Die M.I.A. Story - Crossover Women Pt.2
 

Crossover Women Pt.2...

Das Jahr 2010: junge Musikfreunde shuffeln auf ihrem iPod Alternative Rock, 80er Jahre Rap, französischen Electro House und die neuste Drake Single. Warum? Weil sie es können. Weil Musik kein knappes Gut mehr ist, seit Tonträger überflüssig geworden sind. Musik ist wie Luft, fast immer und überall kostenlos erhältlich. Um guten Rap zu kennen, muss man nicht mehr zwangsläfig drei Jahre im Plattenladen alles durchhören, was interessante Cover hat, man kann auch einfach " best of rap+download " googeln. Dasselbe macht man mit sieben anderen Genres und fertig ist die buntgemischte Tracklist, die einen von nun an durchs Leben begleitet. Kein Wunder, dass auch die Artists Genres durcheinander werfen wie nie zuvor. Warum? Weil sie selbst auch querbeet hören und weil sie wissen, dass ihre Fans Bock darauf haben. Wir hatten uns damit bereits in den Artikeln über Hipster Rap ( Hipster Rap – Legerer Habitus dank Majordeal im Gucci-Bag ) und Electro Rap ( Hiphops Zukunft? Electro Rap 2008 ) beschäftigt und bis heute hat sich daran nichts geändert. Alles wird mit allem gemischt. Natürlich müssen Genres wie Rap dabei aufpassen, sich nicht im Mash Up Mainstream aufzulösen, wie Corega Tabs im Zahnputzbecher. Aber musikalische Innovation, neue Sounds, vielleicht sogar neue Genres, kann man ja nicht schlecht finden. Oder? Ohne etwas Mut wäre Rap schließlich garnicht erst entstanden. Ein großer Teil der heutigen Mischmasch Mucke ist von Hiphop mindestens beeinflusst. Rap ist ein häufiges Element. Und guckt man sich die Rapper in der hippen, internationalen Mischmach Musik Welt an, fällt eins auf: verdammt viele sind Frauen. Beispiele? Miss Platnum, Lady Sovereign M.I.A. , Rye Rye , Amanda Blank , Terry Lynn , Kid Sister oder Uffie . Dass man an so viele denken kann, wäre nichts besonderes, wenn das Geschlechterverhältnis in der herkömmlichen Hiphop Welt nicht so anders aussehen würde. Wie kommt es, dass es so viele Frauen gibt, die auf Mash Up Beats rappen? Während es so wenige gibt, die sich in der herkömmlichen Hiphop Welt am Mic durchgesetzt haben? Vielleicht kannst du uns eine Antwort in den Kommentaren da lassen, während wir dir einige der Rapperinnen der Mischmasch Musik Welt vorstellen. Nach Miss Platnum geht es weiter mit...

...M.I.A.

Wenn es eine Künstlerin versteht aus verschiedensten Musikgenres ihren eigenen, ganz persönlichen Sound zu kreieren, dann ist es die britisch-tamilische Musikerin M.I.A. Im Juli veröffentlichte sie ihr drittes Album Maya , erneut geht es auf eine wilde, experimentelle und eigenwillige Reise, die härter daherkommt, als der Sound ihrer Vorgängeralben Arular (2005) und Kala (2007). Die erste Single XXXO , zu der auch Jay-Z einen Remix aufnahm, konnte einen da schon auf die falsche Fährte führen.  Die einen bezeichnen M.I.A. s  Musik als aggressiv, radikal und nervtötend, die anderen als genial und revolutionär. Aber genau das will die 35-jährige, die im Jahr 2009 vom Time Magazine in die Top 100 Liste der einflussreichsten Menschen der Welt gewählt wurde: polarisieren, bewusst provozieren, außergewöhnlich-, anders sein und ganz vorne Weg ihre politischen Messages gekonnt unters Volk bringen. Der Hype um die mit politischen Inhalten gefüllte innovative Musik ging nach ihren ersten beiden Alben soweit, dass er bei Album Nummer drei manche schon wieder nervte. Aber so aufgeregt muss man M.I.A. ja auch nicht zwangsläufig sehen. Sie ist wahrscheinlich nicht die größte Musikerin des Jahrtausends und man mag aus einer guten Tageszeitung mehr lernen, als vom neuen Album. Aber genau so sind politische Musiker doch eigentlich immer: gute Beobachter der Welt in der sie leben, visionär, positiv verrückt und dadurch auch hundertprozentig