Das große Westafrika Special
Senegal - Rap regiert

Senegals Rap Szene gehört heute zu den vier größten der Welt. Dennoch kommt internationale Aufmerksamkeit nach wie vor nur traditionellen Künstlern wie Youssou N'Dour oder Emigranten wie Akon und Booba zu. Die Geburtsstadt der beiden erst genannten, Dakar, ist nach wie vor das unumstrittene Zentrum des Senerap. Anfang der Neunziger traten hier die von dem im Senegal geborenen MC Solaar entdeckten Positive Black Soul eine wahre Lawine los. Der Einfluss und die Bedeutung von Rap Musik sind in dem westafrikanischen Land, in dem 80 Prozent der Bevölkerung weniger als 30 Jahre alt sind, vielleicht größer als in jedem anderen der Erde. Geschätzte 800.000 Menschen unterhalten mit Rap Musik ihren Lebensunterhalt.

Die gesellschaftliche Rolle geht soweit, dass Politker bei vergangenen Wahlen Rappern Gerüchten zufolge große Summen für Auftritte auf Wahlveranstaltungen boten. Die Rap Crew Daara J soll dem heutigen Präsidenten Abdoulaye Wade im Wahlkampf 2000 sogar Reden geschrieben haben. Mit Abdou Diouf wurde damals der Präsident abgewählt, dessen Partei das Land seit der Unabhängigkeit 1960 ununterbrochen regiert hatte. Die Jugend hatte sich gegen ihn gewendet. Und Rap war die Musik, die ihre Haltung transportierte.

Positive Black Soul legten 1994 mit Boul Fale den Grundstein zu dieser Entwicklung. Die beiden Rapper Doug E. Tee und DJ Awadi lieferten sich mit ihren Crews (eine christlich und eine muslimisch) Jahre-lange Battles, bevor sie zusammen den Durchbruch schafften. Später trennten sich die beiden und DJ Awadi führte die Gruppe unter dem Namen PBS Radical weiter. Als erste, die in der inoffiziellen Landessprache Wolof rappten, schafften sie es, das Lebensgefühl einer ganzen Generation auf den Punkt zu bringen. Scheiß drauf was die anderen sagen, tu' was du für richtig hälst - Boul Fale. Andere, wie Daara J, BMG 44 oder Pee Froiss folgten.

Der Rap des Senegal scheint gegen amerikanische Trends relativ immun zu sein. Bestimmt von sozialkritischen Themen, meist vorgetragen auf der meist gesprochenen Sprache des Landes, Wolof, wandelt man doch eher auf den Pfaden der Griots als denen der G-Unit. Die traditionellen Musiker und Geschichten Erzähler, die schon vor hundert Jahren durch das Land zogen, sind für viele der Urvater heutiger Rap-Musik. Vielleicht findet sich hier auch die Erklärung für den auffallenden Erfolg der Hiphop Kultur in dem Afrikanischen Land.

Gangster Rap scheint den Senegalesen dagegen fern zu liegen. Wie zum Beispiel noch heute im Nachbarland Guinea, verbanden viele Senegalesen mit Hiphop lange Zeit hauptsächlich Kriminalität und unmoralisches Verhalten. Der heute in Bonn lebende Senegalesische Rapper Snipe erklärt den Durchbruch, der mit dem Erfolg von Positive Black Soul kam, auch mit deren Inhalten: "Früher war Mbalax die dominierende Musik im Senegal. Das ist die Musik die Youssou N’Dour, Baba Mal und Ismaël Lô geprägt haben. Rap war überhaupt nicht akzeptiert. Leute wie Positive Black Soul haben dann aber über sozialkritische und politische Themen gerappt -und heute hören selbst die älteren Leute Rap. Auch ältere Leute können sich mit den Inhalten identifizieren, weil es um alltägliche Probleme geht. Darum wie du deine Familie ernähren kannst, was aus Kindern wird, wenn sie nicht mehr in die Schule gehen und so weiter."

