Kid Cudi - Der Mann im Mond (Interview)
2009 veröffentlichte Kid Cudi sein Debütalbum Man on the Moon: The End of the Day . Nur ein Jahr später folgt nun die Fortsetzung Man on the Moon 2: The Legend of Mr. Rager . Bekannt machten ihn vor allem Elektro Singles, auch das zweite Mondmann Album wird aber in erster Linie von melancholischeren Gefühlen getragen. Die einheitliche Stimmung überdeckt dabei problemlos die verschiedenen musikalischen Einflüsse. Hauptsächlich kommen die auch nicht aus der Electro Ecke, sondern vom ausgiebigen Indie Rock-Hören. Einem weiteren Zeitvertreib des modernen, melancholischen Emo Hipsters, den Cudi repräsentiert. Sorry, man kann Röhrenjeans- und Hornbrille-tragende, latent weinerliche, auf Himmerlskörper fixierte und auf betont uncoole Art dauerhippe junge Männer natürlich nicht alle in einen Topf schmeißen. Sie sind ja individuell. Vielleicht macht das den Cudi so einsam. Spaß beiseite. Wenn irgendwas Eier braucht, dann innerhalb der Testosteron aufkochenden Rap Kultur Gefühle zu zeigen. So gesehen sind Kanye und Cudi vielleicht härter als all die Kokain Cowboys zusammen? Zumindest ist das Ergebnis der Einsamkeit des Rap- und Serienstars ( How To Make It In America ) sehr gute Musik. Wie verschieden die angesprochenen Einflüsse sind, zeigt allein die Liste der Musiker, mit denen der 26-jährige Scott Ramon Seguro Mescudi in seiner Karriere bereits gearbeitet hat: Kanye West holte ihn als Newcomer auf sein Label G.O.O.D. Music , beide sind auf der Single Erase Me zu hören und natürlich wird Cudi auch auf Kanye s Album My Beautiful Dark Twisted Fantasy vertreten sein. Die Crookers und David Guetta brachten ihn in die deutschen Single Charts, mit Snoop Dogg nahm er That Tree auf. Dazu kommen aber auch Kollaborationen mit den Emos vom Vampire Weekend ,  dem lustigen Johnny Polygon , dem britischen Mr. Hudson , dem singenden Robin Thicke , den Indie-esken MGMT , oder auch 3OH!3 , Dan Black und Shakira . Die eigene Gästeliste auf Man on the Moon 2: The Legend of Mr. Rager liest sich dagegen schon bescheiden, bleibt aber entsprechend vielseitig. So finden sich neben Kanye West den Hiphop Hörern bekannten Stimmen von  Mary J. Blidge , Nicole Wray und Cee-Lo Green , die assoziierten Rap Acts GLC und Chip tha Ripper , aber auch Def Jux Rapper  Cage und Singer Songwriterin St.Vincent auf einem Song ( MANIAC ). Am Sound wirkten Jim Jonsin , Emile , Plain Pat , Dot da Genius , Chuck Inglish von The Cool Kids , Anthony Killhoffer und Blended Babies mit. Wir haben nicht nur das Pre Listening für dich, sondern sprachen auch vor längerer Zeit mit dem Kid named Cudi über seine fast schon wieder beendete Karriere, einen emotionalen Menschen und seine Musik, Party Hits, Hipsters und Genre Matsche. Mr.Rager, tell me where you're going, tell us where you're headed. Du hattest mal vor, deine Musikkarriere zu beenden bevor sie überhaupt richtig begonnen hatte. Wieso?
Ach, da gabs ne Menge Gründe, die hab ich damals ja auch auf meinem Blog erklärt. Eigentlich will ich da gar nicht mehr drüber sprechen, aber für alle, die eine Erklärung brauchen: Ich bin nur ein Mensch. Celebrities sind keine Superhelden. Wenn man was auf dem Herzen hat, dann möchte man das einfach rauslassen. Und genau das habe ich damals getan. Und nun bin ich hier.   Du hast damals gesagt, dass dir der Hype um deine Person zu viel wäre und du dich etwas aus der Öffentlichkeit zurückziehen möchtest. Hat das seitdem jemals geklappt?