überzeugt von ihrem Halbwissen. Wieso die hippe Punk 2.0 Rapperin  M.I.A. ist, wie sie ist, erklärt vielleicht ihre spektakuläre und internationale Biographie. M.I.A. , die bürgerlich Mathangi "Maya" Arulpragasam heißt, wurde 1975 als Kind tamilischer Einwanderer in London geboren. Als sie gerade sechs Monate alt war, entschlossen sich ihre Eltern zurück in ihre Heimat Sri Lanka zu ziehen. Maya s Großvater war von der Armee schwer misshandelt worden und brauchte die Hilfe seines Sohnes. In Sri Lanka angekommen, schloss sich Maya s Vater einer tamilischen Befreiungsorganisation an und ließ sich im Nahen Osten zum Guerillakämpfer ausbilden. M.I.A. s Familie zerbrach von heute auf morgen und sie war ab sofort mit ihre Mutter Kala und ihren beiden Geschwistern auf sich allein gestellt. Ihren Vater bekam sie fortan nur noch selten zu Gesicht und wenn, wurde er ihr als ihr Onkel vorgestellt. Diese Notlüge der Eltern diente als Schutz, um den ständig wiederkehrenden Militärs, die Jagd auf Aufständische wie M.I.A. s Vater machten, keine Möglichkeit zu geben, Informationen durch Maya oder ihre beiden Geschwister in Erfahrung zu bringen. Im Rahmen des lang andauernden Bürgerkriegs war Maya s Mutter gezwungen mit ihren Kindern regelmäßig umzuziehen. Ihre Flucht führte sie bis in die indische Stadt Chennai, von der es schnell wieder zurück nach Sri Lanka ging, wo es der Familie jedoch auch nicht viel besser ging, da sie unter Hunger litten und ums Überleben kämpfen mussten. "Ich habe im Alter von zehn gesehen, wie Menschen im Bürgerkrieg in Sri Lanka ums Leben kamen, wie meine Schule zerstört wurde. Man muss keinen Abschluss in Politik gemacht haben oder ein Staatsmann sein, um Erfahrungen teilen und sagen zu können: 'Da läuft etwas falsch.' Kreativität war auch Therapie für mich, das Geschehene zu verarbeiten." so M.I.A. in einem aktuellen Interview mit dem Fokus. 1983 gelang M.I.A. s Mom, ihr und ihren Geschwistern schließlich die Ausreise nach Großbritannien, wo sie in den Londoner Vorort Mitcham zogen. Neues Land, neue Probleme: Mitcham war in den Achtzigern eine Hochburg der rechtsradikalen National Front und es gab immer wieder Unruhen. Während ihrer Jugend in London, kam sie schließlich in Kontakt mit Hiphop, als zum ersten mal die Beats von Public Enemy Songs durch die Wand hämmerten. "Hiphop war die erste Sache bei der ich mich in England dazugehörig gefühlt habe." (gegenüber The Times , 2005) Nach der Schule wollte sie Kunst und Film am renommierten Central St. Martin College studieren, wurde aber nicht angenommen. Also rief sie - der Legende nach - den Chef des Ladens mehrmals an, wies darauf hin, dass sie ohne Studium womöglich als Prostituierte enden würde und bekam den Platz am Ende. Soweit, so gut, bis der nächste Schicksalsschlag an die Tür klopfte: M.I.A. s Cousin hatte in Sri Lanka als Märtyrer einen Selbstmordattentat verübt. Für M.I.A. Grund genug wieder zurück in ihre Heimat zu reisen, um vor Ort einen Dokumentarfilm über die dort herrschenden Zustände zu drehen. Die Eindrücke von diesem Trip verarbeitete sie anschließend in Bildern, die in London erfolgreich ausgestellt wurden. "Graffiti", das "kraftvolle Eindrücke der tamilischen politischen Streetart mit ihrer Kindheit in London mischt", nannte das 2002 The Guardian . Ihr Leben als Künstlerin, ihr kreativer Arbeitseifer und die ein oder andere gute Gelegenheit, führten sie dann nach dem Studium zur Musik. Zu dieser Zeit lebte M.I.A. in London zusammen mit Justine Frischmann , vormals Sängerin der Alternative Rock Band Elastica und Mitgründerin der Britpop Gruppe Suede . M.I.A. designte Elastica ein Cover und begleitete die Gruppe später auf Tour, um eine Dokumentation zu drehen. Dort lernte sie eine andere radikale und experimentierfreudige Musikerin kennenlernte: die heute in Berlin lebende Peaches . Die brachte ihr die Roland MC-505 Groovebox näher. Wieder zuhause, machte sich die musikalische Freundin bezahlt: auch Justine Frischmann hatte jetzt eine 505. Da Elastica sich nach der Tour aufgelöst hatte, wollte die ehemalige Frontfrau in der Lage sein, auch ohne Band Musik aufzunehmen.  