Den Problemen des Landes begegnen die Menschen meist mit festen Werten und ihrem muslimischem Glauben. Mehr als die Hälfte der Bevölkerung lebt unterhalb der Armutsgrenze, in manchen Vororten des Ballungszentrums Dakar sind zwei von drei Menschen Arbeitslos. Drogenkonsum und Kriminalität sind oft die Folge -aber nichts was man in der Musik verherrlichen müsste. Den Grund an der Misere sehen auch die Rapper des Landes in der Korruption der Politik, in den Folgen der Kolonialisation und den Interessen machtgieriger Politiker - inländischer wie ausländischer. Auch der Bürgerkrieg im Süden des Landes ist nach wie vor nicht wirklich beendet. Für Snipe, der auch in seinen inzwischen oft deutschen Lyrics Wert auf positive aber kritische Inhalte legt, ist das Land "wegen den verschiedenen Bevölkerungsgruppen [...] wie ein brodelnder Vulkan".

Rap ist, wie die Tradition der Griots, ein Weg die Probleme zu thematisieren und die Zensur der Mächtigen zu umgehen. Geld verdienen lässt sich damit allerdings selten. "Es rappt natürlich nicht jeder nur über Politik. Aber man kann nichts von Party erzählen, wenn man nicht mal was im Bauch hat. Ich kann die Amis verstehen, wenn sie über Bling Bling reden. Weil sie das jetzt haben! Wenn man ein Album macht und 20 Millionen Dollar verdient ist es schwer noch über das Ghetto zu reden. In Afrika bringst du 10 Alben raus und bist immer noch nicht reich. Du lebst wo du geboren wurdest und deine Träume bleiben die gleichen." [Snipe]

Die Musik der unzähligen Crews des Landes wird oft unter schweren Bedingungen aufgenommen und erreicht ihre Hörer auf zigfach kopierten Tapes. Der Mangel an Technik führt dazu, dass DJs meist für mehrere Crews auflegen. Schon die Beschaffung einer abgebrochenen Plattennadel kann den Betrieb für lange Zeit zum Stillstand bringen. Auch für eigene Beats fehlen häufig die Möglichkeiten. Ein Manko das sich durch traditionelle Instrumente und amerikanische Instrumentals aber beheben lässt. Die Gefahr genau wie die amerikanischen Kollegen zu klingen besteht ohnehin selten. Aufbauend auf dem klassischen New Yorker Hiphop der Neunziger, hat der Senerap durch den Einsatz von Instrumenten wie Ballacho, Cora und Gimbri, traditioneller Melodien und harter, rhythmischer Raps, heute einen absolut eigenständigen Sound. Auch Reggae, Mbalax, Soul oder Salsa fließen in die Musik ein. Vielleicht ist Senerap nicht total verschieden von den Rap Varianten der Nachbarländer, aber mit Sicherheit unbeeindruckt von Crunk, Intimate Club und Snap Music.

Große Namen wie PBS Radical, Daara J, Pee Frois, Rap'Adio oder BMG 44 stehen heute neben einer großen Zahl junger Künstler. Vielen, gerade aus der zweiten Gruppe, scheint aber das Leben Akons verlockender als das der Urväter von PBS Radical, die trotz ihrem hohen Status alles andere als reich wurden und im Ausland meist auf Kulturfesten in traditionellen Gewändern auftreten, anstatt, dem Selbstverständnis der meisten Jugendlichen entsprechend, in Baggys und XXL-Shirt als Hiphopper wahrgenommen zu werden. "Die Jugend hier in Dakar ist genau wie die Jugend irgendwo anders in der Welt: dieselbe Kleidung, dieselbe Musik, dieselbe Power." [Didier Awadi, von PBS Radical; Süddeutsche Zeitung 8.8.99] Auch ein Großteil der Gruppe Rap'Adio versucht heute sein Glück auf eigene Faust im Land der ehemaligen Kolonialherren, Frankreich. Wie so viele männliche Jugendliche des Landes, zieht es auch viele Rapper in wohlhabendere Länder -zumindest um dort ein paar Jahre lang Geld zu verdienen und die eigene Familie unterstützen zu können. Familie und Freunde werden im Senegal nach wie vor hoch gehandelt, Kooperation hat nichts mit persönlichen Vorteilen, sondern mit Selbstverständlichkeit zu tun. Dass die meisten Rapper in Crews und nicht Solo unterwegs sind, überrascht da wenig. Dieser Glaube an die Gemeinschaft macht es denen, die ihr Glück im Ausland suchen aber auch nicht leichter. Die Verantwortung wiegt schwer, für den Studenten wie den Rapper. Der Wuppertaler Rapper Don Mic, der mit 16 Jahren von der Elfenbeinküste nach Deutschland kam, versteht es als komplizierte Mission, als Afrikaner in Deutschland zu leben: "Es gibt viele Leute die immer Geld verlangen und denken es liegt hier auf dem Boden." Der Bonner Snipe unterstützt mit seiner Arbeit zwei Familien und einige Freunde im Senegal. "Viele in Afrika denken Europa wäre ein El Dorado - was nicht unbedingt der Fall ist."

