Alle Mann - Azad, J-Luv & DJ Teddy-O im Interview
Alle Mann von Azad , Julian Williams aka J-Luv und Teddy-O ist auf Hiphop.de zum EM-Song 2012 gewählt worden . Wir haben mit ihnen über den Song, die Europameisterschaft und das zweite Thema von Alle Mann , Integration, gesprochen. Am Rande geht es auch um den EM-Song von Kay One und Shindy sowie den Integrationspreis für Bushido . Wer trägt den Pokal nach Hause?
Azad : Deutschland! Ich stehe hinter Deutschland, wie ich es immer bei so großen Turnieren mache. Spanien ist ein sehr gefährlicher Gegner, aber die hauen wir weg! Wie kam es zu eurem gemeinsamen Song Alle Mann ?
Teddy-O: Anhand des Trailers von einem Sportartikelhersteller mit Allen Iverson , Jadakiss und Trackmasters . Ich kam auf die Idee, dass man im Rahmen der EM auch so etwas machen könnte. Die Hälfte der Spieler der deutschen Nationalmannschaft ist nicht deutschstämmig und wir drei haben auch einen Migrationshintergrund. Dadurch haben wir die Möglichkeit gesehen, das deutsche Nationalteam zu supporten und gleichzeitig das Thema Integration anzusprechen.
J-Luv: Azad und Ich kennen uns schon seit 12 Jahren und Teddy kenne ich seit 1997. Für mich war es cool: Teddy macht mit und bei Azad ist sowieso klar, dass ich wie ein Soldat hinter ihm stehe. Der Titel Alle Mann ist mit seiner Doppeldeutigkeit schön gewählt.
Azad : Genau diese Doppeldeutigkeit gefiel mir. Einmal steht  Alle Mann eben für Deutschland, wegen Alemannia und dann noch für "lasst uns alle Mann gemeinsam nach vorne gehen".
Was gibt es zum Remix zu sagen?
Azad : Dabei sind Amar , Ercandize , Hanybal , Harris , Julian Williams , Jeyz , KC Rebell, Kitty Kat, MoTrip, PA Sports, Silla, Solo und Tone. Sorry an die Künstler, die wir noch auf der Liste hatten, bei denen es zeitlich aber nicht geklappt hat. Zum Beispiel Jonesmann und Manuellsen . Wir hätten gerne noch weitere Künstler dabei gehabt. Dean hat den Beat abgeliefert. Jedesmal wenn der Beat auf der Premierenfeier lief, dachte ich, ich höre einen wahnsinnigen Dr. Dre -Beat und dann fiel mir auf, dass es ja unser Beat ist.
Wie gefällt euch der EM-Song von Kay One und Shindy?
Azad: Unsere Nummer hat Tiefgang und er hat einen Partysong zum Abgehen gemacht. Die Songs haben beide ihre Berechtigung. Mein Ding ist es nicht, was man sich auch denken kann, anhand der Musik die ich selber mache. Aber der Song ist gut gemacht und wird seinen Zweck erfüllen. Es ist perfekt, dass es zwei Nummern gibt. Eine für die Party und eine für die Ruhe vor dem Sturm und die Motivation der Mannschaft. Alle Mann ist außerdem nicht nur ein EM-Song, sondern beschäftigt sich auch stark mit dem Thema Integration. J-Luv: Ich hab auf Facebook mitbekommen, dass es hieß man sollte den offiziellen EM-Song von Kay One supporten und nicht das Liebeslied von Azad . Ich glaube, das ist auch ein Funkspruch an Kay One : Wir können alle unser Ding machen, hier gibt es keinen Beef.
Teddy-O: Die zwei Songs zu vergleichen ist echt schwierig, weil sie so unterschiedlich sind. Außerdem sollte es sowieso niemandem verboten sein, ins Studio zu gehen und einem EM-Song zu machen.
Azad: Obwohl es manchen doch verboten werden sollte! (lacht)
J-Luv: Gestern kamen Leute nach einem Auftritt zu mir und erzählten, dass man erst nach dem zweiten oder dritten Mal versteht worum es in unserem Lied überhaupt geht.
Azad : Was? Das sind ja Spätzünder.
J-Luv: Die Leute sind eben Mainstream gewohnt und manche sagen sogar, der Song wäre ihnen zu ehrlich und zu ernst.