Das ist nahezu unmöglich. Du hast keine einzige ruhige Minute. Wenn du begehrt bist, bist du einfach begehrt. Es ist aber auch nach wie vor eine aufregende und beeindruckende Reise. Hype kann etwas Gutes, aber auch etwas Schlechtes bedeuten. Ich habe aber das Gefühl, dass der extremste Hype bei mir lange vorbei ist. Es gibt wieder eine Reihe von anderen Künstlern, die ganz neu auf den Markt kommen und an denen die Leute dann wieder mehr Interesse haben. Den größten Hype hattest du sogar vor deinem ersten Album. Das ist heute dank online veröffentlichter Musik nicht mehr unüblich.  Ist es typisch für das Internetzeitalter, dass man einen Hype ohne Album, aber auch trotz Hype KEIN Album haben kann? Siehe Papoose oder Saigon?
Du kannst Musik nicht aufhalten. Heute erfährst du im Internet von neuer Musik, bevor große Labels etwas von ihr mitbekommen. Manchmal hast du von einem Künstler schon viel gehört, aber er ist immer noch nicht im Mainstream angekommen. In der heutigen Zeit passiert so was häufig. Die Kids wenden sich immer mehr dem Internet und damit einer Independent Szene zu, wenn sie auf der Suche nach neuer Musik sind: weil sie schneller sind als der Mainstream, sind sie mehr an Indie Musik interessiert. Ein Debütalbum ist dann nochmal eine andere Sache. Bei mir hat das damals wegen Vertragsvernhandlungen immer länger gedauert und als das Rechtliche unter Dach und Fach war, mussten wir auf das Artwork warten. Ich wollte unbedingt ein Cover haben, das on point ist. Allein an der Musik hatte ich zuvor schon rund zweieinhalb Jahre gearbeitet. Konntest du schon von der Musik leben, bevor du ein Album auf dem Markt hattest?
Ja, die Kids haben ja schon meine Untergrund Songs aus dem Internet geliebt und ich habe sie auf Konzerten performt. So funktioniert das auch ohne Alben. Neben der Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit hatte dich auch die Konkurrenz-Situation im Mainstream Markt gestört.  Spürst du heute weniger Konkurrenzdruck?
Ich brauche keine Konkurrenz zu anderen um besser zu werden. Ich bin mein eigener Konkurrent in meiner eigenen Welt und messe mich an mir selbst. Ich versuche immer besser zu sein als bei der letzten Sache die ich gemacht habe. Auch den eigenen Ansprüchen gerecht zu werden, ist nicht immer einfach. Es ist also immer eine Wettbewerbssituation, selbst wenn man dem entgehen will. Am Anfang war es schwer, den Erfolg von Day N Night wiederholen zu müssen. Aber jetzt fühle ich mich gut. Ich weiß einfach, dass die Leute mögen werden, was ich release. Ich mache mir keine Sorgen mehr.   Mit dem erwähnten Saigon hast du gemeinsam, dass ihr in von Marc Wahlberg produzierten Serien mitspielt ( Entourage und How to Make It in America - Anm. d. R. ). Wie wichtig ist dir deine Schauspielkarriere?
Die Schauspielerei nehme ich sehr ernst, schließlich war das meine erste große Leidenschaft. Die erste Staffel haben wir im September 2009 angefangen zu drehen und jetzt versuche ich alles ruhig und seriös angehen zu lassen. Ist das Bloggen für dich in erster Linie Spaß oder ein Marketinginstrument?
Das ist wie ein persönliches Tagebuch. Mein Blog ist einfach und gewöhnlich und noch nicht mal aktuell. Eigentlich nutze ich den Blog nur, um den Kids einen Eindruck davon zu vermitteln, wie ich denke und welche Meinung ich zu bestimmten Themen habe. Ich wollte also keinen Blog machen, der sich nur auf Musik konzentriert. Von dir sind schon immer viele Songs im Internet gelandet. Hast du sie selbst geleaked, um Hype zu erzeugen?