Andere behalten ihre Wohnorte bei, versuchen aber durch internationale Kontakte und teils englische Lyrics weltweite Beachtung zu finden. Die Gruppe Wagëblë aus Dakars Vorort Thiraroye, bestehend aus drei Senegalesen und einem Schweizer DJ, vermarktet ihr aktuelles Album Sénégal mit Hilfe ihres norwegischen Managements.

Den goldenen Weg, die Grenzen Dakars zu überschreiten, stellt bislang aber keine dieser Möglichkeiten dar. Auch in Zukunft werden die bekanntesten Hiphop Musiker des Landes wohl die sein, die bereits ihre Jugend im Ausland verbrachten. Wie der amerikanische Sänger Akon oder der in Frankreich aufgewachsene Rap-Star Booba. Schon gezwungener Maßen dient den Künstlern im Senegal der Kampf für Veränderung im eignen Land und die Möglichkeit sich auszudrücken eher als Motivation, als die Hoffnung auf Ruhm und Reichtum. Der Weg ins Bewusstsein der nicht-afrikanischen Rap-Welt scheint auch für Afrikas größte Rap-Szene noch weit zu sein.

Hiphop.de dankt Tina Wunsch für das bereitstellen ihrer Fotos!

Guinea - Clash der Gegensätze

Südlich vom Senegal und nördlich der Elfenbeinküste liegt Guinea - ein gemeinsamer Nachbar, nicht nur geographisch. Auch was den Stand der Rap Musik und die politische Lage angeht, scheint das Land, das auf sieben mal größerer Fläche nur halb so viele Einwohner wie Nordrhein-Westfalen hat, eine Brücke zwischen seinen westafrikanischen Nachbarländern zu bilden.

Die Länder Westafrikas teilen eine ähnliche Geschichte, auch was ihre Rap-Musik betrifft. Gerade die Parallelen der Guineanischen Rap-Story, zu der Geschichte des Senegalesischen Hiphops, sind unübersehbar. Erneut zentriert sich die Szene um die Hauptstadt, in diesem Fall Conakry. Erneut dreht sich die Musik thematisch oft um Probleme des harten Alltags und Politik. Auch hier bilden Jugendliche den Großteil der Bevölkerung und auch hier steht die Demokratie auf wackligen Beinen. Der Präsident der Republik Guinea, Lansana Conté, regiert seit 22 Jahren - seit dem Ende der Herrschaft des Vaters der Unabhängigkeit, Sékou Touré. Die Wahlen beliebt der heutige Machthaber mit verdächtiger Sicherheit zu gewinnen, sofern die Opposition sie nicht von vornherein boykottiert. Auch in Guinea bestimmt die Lage der Jugendlichen die Inhalte ihrer Musik, nicht das amerikanische Vorbild.

Die Bedeutung von Rap nimmt dabei seit Jahren zu. Die Gruppe, die den Grundstein dieser Entwicklung legte, heißt in Guinea Kill-Point. Kurz nach den Senegalesischen Kollegen von Positive Black Soul gegründet, konnten auch sie mit politischen und sozialkritischen Inhalten die Menschen des Landes vom Wert ihrer Musik überzeugen. Heute lebt und arbeitet ein Großteil der Gruppe in Frankreich, die Bedeutung ihrer Musik für Guinea hat sich aber nicht geändert.

Der Grund für den Umzug lag dann auch kaum in besseren Verdienstmöglichkeiten. Frankreich verfügt selbst über ausreichend viele junge, hungrige Rapper um den Musikmarkt ganz Europas zu versorgen. Die große Zahl afrikanischer Musiker hat es da oft eher schwer.

