Urheberrecht vs. Kunstfreiheit: Bundesverfassungsgericht fällt Entscheidung für Sampling (und Hiphop)

Es hätte ein verdammt bitterer Tag für Hiphop in Deutschland werden können. Das Bundesverfassungsgericht (BVG) hat ein Szenario, in dem ungefragtes Sampling von Musikstücken für verfassungswidrig erklärt wird, vorerst abgewandt.

Moses Pelham hatte gegen ein Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) aus dem Jahr 2012 eine Verfassungsbeschwerde eingereicht (Artikel zum Thema aus dem letzten November). Damit hatte er jetzt Erfolg. Unterstützung bekam der Rapper/Produzent u.a. von Bushido und Deutschlands Reggae-Primus Gentleman.

Der Bundesgerichtshof wird nun erneut vor die Aufgabe gestellt, die Grenzen zwischen zwei Grundrechten, der Kunstfreiheit und dem Schutz geistigen Eigentums, auszuloten. Das "Kriterium der fehlenden gleichwertigen Nachspielbarkeit der übernommenen Sequenz" spielte im Urteil 2012 eine wichtige Rolle. Heißt: Wenn du das Sample nicht selber nachspielen kannst, dann darfst du es benutzen. Je einzigartiger dein Sound, desto weniger geschützt.

Irgendwie nicht so richtig optimal, fand auch das BVG. Dieses Kriterium sei nicht geeignet, um ein faires Verhältnis zwischen dem "Interesse an einer ungehinderten künstlerischen Fortentwicklung und den Eigentumsinteressen der Tonträgerproduzenten" herzustellen, heißt es im heutigen Urteil. Wie soll man auch nachweisen, ob die zwei Sekunden aus Song XY nachspielbar sind oder nicht!?

Konkret in diesem Fall hatten die Elektropop-Pioniere von Kraftwerk den Frankfurter Moses Pelham auf Schadensersatz verklagt. Hierzu bezieht das Bundesverfassungsgericht wie folgt Stellung:

Eine Gefahr von Absatzrückgängen für die Kläger des Ausgangsverfahrens durch die Übernahme der Sequenz in die beiden streitgegenständlichen Versionen des Titels Nur mir ist nicht ersichtlich.

Eine solche Gefahr bestünde nur, wenn die beiden Werke in Konkurrenz zueinander treten würden. Das kann man in den meisten Fällen ohne große Überlegungen ausschließen. Die Verwertungsinteressen der Tonträgerhersteller hätten hier zurückzutreten, auch damit eine ungehinderte künstlerische Fortentwicklung gewährleistet werden könne.

Vize-Gerichtspräsident Ferdinand Kirchhof meint, ein Verbot würde "die Schaffung von Musikstücken einer bestimmten Stilrichtung praktisch ausschließen". Da macht der Ferdinand tatsächlich Realtalk!

Moses P. für Hiphop!

Gerade die Hiphop-Kultur lebt seit seinen Anfängen vom Sampling, Remixen und Rekontextualisieren alter Werke. Die Fans, die Produzenten, die Rapper, die komplette Community sollte Moses Pelham größten Respekt dafür zollen, dass er seit fast schon 15 Jahren durch alle Instanzen geht. Wenn man so will, kämpft er seit anderthalb Dekaden für ein Recht auf Hiphop. Der "Etappensieg" ist hoffentlich ein wegweisendes Signal für kommende Urteile zum Thema Sampling.

Sieh dir hier einen ZDF-Beitrag aus dem letzten November zum Thema an, in dem Falk Schacht beispielsweise ein "Recht auf Remix" und eine zeitgemäße Aktualisierung des alten Urheberrechts fordert:

Der Track von Sabrina Setlur, um den es sich handelt, und das Original von Kraftwerk:

Aggro Berlin-Gründer Spaiche freut sich auf Twitter:

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