Birdman & Lil Wayne - Like Father Like Son
Like Father, Like Son - ein Album mit genügend Geschichte im Schlepptau, um ein dickes Buch zu füllen. Ein Buch, das wohl irgendwo zwischen Iceberg Slims Biographie, Der Pate und diversen Drogen- und Sex-gefüllten Rock n Roll-Dokus liegen würde. Ein Buch über einen der bedeutendsten Geschäftsmänner der Hiphop-History, einen der besten MCs unserer Zeit, eines der legendärsten Labels der Rap-Geschichte, Ausbeutung, Heroin, Gewalt und jede Menge Gerüchte.

Der Soundtrack zu diesem ungeschriebenen Bestseller rechtfertigt absolut sich der Geschichte eingehender zu widmen. Die XXL zeichnete Like Father, Like Son mit einem XL aus - naheliegender Weise die Bewertung, die nur noch von absoluten Classics getoppt wird.

In verschiedenen Skits, die den Hörer durch das Album begleiten, klärt ein gestandener Mafia-Pate seinen Nachfolger über die Regeln des Geschäfts auf und legt die Zukunft der Familie in seine Hände. Cash Money Records ist nicht tot. Es hat einen mächtigen CEO und einen hungrigen Präsidenten, die dafür sorgen werden. Like Father, Like Son.

Lil Wayne bewies bereits auf The Carter II endgültig, dass der selbstverliehene Titel best rapper alive vielleicht etwas umstritten, aber zumindest nicht absurd ist. Ein eigener Sound, ein eigener, abwechslungsreicher, melodischer und anspruchsvoller Flow, unschlagbarer Swagger, verrückte Lines und thematische Vielfalt - Material für einen wahren Klassiker. The Carter II ging Platin und etablierte Lil Wayne an der Spitze des Spiels. Auch Businessman Baby nimmt Rap-Skillz inzwischen ernst. Sein Beitrag zum jüngsten Werk fällt nie negativ auf, erfolgreich war der Cash Money Gründer sowieso vom ersten Tag an. Zusammen mit Mannie Fresh ging er bei sechs Alben zwei mal Gold und zwei mal Platin. Seine zwei Solo-Alben Birdman und Fast Money addieren jeweils eine weitere Platin und Gold-Plakette, im Medaillen-Spiegel liegt er damit zum Beispiel nur knapp hinter Langzeit-Top Ten MC Busta Rhymes (fünf mal Platin, zwei mal Gold).

Like Father, Like Son bringt nun also zwei extrem erfolgreiche (und extrem reiche) Rapper auf einem Album zusammen. Es ist außerdem ein vielleicht lange überfälliges Projekt Lil Waynes mit dem Mann, der ihn im Alter von nur elf Jahren signte und reich machte. Des Mannes, den er Vater nennt. Addiert man dazu, das Baby, aka Birdman und Lil Wayne, aka Weezy F. Baby, zusammen ein sehr starkes und eigenständiges Album abliefern, scheint es sich hier also um ein Highlight im schon fast überladenen vierten Quartal 2006 zu handeln.

Man kann die Sachen allerdings auch anders sehen. Einige der großen Namen der Cash Money Geschichte haben das Label verlassen. Erst die Hot Boys Turk, Juvenile und B.G., anschließend auch Mannie Fresh. Was blieb, waren CEO Baby und der frisch ernannte Cash Money Präsident Lil Wayne. Aus dieser Sicht gesehen, scheint Cash Money wie ein stehend totes Label mit langer Geschichte und zwei Männern an der Spitze, die zwar ihr eigener Boss sind - viel mehr aber auch nicht.

Vor dem Relase von The Carter II war Dwayne "Lil Wayne" Carter eigentlich schon fest beim Label des anderen President Carter untergekommen. Lil Wayne wurde als neustes Signing von Jay-Z bei Def Jam gehandelt, Cash Money schien endgültig beerdigt. Im letzten Moment konnte Baby seinen letzten verbliebenen Schützling dann unter anderem mit dem Präsidenten-Posten überzeugen. Auch ohne erwähnenswerte Artists, ein Präsidenten Posten klingt natürlich gut. Hinzu kam, dass Lil Wayne hier wusste was er hatte und sein eigenes Sub-Label (Young Money Entertainment) starten konnte. Auf beiden Labels zusammen sind heute, neben dem großen und dem kleinen Birdman, neun noch eher unbedeutende Rapper gesignt, hinzu kommen die Artists der verbundenen Labels Inevitable Entertainment (unter anderem Yo Gotti), Cash Money Classics und Roun'Table Entertainment.

