Haftbefehls Schussverletzung: Reaktionen im Überblick

Haftbefehl soll sich selbst ins Bein geschossen haben. Im Rausch und "aus Versehen". Dass einer der prägendsten Rapper der vergangenen Dekade in so einen Vorfall verwickelt zu sein scheint, sorgt zwangsläufig für ein Echo, das weit über die Grenzen von Rap-Berichterstattung hinausreicht.

Haftbefehl offenbar schwer verletzt: Die Szene orientiert sich am Informationsstand

In der Deutschrap-Blase verarbeitet man die Geschehnisse mit einer gewissen Distanz. Hier und da wird in den Überschriften ein Adjektiv wie "blutig" hinzugefügt oder mal deinupdate-like ein Ausrufezeichen beigemengt. Auf Portalen wie 16bars oder rap.de geht es nur darum, erst einmal abzubilden, was sich da ereignet haben könnte. Mehr gibt die Informationslage auch einfach nicht her.

Im YouTube-Universum handhabt es bei Memo Rapcheck schon deutlich wilder. "Wurde er angeschossen oder selbst abgedrückt?", lautet dort die Formulierung. Die mindestens irritierende Frage lädt zum Fantasieren und zum Klicken ein. Kollege Mr. Rap greift nicht auf solche Methoden zurück und erkennt stattdessen "viele offene Fragen". Gänzlich anders stellt sich die Lage in einem Paralleluniversum dar.

Twitter amüsiert sich über Haftbefehl

Twitter ist eine eigene Welt – irgendwo zwischen der maximalen Wokeness und grenzenloser Trostlosigkeit. Hier klopfen sich viele Userinnen und User nach den Berichten um Haftbefehls Klinikaufenthalt belustigt auf die Schenkel. Er könne seinen Namen ja jetzt in "Notaufnahme" ändern – hö-hö-hö. "Dumm wie Brot" sei dieser "Trottel". Für einen "guten Lacher in der Rapmusik" sorge der "Skandalrapper" Haftbefehl. Wortbeiträge, die voller Häme triefen, stapeln sich auf der Plattform.

Allerlei Menschen, die Haftbefehl wohl allerhöchstens einmal für den kleinen ironischen Tabubruch in die Hausparty-Playlist schaufeln würden, sehen sich in ihrem Denken über Gangstarap vollends bestätigt. Aykut Anhan, der über "Depressionen im Ghetto" rappt und schon "mehr Weißes gesehen" hat "als ein Eskimo" scheint etwas widerfahren zu sein, was er in seiner Musik ständig thematisiert. Hämisch macht sich der Mob über diese Verkettung lustig.

Auch wenn Haftbefehl sich privat als Familienvater mit Grillleidenschaft geben mag, ist er mit der Welt verwoben, über die er da seit gut einem Jahrzehnt erzählt.

Ein Beitrag auf neue-bodenständigkeit.de fasst sehr gut zusammen, wie entlarvend das reflexartige Verhalten auf Twitter für unser gesellschaftliches Zusammenleben ist. Haftbefehl ist so lange cool, wie er mit seiner Musik einen kleinen Abenteuerurlaub ermöglicht. Sobald es sich aber um den Menschen hinter der Figur dreht, bleibt man doch lieber unter sich.

"Seinen Song mitbrüllen – gern, hier mitleben – nein, Danke!"

In der vermeintlichen Bestätigung von Vor- und Werturteilen lässt es sich bequem suhlen. Wer an dieser Stelle letztendlich die Dummen sind, könnte kaum sichtbarer sein. So schreibt ein Twitter-User:

"Leute bezeichnen hafti abi unter #Haftbefehl als dumm aber stehen jeden morgen um 6 uhr auf um mit ihrem skoda octavia zur arbeit zu fahren."

Wie eminent wichtig Haftbefehls Aufstieg für Migranten und Migrantinnen war und ist, hat Miriam Davoudvandi vor Kurzem für den Spiegel aufgeschrieben.

Haftbefehl als Vorbild für Migranten: Weil er unsere Sprache spricht - DER SPIEGEL - Kultur

Auf den Rapper Haftbefehl können sich Straße, Bürgertum und Feuilleton gleichermaßen einigen. Warum der Aufstieg des Frankfurters für junge Migrantinnen so wichtig ist - trotz seiner sexistischen Sprache. Es ist Sommer 2010, ich bin gerade 18 geworden und sollte mich eigentlich auf mein Abitur vorbereiten.

Haftbefehls Unglück als Vorlage für Vorurteile

Für den Postillon ist Haftbefehl offenbar ebenfalls einfach nur ein Idiot. Die Satire-Seite scheint sich regelrecht daran zu ergötzen, endlich wieder aus dem Sprachbaukasten der Rapklischees schöpfen zu können. Doppelter Boden? Feinsinniger Humor? Nein, dieses Mal nicht. Beleidigungen, Standardphrasen und ein Verzicht auf gebräuchliche Artikel sollen den Slang von Haftbefehl abbilden. "Ich schwöre", hi-hi-hi. Die extrem plumpe Pointe läuft offenkundig darauf hinaus, dass Haftbefehl so dämlich ist, dass er an sich selbst Rache übt. Für die Realness und so.

Auch die FAZ hat sich einen kurzen Kommentar abgerungen und meint: "Haftbefehl sollte von Bismarck lernen". Der Autor versucht sich dabei als Wortjongleur. Und packt tatsächlich solche Sätze aus:

"Und falls Haftbefehl milieugerecht mit einer Glock hantiert haben sollte, darf er von Glück sprechen, dass er sich mit selbiger nicht die Glocke weggeballert hat."

Auch hier scheint der Schreibende Haftbefehl und sein Leben schlichtweg nicht ernst nehmen zu können. Stattdessen wird von "bösen Rappern" und "einer heimtückischen Kugel" schwadroniert. Diese Haltung ist es, die bei all dem Trubel zusätzlich betroffen macht. Die Gesundheit verkommt dabei überwiegend zur Randnotiz. Gute Genesung, Baba Haft!

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