Azad: Bisher waren ja alle EM- und WM-Songs eher in die Partyrichtung und ich denke, es ist auch mal cool in diesem Rahmen eine Nummer zu machen, die ein bisschen mehr Hintergrund hat und über die man nachdenken kann.


Was könnt ihr zu dem Flashmobb im Olympiastadion erzählen?
J-Luv
: Der war vom Label, ISS Musik, angesetzt, aber Berlin ist ein schwieriges Pflaster. Es war super geil, aber nicht wirklich ein Flashmobb.
Azad:
Leider hatten wir schlechtes Wetter und es hätten ein paar mehr Leute da sein können, aber wir waren ja kreativ und haben daraus noch etwas Cooles gemacht, nämlich eine V-Aufstellung. Man sieht J-Luv mit zwei bengalischen Feuern in den Händen. Wir hatten ja die Ehre, die ersten Künstler zu sein, die im Stadion drehen- und den Fuß auf das Spielfeld setzen durften.
Seid ihr denn Fußballfans oder habt vielleicht auch mal selbst gespielt?

Azad: Haha, da kennt man vielleicht Juliens Antwort aus einem früheren Interview: "Das ist eine lange Geschichte aber: Nein!"
J-Luv : Ich habe ein Fußballtrauma. Ich wollte immer Fußballspieler sein, war in der Schule aber eher ein Nerd. Ich gehörte nicht zu den Coolen, war dick und einer von ganz wenigen Pigmentierten. Ich hätte sehr gerne gespielt, aber dann kamen die Jungs, mit denen ich gerne cool gewesen wäre und sagten "Hey, du bist ein super Torwart stell mich mal rein!" Sie haben mir den Ball mit Hundertzwanzig Sachen in mein Gesicht geschossen. Danach hatte ich keinen Bock mehr und habe mich mehr Football, Baseball und Basketball gewidmet. Fußball ist ein toller Sport und man muss ein krasser Athlet sein. Ich finde auch, dass Fußball zu Deutschland gehört und in gewisser Art und Weise auch politisch ist. Nicht nur positiv, man kann jetzt ja auch bei der EM mitverfolgen, dass da viele Sachen nicht so toll laufen. Sport ist super, aber dass jetzt Hunde abgeschlachtet wurden, ist eine Höllentat. Der Zustand in der Ukraine was Fremdenhass betrifft ist ganz anders, als die Offenheit in Deutschland.
Wie seht ihr das Thema Integration in Deutschland?
J-Luv
: Ich habe gestern bei einer Taxifahrt mit einer Bekannten aus Innsbruck, die seit 20 Jahren in Deutschland lebt, darüber gesprochen. Sie meinte, das sei ein scheiß Thema. Der Taxifahrer und ich waren anderer Meinung. Der Hausmeister aus dem Video zu Alle Mann kommt aus Neukölln, mit dem habe ich auch gesprochen. In solchen Brennpunkten bekommt man wieder andere Dinge mit. Integration ist ein schwieriges Thema, aber man sollte sich mehr damit befassen, Andersstämmige in die Gesellschaft einzubinden.
Was würdet ihr in Bezug auf Integration in Deutschland verändern?
Man sollte den Jugendlichen vermitteln, dass sie keine Scheiße bauen müssen . Die Jugend hat nichts zu tun, man lässt sie in ihren Plattenbauten versauern. Man sollte in Jugendclubs an Integration arbeiten. Ich weiß, dass man in den USA in der Schule Sport dazu nutzt. Man könnte Schulteams aus Frankfurt und Offenbach oder Neukölln und Kreuzberg gegeneinander spielen lassen. Man könnte allgemein Fußball stärker an die Schulen bringen, denn Fußball ist ein großes Ding in Deutschland. Jugendliche schauen sich Leute an, die es da rausgeschafft haben. Idole wie Azad . Er polarisiert im Hiphop und das ist für sie ein Sprachrohr. Da erzählt jemand etwas, der sieht cool aus, hat was zu sagen, ist seit Jahren dabei und hat die Musikgeschichte in Deutschland mitgeformt. Azad s Rolle hat viel mit Politik zu tun. Rap ist ein Weg nach draußen. Bushido hat den Bambi für Integration bekommen und alle haben gefragt warum. Er hat diesen Preis bekommen, weil Leute wie er und Azad eben polarisieren. Rap kann aber nicht der einzige Ausweg sein.