M.I.A. begann mit dem Drumcomputer einem Mic und einem Vierspurrekorder erste Songs zu produzieren. Ursprünglich wollte sie als Produzentin weiter machen, also versuchte sie in Clubs karibische Mädels dazu zu bewegen, Vocals beizusteuern, scheiterte damit aber. Stattdessen rappte und sang M.I.A. von nun an selbst. Bei den Lyrics half ihr Frau Frischmann . 2003 fand M.I.A . ein kleines Label, dass 500 Schallplatten mit dem Song Galang presste. Außerdem stellte sie ein Demo zusammen, das Justine Frischmann zu ihrem Management trug - M.I.A. bekam einen Deal bei XL Recordings , dem britischen independent Label für innovative Dance Musik, bei dem auch Peaches veröffentlichte. Bei XL Recordings bekam M.I.A. talentierte und professionelle Produzenten an die Seite gestellt. Die Beats wurden nochmal überarbeitet, weitere Songs aufgenommen und das Debütalbum Arular (der Kampfname ihres Vaters) entstand. Einer der neuen Produzenten , war der damals noch relativ unbekannte Diplo , den M.I.A. kennenlernte, als er in London auflegte. Die beiden wurden auch privat ein Paar. Neben der Arbeit an Arular , nahmen sie das Promo Mixtape  Piracy Funds Terrorism auf. Die Single  Galang wurde neu veröffentlicht und schließlich vom Rolling Stone Magazin als einer der besten Tracks des Jahres 2004 bezeichnet. Zu den guten Kritiken für den neuen, interessanten Sound des Albums, kam das ganze schöne Drumherum: M.I.A. s rebelllische Attitüde, ihre Kleidung, das künstlerische Artwork, ihre Beziehung zu Diplo , ihre spannende Lebensgeschichte die sogar offensichtlich irgendwie etwas mit dem Thema des Jahrzehnts (Terror!) zu tun hatte. Das alles machte sich auch im Internet gut und damit galt M.I.A. , die die Knöpfe ohne Berührungsangst in die richtigen Richtungen drehte, schnell auch als eine der ersten Künstlerinnen, die ihren Erfolg (angeblich) dem Internet verdankt. Nachdem das erste Album dem Vater gewidmet worden war, bekam das zweite den Namen der Mutter: Kala . Zuerst ging M.I.A. aber ausgiebig und weltweit auf Tour. Auch die Orte, an denen sie anschließend Kala recordete, lesen sich wie eine Welttour, unter anderem waren Indien, Jamaika, Australien, Liberia und Trinidad dabei. Nur der längere Aufenthalt in den USA fiel ins Wasser: er scheiterte am Visum, angeblich wegen M.I.A. s Familiengeschichte und ihren Texten. Damit platzte auch der Plan, intensiv mit Timbaland zusammenzuarbeiten, der eine Zeit lang für einen Großteil der Produktionen eingeplant gewesen war. Stattdessen wurde also auf der Suche nach Inspiraton, fremden Musikrichtungen und neuen Instrumenten um die Welt gereist. Diplo produzierte drei Tracks, darunter das extrem erfolgreiche Paper Planes , das man später in Slumdog Millionaire und T.I. und Jay-Z s Swagger Like U hören konnte. Noch stärker vertreten war nur der brittische Fidget House Produzent Switch , der während der Aufnahmen mit Diplo connectete - heute bilden sie zusammen das Electro Dancehall Projekt Major Lazer . Die Arbeit, die M.I.A. in einen eigenen, innovativen Sound steckte, machte sich bezahlt,  Kala wurde von Kritikern und der internationalen Hipster Gemeinde mindestens so sehr gefeiert wie der Vorgänger. Auch Verkaufszahlen und Chartpositionen legten zu  - Arular war trotz allem Kritiker- und Hipster Hype nicht über Platz 98 in UK und 190 in den Staaten hinausgekommen. Dank Tracks wie Boyz (den Wale , Jay-Z und Swizz Beatz remixten) oder dem erwähnten Paper Planes hatte