Farid Bang - Killa (Review)

Farid Bang hat sein bisher bestes Soloalbum veröffentlicht. Behaupte ich mal und verlasse mich für die anderen auf mein Gedächtnis. Asphalt Massaka hatte als Debüt natürlich noch mehr Überraschungsfaktor. Die Härte der miesen Witze über unschuldige deutsche Sprechgesangsartisten war damals krass, heute setzt man sie beim Banger vorraus. Asphalt Massaka habe ich zum ersten Mal gehört, als ich 2008 mit Rooz auf dem Weg zu Azad in Frankfurt war. Wie das im Düssel-Dorf so ist, trafen wir Farids Manager auf der Straße. Die beiden wollten auch nach Frankfurt, also fuhren wir zusammen. Auf der Rückbank spielte mir Farid sein erstes Album vor, das bald erscheinen sollte. Okay, der beleidigt jetzt also auf respektloseste Weise Leute, mit denen ich mich eigentlich gut verstehe. Was sagt man dazu? Muss das sein, Farid? Aber es ist schon ziemlich witzig. Nach der Fahrt hatte ich das Gefühl, dass das wirklich was werden kann, mit Farids Karriere. Schon irgendwie geil, was der da macht. Mobbing-Musik mit Wortwitz.

Bei Killa hatte ich befürchtet, dass es viele Hörer scheiße finden würden. Nicht scheiße im Sinne von objektiv schlecht. Farid hat mir mal eine Vorabversion eines Songs gezeigt. Inzwischen sitzt er nicht mehr mit mir auf der Rückbank, sondern fährt irgendeine schöne, dicke Dealerkarre. Der Song war gut, aber Trap-Beats mit Autotune-Hook? Vielleicht erinner' ich mich falsch, aber ich behaupte das jetzt mal, im Sinne einer guten Story. Also: Wird das jetzt kommerziell? "Ne. Die Hooks werden kommerziell, die Texte extra hart." Okay. Ob das klappt?

Wenn man es sich jetzt anhört: ja. Das Album klingt nicht kommerziell, es ist hart. Es wird öfter mal gesungen. Die Beats sind amerikanisch. Nur vom Style her (abgesehen von Ohne Bang von Yung Fokus und Big Blizz), aber wenn man's nicht wüsste, würde man auch glauben, dass sie wirkich aus den Staaten kommen. Das belgische Street Fabulous-Team, Juh-Dee, Joshimixu und Shuko legen einwandfreie Bretter unter die Müttersprüche. Der Disco MMA-Beat hätte auch auf Jeezys Thug Motivation sein können. Nicht "elektronische Tanzmusik-Trap", sondern "Dirty-South-Beats-Trap". Falls noch jemand Probleme damit hat, zu verstehen, was heute Trap ist. Auf jeden Fall voll mein Ding.

Im Comet Skit finde ich den "schöne Melodie, harter Text"-Kontrast, aber das ist was anderes. Das ist ironisches Kitschgesinge, das ist immer eine gute Idee und der Inhalt ist wie früher: Total asozial, so über die Frau eines anderen abzuziehen. Leider aber lustig, was soll man da machen? Heimlich lachen und öffentlich mit dem Journalistenzeigefinger wedeln, wa? Okay. Lass sowas doch, Farid. Ansonsten gibts halt bei Killa (produziert von Juh-Dee) die Effekte auf den Rap-Parts. Wenn man den Song alleine hört und nicht vorher drei Weezy-Alben auf Lunge gezogen hat, fragt man sich, was das soll. Im Albumkontext geht das voll klar. Farid singt bei Mütter in der Trennungsphase eine Bridge vor die Hook, dann gehts zurück in den Club und Farid fickt weiter Mütter. Bang Bang Bang Bang. Ich warte darauf, das in Düsseldorf im Club zu hören.