Azad:
Nein, bring mich bitte nicht mit Bushido in Verbindung. Ich finde es scheiße, dass er diesen Preis bekommen hat!
J-Luv:
Sorry, da gehen die Meinungen auseinander. Ich hätte auch Azad sagen können. Ich finde er sollte den Preis nächstes Jahr bekommen!
Azad:
(lacht) Hör doch auf jetzt!
J-Luv:
Es heißt ja immer, die Leute aus den Brennpunkten wollen alle nur Rapper werden und darüber rappen, wie viele Drogen sie verkaufen und wie viel Geld sie haben. Hiphop wie ich es kenne ist ein Sprachrohr und darauf hört die Jugend.
Azad
: Man kann viel über Sozialarbeit machen. Brennpunkte sind in Groß- und Kleinstädten keine Seltenheit mehr. Wenn es Angebote geben würde, die es für Jugendliche möglich machen ihre Zeit positiv zu investieren, könnten sie aus ihrem Sumpf herauskommen. Sie könnten so mit anderen Jugendlichen interagieren und müssten nicht in ihrem Mikrokosmos bleiben. Hier sind die Aso-Kanaken, da sind die etwas helleren Kanaken, dort sind die Studenten. Durch verschiedene Projekte könnten diese Gruppen etwas zusammen machen und sich einander annähern.
Teddy-O
: Es ist wichtig, dass diese Kids einfach eine Aufgabe haben. Das sind keine bösen oder schlechten Kids. Ganz im Gegenteil! Sie haben einfach nur zu viel Zeit. Die Lebensaufgabe fehlt. Das Problem liegt darin, dass sie einfach genug Zeit haben, um Scheiße zu bauen. Wie J-Luv auch schon gesagt hat, sind Sport- und Musikevents super. Das sind Sachen, bei denen Kids sich einen gesunden Wettkampf liefern können. Sie müssen den Körper und den Kopf anstrengen und können damit die negativen Vibes aus dem Alltag positiv umsetzen. Das hat mehr Einfluss auf die Jugend, als irgendwelche Politiker, die auf dem Podest stehen und Reden halten. Das ist auch gut, aber ich glaube, dass Kids von der Straße eher jemandem wie J-Luv oder Azad zuhören. Sportler und Musiker sind ein riesen Vorbild. Daran kann man sich gut orientieren und es weiter ausbauen.
J-Luv: Auf Hiphop bezogen ist Azad eben jemand, der polarisiert und Dinge so sagt, wie sie sind, ohne sie zu beschönigen. Er ist nichts anderes als ein Politiker der sagt, dass wir nichts zu essen haben, nicht inspiriert- und nicht angesehen werden. Azad ist wie ein Jay-Z , der eben für die Afroamerikaner spricht. In den USA sehen sich die Afroamerikaner und Latinos als Einheiten, bei uns in Deutschland sind es eben die Leute aus dem Nahen Osten.
Azad: Kanaken.
J-Luv:
Ich sage das Wort nicht, ich hasse es, aber ich gehöre zu den 3 Prozent, die kaum zum Thema werden und finde es sehr schade, dass man Azad oft als böse darstellt. Wenn man ihn im Interview oder als Person mitbekommt, merkt man, dass er echt ist und auf dem Boden geblieben. Vielleicht wird das Integrationsproblem nie zu 100 Prozent gelöst sein, aber man sollte nicht sagen alles wäre Scheiße und die Ausländer seien schlecht. Das funktioniert nicht. Wir sind hier und es wird noch mehr Pigmentierung geben. Es ist wie bei Public Enemy in Fear of a Black Planet . Hiphop ist schon das größte Sprachrohr. Man kann sich nicht davor verstecken und man muss sich dem stellen, sonst wird man überrannt. Danke für das Interview. Habt ihr zum Abschluss noch etwas zu sagen?
Azad: Wir werden Europa- und Universumsmeister und die Spanier brauchen eigentlich gar nicht antreten! Schönen Gruß an Spanien!

Zu den Rap-EM-Songs 2012!

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