Fast fünf Jahre lang regierte der damalige Bürgermeister M'Bemba Bangoura Conakry wie ein Stadthalter. Bevor er eine Straße seiner Stadt betrat, ließ er sie von seiner privaten Sicherheitstruppe vom gemeinen Volk räumen. Die Arbeitsweise des Bürgermeisters schien aus den Zeiten zu stammen, in denen er als Mitglied der Regierung Tourés' seine Karriere begonnen hatte. Zur Zeit des kommunistisch beeinflussten Regimes, das die Unabhängigkeit von Frankreich durchgesetzt hatte, später aber Folter und Morde in sein Regierungs-Repertoir aufnahm, kontrollierte der Guineanische Geheimdienst die Bevölkerung durch eine Vielzahl von Spitzeln. Trotz des Regime-Wechsels, konnten Leute wie Bangoura ihre Karrieren retten. Die Jugend Conakrys nannte Bangoura den "zweiten Präsidenten Guineas": ihre Heimatstadt kam ihnen vor wie ein Staat im Staat.

Auch wenn ihre Texte nicht primär revolutionär oder auch nur politisch ausgerichtet waren: Kill-Point waren, neben dem Reggae Sänger Alpha Wes, die ersten die sich offiziell gegen die Regierung und Conakrys Bürgermeister wandten. Beide mussten das Land anschließend verlassen. Der Bürgermeister warf ihnen vor, von seinen politischen Gegnern für ihre Aussagen bezahlt worden zu sein.

Erst als Bürgermeister Bangoura vom "echten Präsidenten" abgesetzt wurde und die Vorwürfe gegen Kill-Point als entkräftet gelten konnten, entschloss sich einer der MCs zurückzukehren. Während seine ehemaligen Band Kollegen durch Europa tourten, in Frankreich Tanzschulen und Kulturveranstaltungen, und von Frankreich aus Ausbildungsplätze in Guinea organisierten, kehrte Rapper Azaiko in sein Heimatland zurück. Zusammen mit dem ehemaligen Manager der Gruppe Malik Kebe führte er eine weitere von Kill-Point begonnene Tradition fort: Le Rap Aussi, West Afrikas größtes Rap Festival.

Das Festival, das dieses Jahr zum fünften Mal stattfand und geschätzte 20.000 Besucher anzog, brachte Guineas Rap vor allem eins: Kontakte über die Grenzen der Stadt hinaus. Diese internationalen Verbindungen halfen den guineanischen MCs auch, sich von der traditionellen Musik ein Stück weit zu emanzipieren. Die Szene teilt sich dabei grob in zwei Lager: diejenigen, die mit ihrem Rap den Wegen der traditionellen Musiker folgen und die, die sich eher an Amerika und Frankreich orientieren und dabei in erster Linie über Hiphop definieren. Traditionelle Instrumente und Einflüße finden sich allerdings in der Musik beider Lager. Die erste Gruppe, der sich Acts wie die Fac Alliance, Legitim Defense, Bill de Sam und P-Wada zuordnen lassen, genießt durch Kollaborationen mit traditionellen Künstlern einen höheren Bekanntheitsgrad im eigenen Land. Sie verstehen unter der amerikanischen Hiphop Bewegung nichts anderes, als die Fortführungen afrikanischer Musik-Tradition und wollen Rap wieder mit seinen Wurzeln vereinen. Die inzwischen immer stärkere Gruppe derer, die sich mehr als Rapper, als als Griots sehen, kritisiert sie dagegen häufig für inhaltslose Lyrics und ihren Drang zum guineanischen Mainstream. Die Vertreter des zweiten Lagers nehmen in ihrer Musik auch Bezug auf die vielen im Ausland, lebenden Guineaner und tauschen traditionelle Gewänder gerne gegen Baggys ein. Zu ihnen lassen sich auch Kill-Point zählen, die sich mit der Fac-Alliance, deren Name sich von ihrer universitären Ausbildung ableitet, eine Zeit lang battelten.

Auch innerhalb der international-orientierten Rapper ist der Zusammenhalt aber nicht zwangsläufig gewährt. Aus dem bedeutenden Sampler Tribunal Hiphop (unter anderem mit Mifa Gueya, Silatigui, Kill-Point und Cible du Ghetto) bildete sich bald eine ganze Bewegung - die sich eine lange Fehde mit dem ähnlich orientierten Saga-Movement lieferte. Beide Bewegungen zusammen umfassten nahezu alle Gruppen die gemeinsam dafür gesorgt hatten, Hiphop von traditioneller Musik zu emanzipieren und schlussendlich zur wichtigsten Musik der Guineanischen Jugend zu machen. Wieder ging es um den Konflikt zwischen traditioneller und westlicher Ausrichtung. Dieses Mal waren es die Acts des Tribunal, die Saga eine zu starke Anlehnung an Frankreich vorwarfen. Der Beef gipfelte in einem großen Live Battle zwischen Tribunals Siatigui und Deeg G Force 3 von Saga, auf den Anfang 2006 ein gemeinsamer Track folgte, der die Differenzen ausräumen sollte. Der Streit um die Ausrichtung des guineanischen Raps, der von außen betrachtet selten den Eindruck macht, zu sehr auf andere Länder zu schauen, ist damit aber sicherlich noch nicht beendet.

