"Deutschrap" feiert Jubiläum: Warum der Begriff problematisch ist (Kommentar)

Der Begriff "Deutschrap" feiert dieser Tage mehr oder weniger Jubiläum. Zumindest wurde er vor fast genau 19 Jahren (nicht 20, wie rap.de aufgefallen ist) zum ersten Mal einer breiten Öffentlichkeit präsentiert – auf dem damaligen JUICE-Cover. Der JUICE-Mitgründer und ehemalige Chefredakteur Sven "Katmando" Christ schwelgt in Erinnerungen und gibt seine diesbezüglichen Gedanken auf Facebook zum Besten.

Der Begriff "Deutschrap" sollte demnach die Bezeichnung "Deutscher Rap" ablösen – denn "wenn man diesen Begriff ausspricht, rollt einem gleich Hitlers Reichsparteitags ÖERRRRRR hinterher, es klingt einfach grauenhaft [sic]" – und gleichzeitig ein Statement sein:

"Ein Statement darüber daß wir, die Szene, die Bedeutungshoheit über unsere Kultur, unsere Begriffe und unsere Texte wieder erlangen würden. [sic]"

Sven Katmando Christ

Schön, wenn es einen Tag gibt, von dem man weiß, das etwas neues entstand. Heute vor 20 Jahren fiel mir ein Wort ein, welches ich in Zukunft benützen wollte: Deutschrap. Die Musik dazu gab es schon...

Die Operation darf wohl als gelungen bezeichnet werden: Heute – 19 Jahre später – sagen beinahe alle "Deutschrap". Aber ich finde auch diesen Begriff immer noch äußerst ungünstig. Für mich macht es nämlich schlicht keinen Unterschied, ob es "Deutscher Rap" oder "Deutschrap" heißt. Beide Begriffe gehen meiner Meinung nach deutlich an dem vorbei, was sie eigentlich bezeichnen wollen und sollen. Zumindest dann, wenn es hier um die Zuordnung nach Sprache geht und nicht nach Staatsangehörigkeit – was ich hoffe.

Aber genau so klingt und liest sich nun mal leider auch der Begriff "Deutschrap". Wäre damit irrsinnigerweise tatsächlich die jeweilige Nationalität gemeint, wäre es noch größerer Humbug, Rapper wie Nazar, RAF Camora, Why SL Know Plug, Texta und noch viele, viele mehr als "Deutsche Rapper" oder "Deutschrapper" zu bezeichnen. Mir geht es jedenfalls nicht um die Nationalität der Rapper und Rapperinnen, sondern um die Sprache.

"The only good nation is imagination!"

Die Begriffe "Deutscher Rap" und "Deutschrap" klingen für mich beide gleich nationalistisch, was im Hiphop meiner Meinung nach einfach komplett fehl am Platz ist. Was für eine Rolle spielt es denn bitteschön, welcher Nation ein Rapper zugeordnet wird, beziehungsweise welche Nationalität er "besitzt"? Sollte das nicht völlig egal sein? Ich möchte mich jedenfalls von derartigem Schubladen-Denken generell entfernen und Grenzen abbauen. Auch in der Musik und erst recht in den Köpfen.

Darum versuche ich eigentlich immer, "Deutschsprachiger Rap" (oder von mir aus auch "Rap auf Deutsch") zu schreiben. Auch wenn das sehr viel sperriger klingt und sowohl deutlich nerviger zu lesen als auch zu schreiben ist. Der Versuch ist es wert. Und: Ja, ich muss jedes Mal genau an all das denken, wenn ich hier bei der Artikel-Zuordnung widerwillig auf "Deutschrap" klicke.

Um es mit Kurt Hustle, dem Retrogott zu sagen, der mir in diesem The Message-Interview aus der Seele spricht:

"Das, was mich an deutschem HipHop stört, ist eben der Nationalismus, der in diesem Begriff mitschwingt, noch mehr im Begriff 'Deutschrap'.  Zusätzlich muss ich noch auf ein Phänomen  in der deutschen HipHop-Szene hinweisen, welches ich 'Germanozentrismus' nenne. Wenn Leute anfangen, Partys zu machen, auf denen nur und ausschließlich deutscher HipHop läuft, finde ich das schon bedenklich."

"Ich beobachte auch bei vielen deutschen Rappern eine Respektlosigkeit gegenüber dem kulturellen Erbe, das sie da antreten, dem soziokulturellen Hintergrund, vor dem sie sich da bewegen. Es ist nicht selbstverständlich, dass wir als Mitteleuropäer oder überhaupt als weiße Kids an dieser Sache so partizipieren können, wie wir es tun."

"Das repräsentiert nicht die ganze Szene, aber immer wenn ich auf weiße Rapper treffe, die das N-Wort benutzen, bricht für mich eine kleine Welt zusammen. Ich finde das nicht gut. Und dafür stehe ich auf und lege mich gerne mit den Hütern des germanischen HipHoptums an. Mit all den Kings und Königen und Kanzlern und Kaisern, die es da gibt."

Word.

"Die Unentschiedenheit der Sprache ist ein großer Schatz" // Retrogott Interview - The Message

Ende März lud Fear le Funk zu einem HipHop-Abend der Extraklasse: Dead Prez, Motion Man sowie Retrogott & Hulk Hodn waren die hochkarätigen Headliner ( hier geht's zum Konzertbericht). Letztere stellten ihr neues Release "Sezession!" vor und da wir mit Hulk Hodn und eloQuent erst kurz zuvor über den Weltuntergang sinnierten, baten wir den Retrogott allein zum Interview.

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