"Talion 2": Marcus Staiger antwortet auf Kollegahs Kritik

Nachdem Kollegah in unserer Folge Do Or Die Fards und Snagas Track Contraband (Intro) verteidigte und Marcus Staigers Kritik verurteilte, äußerte sich Staiger nun in einem Blog-Eintrag dazu:

"Lieber Kollegah,

Sorry für die späte Antwort auf deine Antwort vom letzten Sonntag, aber in den letzten Tagen hatte ich jede Menge zu tun und teilweise war ich auch malochen. Da hat man dann weniger Zeit, über gewisse Dinge nachzudenken, trotzdem wollte ich noch ein paar Sachen loswerden zu den Sachen, die Du bei Toxic gesagt hast. Da das jetzt aber auch von Deiner Seite nicht wahnsinnig ausschweifend war, will ich es relativ kurz halten: 

1. Ich habe die Nazikeule nicht ausgepackt und ich halte auch nicht jeden, der Israel kritisiert für einen Antisemiten. Wer allerdings ohne Not und ohne persönlich davon betroffen zu sein, viermal den Israel-Palästina Konflikt in einem Song erwähnt, dem unterstelle ich ein gewisses Kalkül. Und das Kalkül heißt, ich will mich bei all denen einschleimen, die im Internet unter ein solches Video gerne „Fick die Juden“ schreiben und das sind zur Zeit gar nicht mal so wenige. Den syrischen Bürgerkrieg, Somalia,  die andauernde Diskriminierung der Kurden in der Türkei, die Situation im Iran,  die Vertreibungspolitik gegen Roma in Ungarn oder auch US-imperialistische Machtbestrebungen im Irak und in Afghanistan … alles Themen, die ebenfalls zur Auswahl stehen, die allerdings viel weniger Likes auf dem facebook-Schlachtfeld bringen. Mit einer berechtigten Kritik der israelischen Politik hat das meiner Meinung nach wenig zu tun – mit Populismus dafür jede Menge.

2. Du sagst Fard und Snaga seien keine Politiker und man müsse das respektieren, dass sie sich überhaupt Gedanken über diese Themen machen. – Ja respektiere ich, deshalb führe ich auch diese Diskussion. Trotz allem muss ich nicht respektieren, was sie sich da so denken. Mache ich bei Jugendlichen mit NPD Parolen auch nicht. Bin ich auch nicht dankbar, dass sie sich überhaupt mit Politik beschäftigen. Finde ich scheiße und sage ich auch.

3. Du sagst Fard und Snaga seien die Stimme des „kleinen Mannes“ – das behauptet die NPD seit Monaten mit ihren zahlreichen Bürgerbewegungen gegen Flüchtlingsheime auch. Ich sehe nur, wie hier der „kleine Mann“ verarscht wird, indem man die Leute untereinander und gegeneinander aufhetzt und der Blick auf Dinge gelenkt wird, die gar nicht da sind. Nämlich, dass irgendwelche finsteren Mächte die Strippen ziehen würden, um uns unten zu halten. In Wahrheit nimmt dir aber dein Boss die Hälfte vom Lohn weg und wenn er dich nicht mehr braucht, setzt er dich auf die Straße und du wirst arbeitslos und damit vollkommen wertlos für diese Gesellschaft. Da braucht man keine Bilderberger dafür, dass es so läuft. Das läuft so.

4. Großartig fand ich in diesem Zusammenhang dein Statement, dass wir und zusammen schließen sollten. – Ja sollten wir. Auf jeden Fall. Um jeden Preis.

5. Das Konzept die Menschen in unterschiedliche Nationalitäten einzuteilen, ist allerdings ein hervorragendes Mittel, um die Leute zu trennen, weswegen ich dabei bleibe und Nationalismus scheiße finde und auch den nächsten Punkt nicht verstehe. 