Das selbe gilt wohl für den Kampf gegen die Regierung und das System des westafrikanischen Küstenstaats. Nach wie vor können nur die wenigsten Guineaner vom Rohstoff-Reichtum des Landes profitieren. So scheint mittlerweile ein ganzes Land auf den Tod des schwer kranken Präsidenten Conté zu warten, der schon mehrere Attentate überlebte. Ohne das irgendjemand wüsste, wie es dann weiter gehen könnte. Schon die Herrschaft des oft als Diktator bezeichneten Landesvaters Touré war erst durch dessen natürlichen Tod beendet worden. Der damalige Militär Conté übernahm das Steuer und ließ sich zum Präsidenten wählen.
Guinea belegt heute den elften Platz der Liste gescheiterter Staaten des Fund for Peace. Auch hier liegt Guinea zwischen seinen Nachbar Ländern: Die Elfenbein Küste belegt einen erschreckenden dritten Platz, der Senegal Platz 99.

Kill-Point und Alpha Wes gehörten rückblickend zu den ersten, die ihre Unzufriedenheit mit dem System öffentlich in Worte fassten. Ihnen folgten viele weitere Rapper, wie Masta G, Mifa Gueya, Fac Alliance, Silatigui, Raisonable Djelly oder auch Deeg G Force 3. Den Rappern folgte wiederum die Jugend - heute scheint in allen Altersgruppen kaum noch jemand der Meinung zu sein, dass nichts geändert werden müsse.

Sicherlich lässt sich diese Entwicklung nicht allein und direkt der Rap Musik zuschreiben. Auch muss Hiphop in Guinea nach wie vor mit größeren Ressentiments kämpfen, als zum Beispiel im Senegal. Dennoch: Rap ist heute unter Jugendlichen noch vor Reggae die beliebteste Musik. Und Jugendliche sind in Guinea nicht nur die Mehrheit - sie sind vor allem die Zukunft des Landes.

Danke an SBY für die Hilfe und Informationen.

Die Elfenbeinküste

Die Rap Szene der Elfenbeinküste kämpft noch mit weit mehr Problemen als die des Senegals oder Guineas. Nach wie vor ist das Land vom Bürgerkrieg geteilt: den Süden hält die Armee des Präsidenten Laurent Gbagbo, während der Norden seit mittlerweile vier Jahren unter Kontrolle der Rebellengruppe Forces Nouvelles steht. Ethnische Spannungen und der Kampf um die Rohstoffe des Landes verhinderten bisher auch die eigentlich vereinbarten Neu-Wahlen, die den Weg in den Frieden sichern sollten. Auch wenn der Konflikt nur gelegentlich offen ausbricht, lähmt er die Entwicklung des Landes, das offiziell seinen französischen Namen Côte d'Ivoir trägt, auf allen Gebieten.

"An der Elfenbeinküste herrscht Bürgerkrieg. Das heißt aber nicht, dass die Leute sich permanent umbringen. Ich finde den Krieg bei uns sehr traurig, wenn Leute sich hassen, weil sie aus dem Norden oder Süden kommen. Aber die Zustände sind nicht wie zum Beispiel in Europa während des zweiten Weltkriegs. Wir sind außerdem ein höfliches, gutes Volk, in dem sich die Leute helfen. Leider haben die Leute in Deutschland oft ein zu negatives Bild von meinem Land." [Don Mic, in Wuppertal lebender, ivorischer MC]

Genau so wie die Fußballer um Didier Drogba bei der WM, wollen auch die Musiker die positiven Seiten ihres Landes hervorheben und die circa 60 Bevölkerungsgruppen zusammen bringen. Ausdruck des Lebensgefühls der Jugendlichen ist in erster Linie Zouglou, schnelle Tanzmusik, mit meist sehr politischem Inhalt. Anfang der neunziger Jahre wurde sie zum Soundtrack der Studentendemos, heute schafft sie es selbst in europäische Clubs.