M.I.A. jetzt auch den Mainstream erobert. Obwohl sie sich gleichzeitig relativ sicher war, das sie da eigentlich garnicht hin wollte. Nach Album Nummer zwei ging M.I.A. nicht nur erneut touren, sie gründete auch ihr eigenes Label: N.E.E.T. Recordings . Gesignt wurde Rye Rye , ihres Zeichens Rapperin aus Baltimore, Produzent Blaqstarr , die Gruppe Sleigh Bells (deren Mash Up Musik unter anderem als Indie Rock, Noise Pop, Dance Punk oder Alternative Hiphop bezeichnet wird) und der Fotograf (!) Jaime Martinez . Privat änderte sich auch einiges: sie bekam ein Kind von ihrem Verlobten Benjamin Bronfman und zog mit ihm nach Los Angeles - die Visa Problematik hatte sich also inzwischen erledigt. Hier entstand dann auch ihr drittes Album, für das Blaqstarr und der brittische Dubstep Produzent Rusko zeitweise bei ihr einzogen. Damit suchte sie sich zwei junge, innovative Produzenten aus, anstatt aus dem breiten Angebot erfolgreicher Pop Produzenten zu wählen. Mit ihnen zusammen produzierte sie ein Album, dass als Stilmittel gerne auf Lärm setzt, manchmal nach Industrial klingt, dann wieder nach Rock und lyrisch immer schön zweideutig mit Islamismus sympathisiert, das Internet kritisiert oder blöde Schnappssorten Metaphern bringt.  Rusko hatte offensichtlich Spaß: "Die Idee des Albums war es, die Leute verrückt zu machen. Es klingt gestört und hektisch. Sie ist super kreativ. Während sie schreibt, malt sie Bilder und arbeitet am Artwork. Das Bild entwirft sie meistens vor den Lyrics. Das ist alles ein großes Paket und alles ist ein bisschen verrückt. Sie hat ein Kind, ein einjähriges Baby, und wir haben seinen Herzschlag aufgenommen - wir haben einfach verrückte Ideen umgesetzt. Jeder Track ist eine Überraschung. Ein Song klingt total abgedreht und du verstehst kein Wort und direkt darauf folgt dann ein Liebeslied mit Klavier und perfektem Gesang statt Rap." (gegenüber BBC )


Natürlich kamen auch bei Album Nummer drei noch einige Kollaborateure dazu, sowohl bei den Beats als auch bei den Lyrics. Anders als ein klassischer Rapper oder Hiphop Produzent, macht M.I.A. nichts alleine. Sie ist aber auch nicht nur Performerin, wie die Pop Stars. Sie entwickelt eine Vision, setzt sie mit anderen um, steuert sie und bringt sie am Ende auf die Bühne. Patchwork Künstlerin und Gesamtkunstwerk in einer Person. Nach dem Vater und dem Mutter Album war der Name des dritten Werks naheliegened: Maya , ihr eigener Name. Inhaltlich arbeitete sich M.I.A. auf dem neuen Album nach eigener Aussage vor allem an Informationspolitik ab, wozu auch Medien und Internet Kritik gehörte. Sie gibt dabei vielleicht nicht die großen Antworten, wirft mit Provokation und wirrer Musik, in die man eine Menge hineininterpretieren kann, aber eine Menge Fragen auf. Das gelang ihr dann auch ziemlich gut. Knapp zweieinhalb Monate vor der Veröffentlichung ihres dritten Albums Maya , feierte dann das neunminütige, provozierende Video zur ersten Singleauskopplung Born Free Premiere. Es entstand in Zusammenarbeit mit Regisseur Romain Gavras , der auch schon das umstrittene Video zu Stress von Justice gedreht hatte. Und sorgte weltweit für Aufsehen. Das Video zeigt Soldaten, die eine tödliche Hetzjagd auf rothaarige Menschen machen und schließlich Kinder über ein Minenfeld jagen. Falls jemand einen Deutungsvorschlag braucht, die Aussage könnte lauten "stell dir vor es wären keine Schwarzköpfe, die die Amis da hinrichten, sondern Rotschöpfe". M.I.A. beschreibt ihr provokantes Video als eine Art Wiederspiegelung der Hinrichtungsvideos aus Sri Lanka, die im World Wide Web die Runde machten und die sie selbst über Twitter mitverbreitete. Auf kritische Stimmen entgegnete sie, dass die Realität noch viel härter sei, als im Video gezeigt und die Leute sich nicht über ein bisschen