6. Du sagst, ein bisschen mehr Patriotismus würde den Deutschen gut tun, damit sie auf dem Schulhof in ihrer Sozialen-Brennpunkt-Hood nicht mehr geopfert werden. Ich weiß nicht, wann Du das letzte mal in so einem Viertel warst, aber als ich neulich in der High-Deck Siedlung am Ende der Sonnenallee gearbeitet habe, kam es mir eher so vor, als ob da ALLE ziemlich am Arsch sind und die patriotischen Deutschen in ihren Thor-Stainar Klamotten nicht weniger Opfer sind – führt eigentlich nur dazu, dass die einen nichts mit den anderen zu tun haben wollen – Nicht gut. Vielleicht meinst Du aber auch, dass man sich nicht dafür zu schämen braucht, Deutscher zu sein. Da würde ich Dir Recht geben. Man braucht sich genauso wenig für seine Herkunft zu schämen, wie es sinnlos ist, darauf stolz zu sein. Dafür kann man nichts. Das ist einfach so. Punkt.

7. Noch ein Wort zur Zinskritik, die du verteidigst hast. Du sagst, dass man sein Geld immer wieder investieren muss, denn wenn man es auf der Bank liegen lassen würde, dann würde es ja immer weniger Wert werden … Bank? Zins? … ich lasse das jetzt einfach mal so stehen.

Vielleicht meinst Du aber auch etwas ganz anderes. Vielleicht meinst Du damit, dass die Banken und der gesamte Finanzsektor in der heutigen Zeit viel zu viel Macht haben. Da würde ich Dir wiederum Recht geben, hat aber eine ganz einfache Ursache. Da Gewinne, wie ich vorher erklärt habe, daraus entstehen, dass dein Boss dir immer einen Teil der Kohle klaut, wenn du arbeitest, bekommt er natürlich auch immer weniger, je mehr Leute er auf die Straße setzt. Zunächst sind Entlassungen ganz gut für den Boss, weil der Rest der Belegschaft die gleiche Menge an Gütern herstellt wie vorher auch und durch Entlassungen die Produktionskosten sinken. Irgendwann muss er aber auch die Preise senken, weil seine Konkurrenten ihm im Nacken sitzen und weil irgendwann sogar die Chinesen kommen und alles kaputt machen, weil sie noch billiger produzieren können (weil sie ihre Leute noch besser ausbeuten können). Da hilft dann nur noch, auf Teufel komm raus, mit immer weniger Leuten mehr und immer mehr von dem Zeug zu verkaufen, das man so herstellt, solange bis die Märkte gesättigt sind. Irgendwann ist ein Markt dann ausgelutscht und man muss sich neuen Märkten zuwenden und im Zweifelsfall sogar einen neuen Markt erfinden. Deshalb muss unsere Wirtschaft auch immer wachsen, weil anders funktioniert es nicht und weil das Geld auf der Bank ja immer weniger Wert wird, wenn man es einfach so liegen lässt, Geld aber gerne mehr Geld werden möchte, sucht es sich Dinge, in die man investieren kann. Das ist mittlerweile ein bisschen schwierig geworden, weil gar nicht mehr so viel Wachstumsmärkte übrig sind. Also hat das Geld spätestens seit den 1990er Jahren angefangen, in die Zukunft und somit in die diversen Finanzprodukte zu investieren – mit den Folgen, die wir jetzt sehen. Die Geschäfte mit der Zukunft sind schief gegangen, die Kredite sind geplatzt. Weil das aber alles mittlerweile so groß ist und so viel Platz in unseren Volkswirtschaften einnimmt, kann man die Scheiße aber auch nicht untergehen lassen. Deshalb gibt es Bankenrettungen und Hilfspakete, die letzten Endes dann wieder vom „Kleinen Mann“ bezahlt werden. Too big to fail.

Das Problem würde aber nicht dadurch gelöst, dass man die Zinsen abschafft – was die Inflation in der Realität ja auch schon macht, wie du richtig erkannt hast – sondern das Problem liegt im System selbst, das auf Ausbeutung beruht und mittlerweile Schwierigkeiten hat reale Möglichkeiten der Ausbeutung zu finden.

Du hast Glück, dass Du mit dem Fitnessmarkt eine der letzten Wachstumsbranchen überhaupt gefunden hast. Danke übrigens dafür. Dein Programm funktioniert, wie man sehen kann!

#Bosstransformation läuft."

Hier kannst du das Interview mit Kollegah und Majoe anschauen:

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