Marteria im Interview mit 11 Freunde
Auch an dem Magazin für Fussball-Kultur 11Freunde.de ist der Hype um Marteria nicht spurlos vorüber gegangen. Da Rap ja nicht seine erste Karriere ist, haben sie mit Marteria über seine Zeit als Spieler bei Hansa Rostock gesprochen. Wir haben für dich Auszüge des Interview: Marten Laciny, vor zehn Jahren galtest du als eines der größten Talente des FC Hansa Rostock und standest im Kader der U17-Mannschaft von Horst Hrubesch. Vor dir lag eine Profikarriere. Was ist passiert?
Wenige Wochen vor meinem 18. Geburtstag bekam mein Leben durch einen Zufall eine komplett andere Richtung. Ich besuchte damals meine Schwester in New York, die dort als Au-Pair-Mädchen arbeitete. Ich war gerade mal fünf Minuten in der Stadt, als mich auf der Straße ein Scout ansprach und fragte, ob ich nicht Model werden wollte. Ich war zwar verdutzt, doch auch angefixt von der Idee. Ich hatte bis dahin in Rostock-Lichtenhagen gelebt, und nun lockte die große Metropole. Ich sagte zu.

Wie reagierte der Verein?
Das war ein kleines Drama. Zunächst diskutierte ich das Vorhaben mit meiner Mama, stundenlang, es flossen einige Tränen. Danach ging es zum Verein, wo die Diskussion nicht abbrach. Das waren harte Stunden, aber  letztendlich lösten wir den Vertrag auf.

Hattest du keine Zweifel?
Ich hatte mit 13 Jahren mal ein Angebot von RCD Mallorca, gegen die wir während eines Trainingslagers mit 3:6 verloren. Ich schoss damals alle drei Tore und die Spanier kamen sofort nach dem Spiel auf mich zu und versuchten, mich zu einem Wechsel zu überreden. Ich wollte aber Rostock, den Verein, meine Freunde, meine Familie nicht verlassen. Also sagte ich ab. Dieses Mal war es aber anders. Ich hatte ein paar Jahre zuvor die Musik entdeckt, dann kamen die Partys, Mädchen, das normale Programm einer normalen Jugend. Für mich war es dennoch, als hätte ich eine andere Welt kennengelernt. Und dann New York – das Mekka des HipHop. Das Mekka von allem.

Wie hast du damals vor deinem Trainer und deinen Eltern argumentiert?
Ich sah das eigentlich recht rational. Ich fragte vor allem mich: Kannst du es denn wirklich schaffen mit dem Fußball? Und was passiert überhaupt, wenn dir plötzlich das Kreuzband reißt?

Wie denkst du heute?
Ich habe viele Jahre Zeit gehabt, darüber nachzudenken. Und ganz ehrlich: Es war die schlimmste Entscheidung meines Lebens. Zumal ich recht schnell merkte, dass dieses Modelgeschäft nichts für mich ist. Doch ich glaube auch, nein, ich bin sogar ziemlich sicher, dass ich damals im Fußballverein eine gewisse Unzufriedenheit spürte. Etwa darüber, dass der Leistungsdruck immer größer wurde. Du musstest einfach immer abliefern. Egal, wie es in dir aussah, du warst verdammt, zu funktionieren.

Hansa kopierte zu der Zeit auch das Nachwuchskonzept von Ajax Amsterdam.
Und das hieß, dass es alle paar Monate Leistungstest gab. Wer die nicht schaffte, flog raus oder wurde degradiert. Ausreden wie »Ich hatte einen schlechten Tag« galten nicht. Außerdem gefiel mir dieses Verharren nicht mehr. Du konntest nicht ausscheren, jeden Tag spultest du die immergleichen Routinen ab.

Du wolltest selber die Welt entdecken?
So ungefähr. Es ist ja tatsächlich so, dass sich schon im professionalisierten Nachwuchsbereich alles nur um dieses Thema dreht: Fußball. Zunächst war das super, denn Fußball war ja mein liebstes Hobby. Doch da war stets auch etwas anderes. Ich wollte mit den Internatsleuten jedenfalls nicht jeden Tag über die Bundesliga sprechen oder das letzte Anstoß-Computerduell. Als ich zum ersten Mal Geld zusammengespart hatte, ging ich in den Plattenladen und kaufte mir für 1500 Mark Vinylscheiben – Run DMC, Public Enemy oder die Beastie Boys.

Dabei gibt es auch Fußballer, die sich für Literatur oder Musik interessieren.
Aber es sind Ausnahmen. Und gerade deswegen werden in der Presse Spieler wie Thomas Broich so gerne als die »anderen Profis« dargestellt, weil sie mal drei Bücher gelesen haben. Doch eigentlich besteht das fußballferne Leben eines Profis aus all den Klischees, aus Dingen, die mir irgendwann zuwider waren: Ich wollte nicht mit überdimensionierten Autos und dicken Felgen in die Großraumdiskothek fahren, ich wollte auch keinen Berater und ich wollte nicht im Spotlight in Sporthallen einlaufen. Das war mir zu abgehoben. Doch ich mache ja auch niemandem einen Vorwurf, denn als Profi hat man im Grunde keine andere Wahl. Weil ihm ab der Jugend sein komplettes Leben abgenommen wird?
Die Wäsche wird dir gewaschen, die Schuhe werden dir geputzt, die Wohnung wird dir gesucht. Du kommst gar nicht an den Punkt, an dem du dich für einen eigenen Weg entscheiden kannst. Und so wird dir auch deine Gedankenwelt vorgegeben. Es ist eine sehr runde Gedankenwelt.

Wie sah denn deine Gedankenwelt aus, als du jünger warst?
Da fand ich das alles natürlich wahnsinnig aufregend und cool. Meine Helden fuhren auch im dicken Mercedes auf den Klub-Parkplatz. Daniel Hoffmann zum Beispiel. Oder Jens Dowe und Hilmar Weilandt. Krasse Fußballer. Die Stars meiner Jugend. Weiter gehts bei 11Freunde:

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