Weezy wuchs als Dwayne Carter in Hollygrove, New Orleans auf und bekam seinen Nachnamen von Reginald "Rabbit" Carter, der die ersten zwölf Jahre seines Lebens als sein Stiefvater fungierte. Der Legende zufolge, brachten ihm dann tägliche Freestyles auf Babys Anrufbeantworter mit elf Jahren seinen ersten Plattenvertrag ein. Baby, zusammen mit Ronald "Slim" Williams Gründer des örtlichen Labels Cash Money, steckte den jungen Wayne zusammen in eine Gruppe mit einem anderen Talent: dem nur einen Jahr älteren Lil' Doogie, heute bekannt als B.G.. Beide hatten ihre leiblichen Väter durch Morde verloren und veröffentlichten ihr Debut True Story 1995 als The B.G.z. Zwei Jahre später bekamen die beiden Youngsters Unterstützung von Turk und Juvenile, die Hot Boys waren geboren.

Zentriert um die Hot Boys und die Big Tymers (Baby und Mannie Fresh) wurde Cash Money zu einem der bedeutendsten Labels der Neunziger Jahre. Mannie Fresh versorgte die Crew durch seine, für viele New York-Rap sozialisierte Hörer erst mal billig und künstlich klingenden Beats, mit einem Trademark-Sound. Zusammen mit No Limit Records bereitete Cash Money die Basis für die heutige Herrschaft des amerikanischen Südens im Rap-Geschäft.

Bereits vor dem ersten Hot Boys Release sicherten Bryan "Baby" Williams und sein Partner Ronald "Slim" Williams Cash Money einen 30-Millionen-Dollar Deal mit Universal Music (die Neuauflage des Deals sollte Jahre später 100-Millionen Dollar schwer werden). Während Lil Wayne im Alter von siebzehn Jahren seine Solo-Karriere startete, schuf Baby ein Imperium. Heute kooperiert er als Einzelperson und Chef von Cash Money unter anderem mit Lugz, Sean John, Jacob the Jeweler und Aire Watch USA. Alleine sein Deal mit dem Schuh Hersteller Lugz brachte ihm in den vergangenen zwei Jahren 80 Millionen Dollar ein. Auf der Bank landet davon scheinbar ein vergleichsweise kleiner Teil: Babys Fuhrpark soll alleine 40 Autos umfassen, der Wert seines teuersten Zahnschmucks soll bei mehr als einer halben Millionen US-Dollar liegen. Das gesamte Netzwerk, des heute fast vierzigjährigen Papa-Birdmans, ist rund 350 Millionen Dollar schwer.

Der Name Cash Money scheint dem Label und seinen bedeutendsten Protagonisten also angemessen. Dennoch scheint auch im Süden nicht immer die Sonne. Juvenile, Turk (der zur Zeit eine zwölf Jährige Haftstrafe wegen versuchten Mordes an einem Polizei-Beamten absitzt) und schließlich auch Mannie Fresh, warfen Baby vor seine Künstler auszunutzen und mehrere Millionen Dollar unterschlagen zu haben. Auch wurden dem Birdman vielfach Aktivitäten im Heroin-Handel nachgesagt, mit denen er sich in seinen Lyrics auch bis heute brüstet. Die Heroin-Sucht der Ex-Hot Boys Turk und B.G. sollen angeblich von Baby in bester Pimp-Manier gewollt worden sein, um seine Artists im wörtlichsten Sinne abhängig zu halten. Auch der Tod des ehemaligen Cash Money Acts Yella Boi soll auf Babys Rechnung gehen. Dass zwischen Turk, B.G., Juvenile auf der einen-, und Baby und Lil Wayne auf der anderen Seite, heute Beef herrscht, überrascht so wenig.

Weezy F. Baby fiel von Anfang an trotz seines extrem, sagen wir, besonderen Rap- und Kleidungs-Styles, als eher vernünftig auf. Drogensüchtig wurde er nie, Anzeigen beschränkten sich auf den Besitz von kleineren Mengen Marihuana, vor Vollendung seines 21sten Lebensjahrs, verzichtete er seiner Mutter zuliebe auf Schimpfwörter in seinen Songs. Heute studiert er Politikwissenschaften. Dennoch drehen sich Weezys Lyrics um übliche Gangsta Rap Thematiken: Sex, Drogen-Handel und Gewalt. Mit einer besonderen Betonung von Geld und stylischem Aussehen. Kokain und A Bathing Ape-Klamotten heißen die Eckpunkte seines Rap-Universums, was ihm Vorwürfe einbrachte, von The Clipse zu biten. Seine inzwischen hochklassigen Lyrics schreibt Wayne angeblich so wenig nieder, wie der erwähnte originale President Carter, Jay-Z bezeichnete Lil Wayne vor ein paar Jahren (laut Weezy) als seinen Lieblings Rapper aus dem Süden, neben dem ebenfalls lyrisch versierten T.I..

