Kampf um Anerkennung: Rappende YouTuber in der Image-Falle

Es waren aufreibende zwei Wochen. Ein junger Mann kann endlich die Untersuchungshaft verlassen. Er wollte seine Entertainerqualitäten unter Beweis stellen und hat sich für einen Prank mit viel Zündstoff entschieden. Den fanden dann nur die Wenigsten wirklich lustig (wer sucht, der wird den missratenen Gag aufspüren können). Die Strafe folgte auf dem Fuße. Das Gesetz schlug mit aller Härte zu. So ungefähr erzählt einer der größten YouTuber Deutschlands in einem langen Monolog seine persönliche Knastgeschichte. Was zunächst so gar nicht nach Hiphop klingt, führt zu einer Sache, die hundertprozentig mit Hiphop zu tun hat. Mit dieser Story im Rücken bemüht sich ApoRed nämlich um seine musikalische Kredibilität.

Was im Gefängnis geschah.. | ApoRed

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Imagepflege

In seiner Erzählung häufen sich Elemente, die wohl ohne weiteres in Xatars Lebenslauf passen würden. Andere Gefängnisinsassen erkundigten sich demnach direkt nach neuen Songs. Er habe zudem bewusst auf einen Fernseher verzichtet und nach "Schreibpapier verlangt", um an Lyrics zu arbeiten. Warum erzählt ein YouTuber, der sich gerne in Yeezys zeigt und vor allem für Mode- und Lifestyle-Content steht, von Texten, die er mit einem Stift(!) aufs Papier(!!) bringt? Dieses Verhalten ergibt dann mehr Sinn, wenn man sich vor Augen führt, dass ApoRed auch rappt. Seine Videos wie "Everday Saturday" oder "Babawagen" haben Millionen Aufrufe, seine Musik ist aufwendig produziert – und doch scheint das dem Hamburger allein nicht zu reichen.

ApoRed - Babawagen (Official Video)

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Um für voll genommen zu werden, braucht es offenbar mehr als Luxuskarren, Doppelreime und Reichweite. Der Influencer mit dem Traum vom Rapstar bedient sich an typischen Lebensläufen der alten Gangstarap-Schule, um den Eindruck zu verstärken, dass die Musik für ihn mehr als ein netter Zeitvertreib ist. Für den glaubwürdigen Rap nutzt der Kanye West-Fan die beliebte Erzählung um eine schwere Jugend im Problembezirk und der Auseinandersetzung mit dem Gesetz. Mit den Mitteln der Kunst kann er es vermeintlich da raus schaffen. Aber woraus eigentlich? Die Rapkarriere beginnt hier nicht nach dem Started-From-The-Bottom-Prinzip, sondern auf dem Level einer mittelgroßen Berühmtheit. Der Mann ist bereits ein Teenie-Idol und seine Vorgehensweise kein Einzelfall. ApoReds filmisch inszenierter Real-Rap-Talk ist nur das deutlichste Symptom einer Bewegung, die YouTube zu erfassen scheint.

Clash der Kulturen

Das YouTube-Universum ist eine eigene Welt mit eigenen Regeln. Es gibt dort Stars, die mehr Zuschauer an sich binden als ganze Fernsehsender. Trotzdem hat sie niemand so richtig auf dem Schirm, der nur sporadisch im Internet unterwegs ist. Sie spielen Touren, kommen auf Massen-Events wie den Videodays zusammen und liefern vor allem eins: Video-Content.
Kurz gesagt: YouTube ist eine in sich geschlossene Subkultur und führt dazu, dass lineares Fernsehen immer mehr an Gewicht verliert. Der Tagesspiegel stellte bereits 2015 die Frage, ob sich die Sehgewohnheiten zur Videoplattform verschieben. Knappe zwei Jahre später lässt sich zumindest sagen, dass YouTube keinesfalls an Stellenwert verloren hat.