Ich habe keinen einzigen Song freiwillig ins Internet gestellt, ehrlich. Ich habe keine Idee, wie das passiert. Vielleicht habe ich die CD einfach irgendwo vergessen und sie ist in die falschen Hände geraten. Deine persönliche Geschichte: Du hast Cleveland verlassen und bist nach Brooklyn gegangen um deine Musikkarriere voran zu treiben? Das klingt nach einem radikalen Schritt.
Ja, das war es auch. Ich wollte aber auch sowieso nach New York ziehen. Ich musste einfach da hin. Als ich dann da war, habe ich wirklich ausschließlich an Musik gearbeitet. So war es dann doch eine Alles-oder-Nichts Situation für mich. New York war es in jeder Hinsicht wert, die Erfahrungen dieser Zeit haben mir in vielerlei Hinsicht die Augen geöffnet. Du sprichst oft von deiner persönlichen Entwicklung und Lernprozessen im Laufe deiner Karriere. Hat die Musikindustrie deine Persönlichkeit zum Besseren oder zum Schlechteren verändert?
Es hat mich auf jeden Fall dazu gebracht, das Leben mit anderen Augen zu sehen. Es ist manchmal einfach total anstrengend und man brennt aus. Ich würde aber sagen ich wachse an diesen Herausforderungen.     Deine Musik ist immer sehr emotional. Wird es mit steigender Professionalität schwerer Emotionen zu zeigen? Diverse Zuhörer im Studio, Deadlines im Hinterkopf, das Wissen, dass Tausende Menschen den Song hören werden...
Überhaupt nicht. Ich ziehe mein Ding durch und bin fokussiert auf den Song, an dem ich gerade arbeite. Ich versuche einfach nicht an all die Dinge zu denken, die du gerade aufgezählt hast. Das Complex Magazin hat dich in der Cover Story über dich als "vollkommen komischen Vogel" bezeichnet. Eine zutreffende Beschreibung?
Das war ja nicht negativ gemeint. Der Kollege von Complex, der das Interview damals geführt hat, war wie ein Freund. Das hat es einfacher gemacht, denn ich hatte jemanden, dem ich mich öffnen konnte und dem ich alles erzählen konnte. Es war eigentlich cool den Artikel zu lesen, denn er hat mit der Beschreibung den Nagel auf den Kopf getroffen.    Wie ist es als Künstler bei Kanye Wests Good Music unter Vertrag zu stehen?
Ich kann natürlich schlecht sagen wie es bei anderen Labels ist, aber ich würde sagen, dass das Gute an Good Music ist, dass ich mein eigenes Ding machen kann. Meine Musik entsteht und erscheint als Kooperation von meinem eigenen Label [ Dream On , Anm. d. Verf.] und Kanye s Label. Er hat sich schon bei meinem ersten Album, bei dem er Executive Producer war, eher zurückgenommen und uns unser Ding machen lassen. Das finde ich cool. Nicht viele Labels machen das so. Er hatte Einfluss, aber eben nur genau so stark wie jeder andere Künstler, der mich inspiriert, den auch hat. Benutzt du einfach Beats, die du gesendet bekommst oder arbeitest du mit dem Produzenten im Studio gemeinsam an deinen Songs?
In 99,9 Prozent der Fälle ist es so, dass ich mit dem Producer im Studio arbeite und wir die Beats von Grund auf zusammen machen. Ich bin kein Typ für halbe Sachen. Alles was ich mache, mache ich vom Ursprung an. Du magst die Bezeichnung Hipster so wenig wie die meisten anderen Rapper, die man so nennt. Weil das Wort ursprünglich negativ gemeint war?
Es hört sich einfach nicht cool an. Es wurde in der Vergangenheit immer negativ benutzt und natürlich willst du dann nicht so betitelt werden. Wir wollen einfach generell in keine Schublade gepackt werden. Würdest du nicht trotzdem sagen, dass sich dein Stil und schließlich deine Musik mit der von Kanye West oder Drake vergleichen lässt? Da gibt es doch offensichtliche Parallelen.
