mit M.I.A. s letztem Album Maya liegt nicht fern. On Sight und I Am A God zeigen  Kanye West  in einem musikalischen Konstrukt, wie man es bisher noch nie zu Ohren bekommen hat. Auf rauen Industrial-Beats, die jegliche Regeln der Musik missachten, entert Kanye sein Album in Rage. Es fehlt streckenweise die komplette Bass-Line. Kanye -typische Orchestral-Elemente sowie Soul- und Blues-Samples bleiben erstmal aus. Die bereits bei Saturday Night Live präsentierten Tracks Black Skinhead und New Slaves entfalten sich im Gesamtbild des Albums noch gewaltiger und brutaler. Dass Kanye lyrisch seinem Sound nicht standhalten kann und keine Barrieren bricht, liegt einerseits daran, dass er seit The College Dropout schon nicht der allergrößte MC ist, andererseits ist der Sound von  Yeezus  vielleicht einfach nicht optimal zum Rappen konzipiert. Was dabei rauskommt, ist viel Schnappatmung, Geschrei und Gegröle. Zwischendurch schafft es Kanye allerdings trotzdem ein paar zitatwürdige Lines zu droppen. Dennoch kritisiert und demonstriert er auf  Yeezus  das gleiche wie seit Jahren. Zwar verpackt er es diesmal ein wenig anders, doch was das Album besonders macht, ist definitiv das Soundparkett. Auch die gemäßigteren Songs Hold My Liquor mit Chief Keef und I'm In It fahren mit erfrischenden Beats auf. Der industrielle Techno Sound fällt auf der zweiten Hälfte des Albums fast gänzlich weg, dafür erinnern Blood On The Leaves – mein persönlicher Favorit – und Guilt Trip mit Kid Cudi stark an die 808s and Heartbreak -Ära. Die Vocalspuren diverser Dancehall-Künstler, die hier und da eingesprüht werden, geben den Tracks noch ein gewisses Etwas. Mit Capleton , Popcaan und Agent Sasco sind gleich drei dieser Art zu hören, allerdings immer nur für eine Bridge. Zum Schluss des nur zehn-Tracks-starken Albums kriegt man auf Bound 2  noch eindrucksvoll zu hören, dass der College Dropout - Kanye nicht ganz weg ist. Mit einem smoothen Sample und Vocals von Charlie Wilson , ist es der einzige Track, der aus dem Yeezus -Konzept fällt, und wahrscheinlich deswegen auch erst zum Schluss kommt.

Fazit:

Insgesamt bietet  Yeezus  ein wahnsinnig atmosphärisches Klangerlebnis. Ob es einem gefällt oder nicht, hängt davon ab, ob man experimentellen, unharmonischen Lärm feiert. Musik ist immer subjektiv, doch selten kann man sie für die gleichen Gründe so sehr hassen oder lieben wie bei Yeezus . Was allerdings sicher ist:  Kanye West  kann mit seinem neuen Album erneut alles in den Schatten stellen, was momentan auf dem Markt existiert. Letzte Woche haben wir noch darüber spekuliert, ob J. Cole mit Born Sinner eventuell einem Verkaufsbattle mit Kanye standhalten kann. Nach der unfassbar riesigen Resonanz von Fans und Fachpresse, gleichermaßen positiv und negativ, ist es schwer zu glauben, dass momentan jemand auch nur ansatzweise Kanye das Wasser reichen kann. Mit  Yeezus  betritt Kanye West musikalisch neue Ufer. Natürlich polarisierend. Wie immer.

Bewertung: 9/10  
Aria Nejati

Autoreninfo

Aria Nejati ist seit 2013 Teil des Hiphop.de-Teams. Neben seinen Artikeln und Reviews interviewte er schon US-Rapstars von 50 Cent über Ryan Leslie bis hin zu ScHoolboy Q.
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