Big Boi - Ein OutKast im Interview
Das Wort "outcast" bezeichnet einen Außenseiter. Big Boi und sein kongenialer Partner André 3000 sind seit 1991 ein Duo und der Name passt nach 21-fachem Platin maximal noch, weil sie niemals mit dem Strom geschwommen sind. Mit Sir Luscious Left Foot: The Son of Chico Dusty bringt Big Boi nun am 6. Juli sein erstes wirkliches Soloalbum auf den Markt. Nicht nur die Single Shutterbugg zeigte im Vorfeld, dass man ein starkes Stück Musik erwarten kann.  Die Veröffentlichung deines Albums wurde einige Male verschoben, du musstest das Label wechseln. Für einen Multiplatin Rapper wie dich dürfte es doch eigentlich nicht schwer sein ein passendes Label zu finden - Wo lag das Problem?
Die Leute von Jive Records haben meine Musik nicht verstanden. Sie haben gesagt, dass nicht genau wissen, wie sie meine Musik vermarkten sollen. Sie wollten, dass ich mehr 0815 Musik mache, aber das ist nicht das, was ich tun will.

Was genau verstehen die Leute von Jive Records nicht an deiner Musik? Dein neues Album klingt zwar nicht nach einem OutKast Album, aber man weiß doch wofür du stehst und dass der Sound funktioniert.
Sie respektieren meine Kreativität nicht und wollen einem sagen, was man zu tun hat. Das möchte ich nicht. Ich bin froh jetzt wieder L.A. Reid an meiner Seite zu haben und mit ihm zu arbeiten. Er lässt mir meine kreative Freiheit, sodass ich genau den Sound machen kann, den ich machen möchte. Das ist der Punkt. Du hast einen großen teil des Albums co-produziert. Wir genau bringst du dich ein, wenn du mit den Producern am Beat arbeitest?
Zuerst bekomme ich einen Beat vorgelegt, aber ein Beat ist eben nur ein Beat. Ich veredle ihn dann mit neuen Elementen. Ich hole zum Beispiel Gittarren- oder Keyboardspieler dazu, die dem Beat nochmal eine ganz andere Note verpassen können.
 
Ist es richtig, dass Scott Storch, André 3000, Organized Noize, DJ Toomp, Lil Jon, Boi-1da und die Neptunes dein Album produziert haben? Mit welchen Produzenten hast du am engsten zusammengearbeitet?
Alle die du genannt hast außer DJ Toomp und die Neptunes sind mit dabei.  Außerdem Salaam Remi , meine Jungs von Boom Boom Room Productions , J. Beatz und Royal Flush . Am engsten war die Zusammenarbeit mit Organized Noize , J. Beatz und Royal Flush .

Bei OutKast repräsentierst du eher den Hiphop Part, während
André 3000 den extravaganten Touch bringt . Wolltest du dein Soloalbum für Rap Fans oder den Pop Hörer konzipieren?
Es ist nicht nur etwas für wahre Hiphop Heads geworden, ich bewege mich auch solo nicht nur in einem Genre. Obwohl ich den ein oder anderen Beat kille, was wahrscheinlioch vor allem Rap Fans gefällt, ist es ein Album für alle Leute, die Musik lieben, geworden.

Einige Menschen behaupten, dass du als Rapper unterschätzt wirst und bei OutKast im Schatten von Andre 3000 stehst. Bedauerst du manchmal, dass du nicht vorher damit angefangen hast Soloalben aufzunehmen?
Nein, denn alles passiert dann, wenn es an der Zeit dafür ist und für mich war es jetzt an der Zeit. Manche Leute reden einfach viel wenn der Tag lang ist. Ich muss niemandem etwas beweisen, ich bin mein eigener Mann. Ich stand niemals in Andre s Schatten. Vor zwei Jahren hast du schon an deinem aktuellen Album gearbeitet. Zudem waren ein neues Andre 3000 Album und ein neues OutKast Album im Gespräch . Wie ist der aktuelle Stand?
Andre 3000 arbeitet nach wie vor an seinem neuem Album. Das neue OutKast Album ist noch ein Top Secret Projekt, über das ich dir noch keine Details verraten darf.