Zumindest einer ließ in diesem Sommer allerdings Zweifel an Lil Waynes MC-Qualitäten aufkommen. Der ehemalige Cash Money Artists Gillie Da Kid behauptet hartnäckig, einen großen Teil der Tracks auf Lil Waynes Solo-Durchbruch The Carter geschrieben zu haben. Ein Überfall, bei dem Gillie Da Kid fast getötet wurde, soll angeblich auf Babys Konto gehen. Inszenierte Promo für den Aussteiger oder True Story?

Zu merken ist auf dem aktuellen Werk zumindest nichts von abgewanderten Ghostwritern. Lil Wayne trumpft auf wie schon auf dem zweiten Carter-Album. Der Sound von Like Father, Like Son schließt, mit Produktionen von T-Mix, Scott Storch und Swizz Beatz, ebenso an alte Cash Money Tage wie an das ziemlich einzigartige The Carter II an. Auch aktuelle Trends wie die in Null-Sechs obligatorischen, gescrewten Hooks finden ihren Platz, alles in allem ist Like Father, Like Son ein mehr als würdiges Update der Cash Money-Dynastie.


Die enge Beziehung der beiden Protagonisten wurde in der Vergangenheit nicht nur von Gillie Da Kid zu ziemlich persönlichen Angriffen genutzt. Auch Ex-Cash Money Artist Young Buck berichtete in einem Radio-Interview, er hätte mehrmals gesehen wie Birdman Baby und Lil Wayne, so wie Baby und Turk, sich geküsst hätten. Ob diese Gerüchte der Wahrheit entsprechen und -wenn wahr- mehr mit dem familiären Verhältnis des gut 15-Jahre älteren Label-Bosses zu seinen Schützlingen zu tun haben oder mit (wie von Gillie behauptet) Homosexualität, wird sich wohl nie klären. Sicherlich liefert ein vollends erwachsener Mann, der eine Gruppe minderjähriger MCs um sich versammelt, sie Hot Boys tauft und väterliche Beziehungen zu ihnen aufbaut, eine breite Angriffsfläche für derartige Behauptungen verstoßener Schützlinge. Gillie Da Kid, der laut eigenen Angaben auch ohne eigenes Release bei Cash Money sehr reich wurde, kann sowohl als wissender Insider, als auch als Promotion-geiler No-Name Artist betrachtet werden. Fürs erste sollte Weezy Fucking Baby also nur als Spitzname gelten.

Lil Wayne zumindest lebt seine heterosexuellen Vorlieben ziemlich öffentlich. Seine Beziehung zur baddest bitch Trina, die sich auch in einem Tattoo-Tausch manifestierte, wurde schnell bekannt. Auch wenn Wayne in einem Interview nicht zuviel Verraten wollte: seine kleine Tochter, die er mit seiner Stylistin zeugte, lieferte dem XXL-Reporter am Ende doch genügend Verplapperer für eine Bekanntgabe der Promi-Beziehung. Inzwischen haben sich die beiden wieder getrennt.

Die Karriere Lil Waynes scheint derweil unaufhaltbar. Das lange angekündigte Mixtape Can't Feel My Face mit Juelz Santana, könnte laut Lil Wayne auch gut ein ausgewachsenes Album werden. The Carter III soll angeblich schon fast fertig sein, außerdem ist Lil Wayne mehr oder weniger offiziell Teil der Südstaaten Super-Group Boyz-N-Da-Hood. Ob Lil Wayne oder Rick Ross, der wie Fat Joe, Daz und Kurupt, auch auf Like Father, Like Son vertreten ist, allerdings der Frontmann auf dem nächsten Album der Bad Boy South-Gruppe sein wird, steht noch in den Sternen.

Zumindest im Musikmarkt scheint die Zukunft New Orleans' also sicher. Baby wohnt seit der großen Flut 2005, die auch mehrere seiner zahlreichen Anwesen verwüstete, genau wie Lil Wayne in Miami. Weezy bewies mit dem Track Georgia (Bush) dass er auch außerhalb des Hörsaals politisch sein kann und warf dem Präsidenten unter anderem vor, die angebliche Sprengung der Dämme im Kontext des Hurrikans Katrina veranlasst zu haben. Hollygrove, New Orleans und Cash Money Records sind nicht mehr das Selbe. Dennoch soll die Zukunft noch einiges bereit halten für Hiphops erste wahre Rock Stars. Zumindest eins wird dabei sein: Cash - Money. Birdman und Junior Ain't Worried Bout Shit. Oder um es direkt mit Weezy zu sagen: a 9-to-5 is overrated...
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