Kunstblut und die Spezialeffekte aufregen sollten. Dass sich die Leute aufregten, war aber natürlich auch irgendwie Sinn der Sache. Und vielleicht haben ja auch wirklich ein paar darüber nachgedacht. Die New York Times brachte anschließend ein Portrait, in dem es vor allem um die politische Seite M.I.A. s ging. Die Journalistin Lynn Hirschberg führte diverse Interviews mit M.I.A. und begleitete sie durch ihren Alltag. Ihr Resultat: in dem mehrseitigen Portrait beschreibt die Journalistin M.I.A. als eine selbstgefällige, politisch inkompetente und auf den Scheinwerfer fokussierte Person. Die Journalistin wies auf einen angeblichen Widerspruch zwischen Maya s Lifestyle und ihren politischen Aussagen hin. Einer der Gründe für ihre Zweifel an M.I.A. s Glaubwürdigkeit: ihre verlobung mit  Benjamin Bronfman , der der Sohn des Chefs der Warner Music Group , einem der mächtigsten Männer der Medienindustrie. Klar, es passt irgendwie nicht zusammen, dass es auf Wikipedia Partypics von M.I.A. und dem Twitter Gründer gibt, während sie in Interviews warnt, Facebook und Google wären von der CIA entwickelt worden, um die Massen zu kontrollieren (gegenüber Nylon Magazine ). Andererseits: M.I.A. hat das Web 2.0 jahrelang intensiv genutzt und setzt sich jetzt kritisch damit auseinander. Das gleiche tut eine ganze Generation, M.I.A. wird ihrer Vorreiterrolle also vollkommen gerecht. Dass sie dabei überzieht, wenig differenziert und gerne verallgemeinert, hat sie ebenfalls mit all den Wahrheits-bewegten der Web 2.0 Generation gemeinsam. Und mit den meisten anderen politischen Popstars. Poltikwissenschaftlerin ist sie eben nicht.  Benjamin Bronfman ist eventuell auch nicht der Mensch, den man in ihm sieht, wenn man nur von seiner steinreichen Familie hört. Bis 2006 war er Sänger der New Yorker Band The Exit , inzwischen managt er ein Unternehmen für Umwelttechnik. Das legendäre Hiphop Independent Label Rawkus hat auch nicht darunter gelitten, dass einer der drei Gründer ein Sohn von Rupert Murdoch war. " I fight the ones that fight me ", rappt M.I.A. auf Lovalot vom neuen Album. Die Kritik der Journalistin wollte sie also natürlich nicht auf sich sitzen lassen. Sie polarisiert und muss mit den Folgen leben, zu denen auch schon Morddrohungen gehörten. Da wird man leicht aggressiv, wenn man angegriffen wird. M.I.A. holte zum Gegenschlag aus: sie twitterte die Telefonnummer der verantwortlichen Reporterin und stellte später einen Mitschnitt des Interviews online, aus dem hervorging, das M.I.A. stellenweise falsch zitiert worden war. Die New York Times musste einige Details überarbeiten und sich öffentlich entschuldigen.

"Dass ich mich verteidigt und ihre Telefonnummer veröffentlicht habe, war ein Versuch aufzuzeigen, dass man in westlichen Medien keine Möglichkeit hat, das Wort zu ergreifen – selbst wenn man diejenige ist, um die es geht. [...] Seit meinem Debüt ist immer wieder gefragt worden: Kommt sie aus der Gosse? Ist sie ein Flüchtling? Kommt sie von der Kunstschule? Die Wahrheit ist: Ich habe in einem Ghetto gelebt und davor in einem Dorf im Dschungel. Heute lebe ich in Los Angeles. Ich bin also nicht diese eindimensionale Person. Doch diese Journalistin ist der Meinung, wenn man arm ist, muss man arm bleiben und arm sterben. Dabei ist die Tatsache, dass ich einen reichen Mann geheiratet habe, meiner Kunst nur zuträglich." (gegenüber dem  Fokus ) Ach ja: natürlich war auch irgendwo wieder Jay-Z dabei, beim Remix zu XXXO .  Die Kritiken zum Album waren wieder gut, wenn auch etwas durchwachsender als in der Vergangenheit. Kommerziell ging es wieder ein Stück bergauf, wenn das Album natürlich auch nicht Lady Gaga Konkurrenz machte. Die Vater, Mutter, Kind Trilogie ist vollendet.
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