Seit 2006 wurde kein neues Material von OutKast releast. Deshalb wurde immer wieder spekuliert, ob ihr beide verstritten seid oder keine Lust mehr habt, neue Songs aufzunehmen.
Wir sind die ganze Zeit über im Studio und nehmen auf. Wir gehören nicht zu den Leuten, die ein Album innerhalb von sechs Monaten zusammenstellen. Das braucht alles seine Zeit und man sollte diesen kreativen Prozess nicht unterbrechen. Selbst wenn nichts neues erscheint bin ich ständig im Studio. Wenn ich nicht für mich selbst arbeite, dann produziere ich für andere Rapper. Wir machen am laufenden Band Musik. 
Momentan wird eine Menge experimentiert, die erfolgreichsten Rap Newcomer sind nicht weniger experimentierfreudig als ihr es immer ward. Klingt nach dem perfekten Zeitpunkt für ein neues OutKast Album. Oder ist es einfacher besondere Musik zu machen, wenn  alle anderen das gleiche machen?
So oder so machen wir nie was andere tun. Egal welche Veränderungen gerade im Gange sind, das wichtigste ist immer mit Herz und Seele Musik zu machen, denn die Leute werden das hören. Auf meinem Album ist das der Fall, man kann es fühlen. Sie sollen ihr Ding machen und wir machen unseres. Jetzt steht erstmal mein neues Album an und danach das Soloalbum von Andre 3000 . Wir werden das Spiel wieder aufmischen.
Du arbeitest zurzeit schon an deinem zweiten Soloalbum. Angefangen bei OutKast, über dein Solo-Debüt bishin zu deinem neusten Material: Wie würdest du deine musikalische Entwicklung beschreiben?
Meine Musik gewinnt immer mehr an Intensität. Die Lyrics werden explosiver. Wir experimentieren sehr viel herum mit dem Ziel, dass gute Musik dabei herauskommt. Experimentieren ist die Formel. Manche argumentieren, dass Hiphop immer poppiger wird, weil Genres wie Electro, Indie Rock oder RnB eingemischt werden. Löst sich Rap so im Mainstream auf?
Wenn du Musik machst die die Leute wollen, werden sie sich die Musik besorgen. So einfach ist das. Du musst Herz und Seel reinstecken, damit die Leute deine Musik fühlen können. Wenn du Rap so machst, löst er sich auch nicht auf. Chico Dusty, beziehungsweise Dusty Chico war der Spitzname deines Vaters. Hast du den Albumtitel nur gewählt, weil du gerne eure beiden Spitznamen einbauen wolltest oder dreht sich das Album auch um deinen Vater?
Mein Vater ist gestorben, bevor ich angefangen habe an dem Album zu arbeiten. Ich wollte ihn mit dem Albumtitel ehren. Er hat fürs Militär gearbeitet und war ein tapferer Kerl, ein großartiger Mann. 

Was denkst du darüber, wenn sich heute Leute dazu entschließen Soldat zu werden? Eine gute Entscheidung?
Es kommt darauf an. Wenn du etwas hast wofür es sich wirklich zu kämpfen lohnt, dann ja. Aber für nichts zu kämpfenist keine gute Idee.
Die Frage ist ob ein Soldat wirklich weiß wofür er kämpft, die Entscheidungen werden ja von anderen Menschen getroffen. Man selbst führt als Soldat nur die Befehle aus. Es kann auch sein, dass du die ganze Zeit denkst, dass du für den Frieden kämpfst und zehn Jahre später erfährst du, dass du für Öl getötet hast.
Ja, absolut.
Dein Album sollte auch einige sozialkritische Songs beinhalten.
Das war zwar oft das Thema in Interviews, diese Dinge kommen auf dem Album aber eher zwischen den Zeilen zum Vorschein. "Sozialkritische Songs" würde ich das nicht nennen. Ich behandele diese Themen aber schon, da sie ein Teil meines Lebens sind. Du musst dir Lyrics in Ruhe anhören und auf dich wirken lassen, dann kommt die Message rüber. Welche Message möchtest du denn rüberbringen?
Ich möchte die Leute dazu ermutigen rauszugehen und sich selber ein Bild von den Dingen zu machen. Sie sollen nicht alles glauben was sie in den Medien hören und sehen. Sie sollen ihren eigenen Weg gehen, die Dinge hinterfragen, sich ihre eigene Meinung bilden und sich nicht programmieren oder beeinflussen lassen. In Zusammenarbeit mit Mary J. Blige hast du im Sommer 2008 den Song Something's Got To Give aufgenommen, um Obama im Wahlkampf zu helfen. Inzwischen ist er seit anderthalb Jahren Präsident. Hast du die richtige Person unterstützt?
Mir ging es damals vor allem darum, dass die Leute dafür sorgen, dass ihre Stimme gehört wird. Mir ist es wichtig, dass die Leute wahrnehmen, was in der Welt abgeht. Es geht dabei nicht in erster Linie um Obama, sondern darum, dass die Leute sich einbringen. Darum geht es letztendlich in einer Demokratie. Um dein neues Album zu promoten hast du Videomaterial in deiner alten Nachbarschaft gedreht. Was hat sich dort seit deiner Jugend verändert?
Im Großen und Ganzen ist es gleich geblieben. Die Leute versuchen in ihrem Leben vorwärts zu kommen. Es war sehr schön dort zu sein und mit soviel Liebe empfangen zu werden. Ich war erst vor zwei Wochen wieder vor Ort, um für meine Hilfsorganisation, die Big Kidz Foundation , Geld zu sammeln, die sich zum Ziel gesetzt hat, die Jugendlichen in ihrer Entwicklung zu fördern und zu unterstützen.