Eigene Sprache, eigene Codes, eigener Lifestyle – die YouTube-Sphäre scheint der Hiphop-Szene nicht unähnlich zu sein. Dennoch wirkt sie an vielen Stellen wie ein Paralleluniversum. So wie Rapper gelegentlich auch zum Verkaufstalent mutieren, wenn es um den Absatz ihrer Deluxe-Boxen geht, wildern YouTuber in Verhaltensweisen, die mit ihrem Influencer-Dasein recht wenig gemein haben. Damit sind explizit nicht die hergestellten Inhalte gemeint, sondern die Art und Weise der Präsentation. Wir reden immerhin von einer Plattform, die anlässlich des zehnjährigen Bestehens mit den "maßgebenden Genres Beauty- und Lifestyle, Comedy und Gaming" aufwartet. Diese Themen stehen weiterhin im Vordergrund. Was sich geändert hat, ist die Wahl der Mittel, mit denen die YouTuber ihren Content aufbereiten.

Rap- und Hiphopthemen sind omnipräsent. Ob Feuilleton oder Promiflash – die Berichterstattung ist allumfassend. Dass Rap so groß ist, wie noch nie, geht natürlich auch an den Netzwerkern nicht vorbei. In Zeiten, in denen ein USB-Mic und ein bisschen Software reichen, um selbst aktiv werden zu können, schielen die Creators vermehrt auf eigenen musikalischen Output. Nach der erfolgreichen Selbstvermarktung jagen die Teenie-Stars offenbar tiefersitzenden Träumen nach. Durch eine treue Fanbase und die geschaffene Präsenz sind vormalige Wünsche nun realisierbar. Dabei entgeht den Neu-MCs, dass dieser künstlerische Wandel Risiken birgt. Fast niemand, der aus YouTube heraus mit dem Rappen angefangen hat, wird inzwischen als gestandener Künstler wahrgenommen. Vielmehr wirken manche Gehversuche wie ein Maschendrahtzaun 4.0 – kurzweilige Unterhaltung mit einer Prise Eigenartigkeit. Wenige haben sich abgekoppelt und machen ihr Ding in ihrer Nische. Dat Adam sind musikalisch out of Space und haben die Verbindung zu "gewöhnlichen" YouTubern gekappt. Auch Mert konnte sich eine musikalische Lobby schaffen.

DAT ADAM - Hydra 3D (HYDRA 3D)

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Content durch und mit Rap

Neben ApoRed gibt es unzählige andere Internetphänomene, die sich als Rapper versuchen oder versuchten. Wie sie diesen Schritt hin zum vermeintlichen Musiker unterfüttern, ist bemerkenswert. Es geht so weit, dass persönliche Streitigkeiten über Disstracks ausgetragen werden. Wohlgemerkt: Sie tun das nicht als MCs innerhalb der Rapcommunity und nicht einmal in einem der vielen Online-Battleturniere, die gerne als Karrieresprungbett herhalten.


So existiert ein Disstrack des Lifestyle-YouTubers Miguel Pablo gegen einen anderen YouTuber mit dem Namen HeracAy. Die beiden hatten augenscheinlich ein paar Meinungsverschiedenheiten, die sie als Personen der Öffentlichkeit auch in jener austragen. Der Streit bietet die Möglichkeit, am Image als kredibiler MC zu arbeiten. Miguel Pablo wirft seinem Gegner vor, "fake" zu sein, was ein relativ klassischer Vorwurf aus dem Battlerap-Bereich ist. Ihm standen alle Möglichkeiten offen diese Punkte außermusikalisch anzusprechen, aber wählt den Weg des Hiphops. Diese Jungs sind nun ähnlich wie ApoRed auch nicht irgendwer, sondern erreichen ebenfalls Millionen Zuschauer. Sie sind mit Pranks, Challenge-Videos oder Berichten aus ihrem Leben an diese Reichweite gelangt und nutzen die selbstgebaute Startrampe für musikalische Gehversuche.