Ich will eigentlich mit niemandem verglichen werden. Auch Drake kann mit niemandem verglichen werden. Wir sind selbstständige Künstler mit unserer eigenen Stimme. Niemand kann das machen, was jeder einzelne von uns macht, weder bei Drake , noch bei Kanye , noch bei mir. Egal wie stark man sich inspirieren lässt, am Ende macht jeder sein eigens Ding. Die Frage war ja nicht so gemeint, dass ihr gleich klingen würdet. Eine Gemeinsamkeit der Rapper, die man als Hipster Rapper zusammenfassen kann, ist aber zum Beispiel das Experimentieren mit anderen Musikrichtungen. Das ist ein Phänomen, das nicht aus der Rap Welt, sondern aus dem momentan allgemein vorherrschenden Hipster Stil kommt. Siehst du dich so?
Ich war eigentlich schon immer ein sehr kreatives Kind und habe verschiedene musikalische Genres gehört, aber es gehasst dafür an verschiedene Stellen gehen zu müssen. Meine Musik ist wie New York City: du kannst alles was du brauchst in kurzen Entfernungen erreichen. Du gehst aus dem Haus und kannst alles haben. Wenn du Rock hören willst, bekommst du Rock. Wenn du Pop hören willst, bekommst du Pop. Wenn du Elektro hören willst, bekommst du Elektro. Sie ist nicht wie L.A, wo du erst mal eine halbe Stunde mit dem Auto fahren musst, oder wie Cleveland.   Durch das Internet können Fans heute problemlos Songs aus allen Genres zusammengoogeln, Artists können Kollaborationspartner aus allen Bereichen einfach anschreiben.
Ohne Internet wäre das auch möglich, aber natürlich ist es so um einiges einfacher geworden. Die Vorreiter dieser Art von Rap und des Stils, für den heute auch du stehst, waren Pharell Williams oder Kanye West.
Ja, auf jeden Fall. Sie waren die ersten, die Barrieren eingerissen haben und verschiedene Dinge ausprobierten. Ich bin ein Produkt der Pharell und Kanye Ära. Die beiden haben eine Menge Kreativität frei gesetzt. Deine Alben sind eher durch den angesprochenen emotionalen Sound geprägt, aber im Mainstream bist du vor allem durch Elektro Party Tracks bekannt geworden: Den Crookers Remix zu Day 'N' Night und Memories auf dem David Guetta Album.
Der Remix von den Crookers war damals eine Idee von A-Trak . Wir waren befreundet, er hat den Vorschlag gemacht und ich habe seinen Worten getraut. Das Ergebnis ist dann nicht nur erfolgreich, sondern auch fresh geworden. Als ich es das erste Mal gehört habe, dachte ich "Heilige Scheiße!" Auch mit David Guetta lief die Zusammenarbeit sehr natürlich und der Song ist wirklich gut geworden. Ich kannte seine Musik ja auch schon vorher. Er hat Mischungen aus Urban Music und Dance bis in die letzte Großraum Disko gebracht. Auch neben dem Mainstream wurde in den vergangenen Jahren gerade Dance Musik mit Rap gemischt. Hörst du die Musik von den Labels von A-Trak oder Diplo, von  M.I.A, Rye Rye oder Buraka Som Sistema?
Klar, ich höre mir das alles an. Alles was neu ist und alles was kreativ ist unterstütze ich auch. Besonders Diplo , wir kennen uns schon seit langem. Fühlst du dich zwischen diesen Artists genauso zuhause wie in der Rap Welt?
Im Moment fühle ich mich eigentlich nur als ein Teil von Musik. Ich will ja auch in keine Kategorie gepackt werden. Ich kann auch überall auftreten, wo ich will. Meine Musik geht durch alle Grenzen, alle Typen von Kids lieben meine Musik. Wird es so bleiben, dass Musik ohne Genres auskommt und Mischungen zum guten Ton gehören?
Ich bin mir sicher, dass wir noch Einiges mehr hören werden. Wir stehen immer noch am Anfang eines komplett neuen Sounds. Die Kids werden auch in Zukunft immer stärker versuchen verschiedene Genres zusammenzufügen, bis es irgendwann ganz normal und alltäglich wird.

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