Da es offensichtlich genügend Gründe gibt, sich für Weiterentwicklung einzusetzen, ist es ja traurig wenn du sagst, dass sich vor Ort nichts verändert hat.
Ja, das stimmt. Da gibt es eine Menge Luft nach oben. Du hast auf dem neuen Album mit der 69-jährigen Funk Legende George Clinton zusammengearbeitet. Kannst du dir vorstellen selbst in diesem Alter noch Musik zu machen?
Ja, natürlich. Solange die Leute es hören wollen werde ich Musik machen. 
Und wenn die Leute deine Musik nicht mehr hören wollen würden?
Ich würde vermutlich Filme und Soundtracks machen. Pferde züchten. Mir eine Farm holen. Die Füße hochlegen.
Euer Film Idlewild, der 2006 erschien, erhielt nicht so gute Kritiken, wie eure musikalischen Veröffentlichungen. Wie denkst du heute über den Film und die Kritik?
Es ist ein großartiger Film und auch ein toller Soundtrack. Die Leute die ihn gesehen haben, haben ihn geliebt. Der kommerzielle Erfog war vielleicht nicht so wie wir erhofft hatten, aber der Film hat sein Ziel erreicht. Er hat uns in einem neuen Licht gezeigt. Damit sind wir jetzt auch für Filme und Soundtracks bekannt. Ich were auch in Zukunft Filme produzieren.
Filme sind nur eins der vielen Felder die sich Rapper als Nebenjob zulegen. Gibt es weitere kreative Felder die dich reitzen?
Neue, kreative Sounds reitzen mich. Neue Musik. Das ist immer das wichtigste, darauf baut bei mir doch auch alles auf.

Und auch nach zehn Jahren reitzt dich das noch mehr als T-Shirts zu designen und Limonade zu verkaufen.
Hell yeah. Das ist es. Musik.

Wie stark bist du zurzeit bei deinem Label Purple Ribbon Records involviert?
Sehr stark! Ich habe eine neue Gruppe namens Vonnegutt  und wir arbeiten im Moment an ihrem kommendem Album, das zur Hälfte fertig ist. Auch von Cutty Cartel , der auf Shutterbugg gefeatured ist, wird es ein Album geben. Dann haben wir ja noch Janelle Monae , die grade ein Album The ArchAndroid (Suites II and III)  veröffentlicht hat ( Big Boi ist auf der ersten Single Tightrope zu hören. Das Album erschien auf Bad Boy , Diddy und Big Boi waren als Executive Producer tätig, Anm.d.Verf.). Das macht alles verdammt viel Spaß. Du siehst, es geht mir immer vor allem um Musik.
Du bringst dich also vor allem in den kreativen Prozess ein.
Ja, ich bin der Mann hinterm Mischpult. Ich wähle Songs aus, produziere selbst oder schreibe Songs. Ich bereite die Artists vor und teile mein Wissen. Was sind denn geschäftlich die guten und schlechten Seiten des Geschäfts zurzeit?
Das Gute ist dass es eine menge gutem neue Artists gibt. Die schlchte Seite ist, dass es genau so viele schlechte Artists gibt. Die Leute müssen lernen, dass es besser ist einzigartig und originell zu sein als zu kopieren. Mach deine eigene Musik.

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