Rap und Zouglou beeinflussen sich gegenseitig, wie zum Beispiel auf den Tracks des Duos R.A.S.. Als eine der ersten Gruppen mischten sie auf ihrem Tape Instinct Sauvage Rap mit Zouglou und Dancehall.

Die Spitzen Position wird Rap also vielleicht nicht sobald einnehmen, Hiphop ist aber zum festen Teil der Musikszene geworden. Seit knappen zehn Jahren hat Hiphop seinen festen Platz neben Reggae (zu den bekanntesten ivorischen Reggae Artists zählen Alpha Blondy und Tiken Jah Fakoly), Zouglou, Coupe-Decale und anderen, traditionellen Musikrichtungen. Der Dresscode amerikanischer Rapper beeinflusst Jugendliche in Abidjan, der inoffiziellen Hauptstadt des Landes, nicht weniger als die europäischer Hauptstädte. Wie auch im Senegal und in Guinea, ist die Bedeutung der wichtigsten Stadt für die heimische Musikszene groß. Hier stehen die wenigen, großen Studios und hier lebt die Szene am intensivsten. Aus Abidjan stammt auch einer der bedeutendsten Rapper des Landes: Stezo. Der erste Mann der Flotte Imperiale liefert sich seit Jahren einen anhaltenden Beef mit Almighty von Ministère Authentik. Beide gehören zur ersten Liga ivorischer MCs, zu der sich auch Baby Joe, M.A.M., MC Claver, Negromuffin, Parlement Supreme, Phantom, Kajim und Angelo & Les Dogbas zählen dürfen.

Wie auch in den französischsprachigen Nachbarländern, bestimmen politische und sozialkritische Lyrics die Inhalte der Rap-Musik. Gruppen wie Negromuffin plädieren für mehr ivorisches Selbstbewusstsein und selbst die ehemalige Kindergruppe M.A.M. legt vor allem Wert auf positive Aussagen in ihren Texten.

Dennoch gibt es an der Elfenbeinküste auch Rap in seiner härteren Form: Rap Dogba nennt sich die ivorische Version des Gangsta Rap. Baby Joe, der 1997 sein Debut Album Control veröffentlichte, wuchs als jüngstes von 30 Kindern auf. Dass an der Elfenbeinküste, wie auch in Guinea und Senegal, die Vielehe nach wie vor Gang und Gebe ist, erklärt diese extreme Kinder-Zahl vielleicht ein wenig. Dennoch lässt sich erahnen, dass es Baby Joes Vater nicht leicht hatte, allen seinen Kindern eine goldene Zukunft zu bereiten. Der Wunsch seines jüngsten Sohnes als Englisch Lehrer sein Geld zu verdienen scheiterte entsprechend und Baby Joe landete auf der Straße. Das Street Life ist für den selbst gekrönten King Osagyefo (sein Alias) aber nichts durchweg schlechtes: hier lernte er nach eigener Ansicht, was ihm das Bildungssystem des Landes nicht vermitteln konnte. Das könnte einiges sein, zum Beispiel gilt rund jeder zweite Ivorer als Analphabet.

Für den seit sechs Jahren in Deutschland lebenden Rapper Don Mic, ist der Straßenrap seiner Heimat kaum mit dem Deutschlands zu vergleichen:

"Wenn ich in Afrika sagen würde 'ich komme aus dem Ghetto' würden die Leute mich auslachen. Die würden sagen 'du bist gut angezogen, siehst gut aus, riechst gut, was weißt du vom Ghetto?' In Deutschland geht es Leuten gut, sie haben alles was sie brauchen, aber sie sagen sie sind Ghetto und Gangster. Nur weil du einen Tag im Knast warst, bist du nicht gleich ein harter Gangster! Ich rappe auch über das, was ich gesehen habe, nichts wovon ich nichts verstehe. Das ist bei uns so. Wenn dir ein Afrikaner sagt 'Junge, ich schlage dich!' - dann steht er am nächsten Tag um sieben Uhr morgens vor deiner Tür und glaub mir, er schlägt dich. Sonst wird er das gar nicht erst sagen."

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