Sprich: Farid hat seine Idee fürs Albumkonzept sehr gut umgesetzt. Ich finde den Sound für Farid perfekt. Heute Morgen zum Aufstehen zum ersten Mal gehört und es half beim Wachwerden. Ich bin auch froh, dass Farid sich konstruierte Tränendrüsen-Balladen gespart hat. Soll er lieber Mütter ficken. Heute erschien das Video zu Zeitmaschine mit Julian Williams, einem der ruhigen Songs. Super Hook, die Idee ist nicht neu, aber gut umgesetzt. Ich kann den Song auch hören, ohne zuzuhören. Wenn ich zuhöre, werde ich nicht zugesülzt. Was Farid sagt, klingt, als würde es es meinen. Und neben traurigen Gedanken zu Ex-Freundinnen und der Familie sagt er auch mal: "Hätte ich eine Zeitmaschine - keine Frau bekäme von mir ein Stück Liebe". Die anderen Kuschelnummern Ohne Bang und Dein Weg sind genau so. Glaubhaft, super produziert und eine gute Abwechslung auf dem Album.

Jetzt wollt ihr natürlich eine sachliche Leistungsbewertung des MCs. Die Beats sind zeitgemäß ausproduziert, was vom Rapper verlangt, mehr zu tun, als zwei mal 16 für die Strophen und einmal 8 für die Hook runterzurattern. Das macht Farid, er addlipt und singt ein bisschen, wechselt den Flow oder lässt sich Effekte auf die Stimme legen für eine gute Hook. Ich finde, Farid war technisch nie in der Top 5, aber er ist in der Top Irgendwas. Was ihn ausmacht, liefert er sowieso: die Sprüche und die arrogante, asoziale Attitüde. Der Typ, der andere fertig macht und sich dabei über sich selbst kaputt lacht. Wahrscheinlich wollt ihr, dass Sprüche sich mehrfachreimen und doppeldeutig vergleichen. Das ist bei Farid spätestens seit JBG 1 so. Farid klingt heute weniger wie ein zweiter Kollegah, als das zwischenzeitlich der Fall war. Ich finde nicht, dass Kollegah ihn auf den Featuresongs in den Schatten stellt, die beiden sind einfach verschiedene Rapper mit verschiedenen Stärken.

Nicht so gut? Das hunderste Bitte Spitte fand ich bei Release nicht mehr spannend, die anderen Spits auf dem Album machen aber Spaß. Die Punchlines und kleinen Lifestyle-Beschreibungs-Thematiken reichen generell, damit die Texte irgendeinen Inhalt haben und Stimmung rüberbringen. Der Testosteronspiegel steigt. Den Rest besorgen Beats, Stimme und Attitüde. "Du fragst dich, warum ich schnell fahre, Pelz trage - Lambo neben ML parke, im Nobelhotel schlafe - Reis' durch die Weltkarte - nicht weil es mir gefällt, sondern um zu zeigen, dass ich Geld habe." Find ich gut.

Die Features passen und bringen Abwechslung, so soll's sein. KC Rebell, Summer Cem und Majoe machen ihr Ding gut. Mit den alten Kollegen Eko Fresh und Ramsi Aliani gibts noch mal gute Trap-Romantik, auch wenn nur representet wird. Bushido humpelt auf Goodfellas über den Beat im schwarzen "Lamm. Borgini.", kommt aber korrekt hart. Dasselbe gilt für Tony Yayo. Der Killa Remix mit Majoe, Hamad45, Musiye und Kurdo bringt richtig Abwechslung. La Fouine funktioniert voll. Die Amis, N.O.R.E. und Tony Yayo, sind wie bei fast jeder Deutsch-US-Koop Fremdkörper, aber auch mit ihnen hat das Album nicht zu viele Features.

Also: Farid hat sein bisher bestes Soloalbum veröffentlicht. Und das sollte jetzt laut aufgedreht aus Autos ballern, zum Fitness mitgenommen werden und im Club laufen, wo dazu Frauen ihre Ehre verlieren und zugekokste Nachwuchsgangster mit einem Butterfly ihre Zukunft versauen. Killa.

Bewertung: 8 von 10

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