Miguel Pablo - Du bist fake (official Video) [4K]

Ein kleiner "Realtalk"... GRATIS DOWNLOAD!!: https://soundcloud.com/miguelpablo/heragay Danke für den Beat von Samplar Beats: https://www.youtube.com/channel/UCy1Jinh2guXSEEF6lQFUJlQ Produzent: https://www.youtube.com/channel/UCQcCVVS3dj52cTEDcfBWcvw FRESHE KLAMOTTEN / MP-SHOP: http://3dsupply.de/MiguelPablo Mein Lieblingsschuh: http://amzn.to/29n99jY Hier kostenlos meinen Kanal abonnieren: http://www.youtube.com/subscription_center?add_user=xMiguel18x Letztes Video "BADEN IN EIS !!": https://youtu.be/PjD4CjxDLlc Folgt mir auch hier, wenn ihr cool seid: INSTAGRAM http://instagram.com/_miguelpablo_/ Facebook Seite http://facebook.com/MiguelPabloTV Snapchat http://snapchat.com/add/miguel-pablo Twitter http://twitter.com/_MiguelPablo_ ask.fm http://ask.fm/Miguel_Pablo musical.ly Miguel_Pablo Hier streame ich öfter live https://www.younow.com/MiguelPablo Mein Equipment: Macbook: http://amzn.to/1NOicSY Meine Kamera: http://amzn.to/1NOfY61 Mein Stativ: http://amzn.to/1NOiDg5 Meine Beleuchtung: http://amzn.to/1NOhVzo Schneide-Programm: final cut pro x FRESHE KLAMOTTEN !!

Wichtig scheint bei all dem, über Rap sein Revier zu markieren. Die eigene Stärke wird auf die YouTube-Map gesetzt. Um zu erklären, dass er der Krasseste im Click-Game ist, wählt KsFreak nicht irgendeine Ansageform. Er performt und teilt gegen die anderen Mitspieler auf der Plattform aus. Bei der Umsetzung lehnt er sich stark an aktuelle Raptrends an. Die Moves, das Video, die Betonungen – die Inspirationsquellen könnten klarer kaum sein.

Kein Respekt mehr - KsFreak Youtuber Disstrack (official video) (deleted). (Disrespec. G4SHI Cover.)

Zu KsFreak: https://www.youtube.com/user/KsFreakWhatElse Disrespectful: https://youtu.be/SeSueTkNQJ4 -Der Track is nur Unterhaltung ist also kein hate an andere youtuber von ksfreak selbst.

Hiphop war immer schon geprägt vom Remix-Denken. Das Vorhandene in eigene Kunst zu verwandeln, ist sowas wie die tragende Säule der gesamten Kultur. Bei vielen der (zumeist) Kinderstars verfestigt sich aber der Eindruck, dass sie das nicht im Sinn haben. Über die Mittel des Raps soll vielmehr die Marke gestärkt werden. Dabei machen sie lediglich nach, was sie im Hiphop für authentisch halten.

Auch Phil Laude samt Vong-Sprache tut indirekt weitaus mehr, als Hiphop zu parodieren oder in Videos aufzuarbeiten. Er bedient sich einem Slang und den Ausdrucksmöglichkeiten, die durch Rap an die Oberfläche gespült wurden. "I bims",  "1 life" und so weiter entstammt den Twitter-Trends und Künstlern wie Money Boy, die es in ihrem Rap einer breiteren Masse zugänglich machen. Das Ex-Mitglied des Y-Titty-Kollektivs nutzt diese Sprache nur als Vehikel, um sich als zeitgemäß zu outen – und heutzutage ist fast alles zeitgemäß, was mit Rap in Verbindung steht. Das hat dann ähnlich viel Swagga wie Sparkassenwerbung, aber das ist eine andere Geschichte.

Wenn Abonnenten keine Fans sind

Eine Generation, die mit jeder Menge Rapstars und deren Musik aufgewachsen ist, möchte sich nun selbst als Rapstar ausprobieren – oder noch eher als Rapmusiker begriffen werden. Wie diese Idee scheitern beziehungsweise ein wenig schiefgehen kann, haben Juliensblog und ApeCrime gezeigt. Der streitbare Battleturnier-Veranstalter brachte vor Jahren seine "Analyse" und bewies damit, dass Silben zu zählen und den Takt zu treffen keinen Musiker ausmachen. Auch erneute Versuche, als Rapper durchzustarten, verliefen mit überschaubarem Erfolg. Eine Namensänderung und ein Disstrack gegen PA Sports führten nicht zum gewünschten Ergebnis.

JULIEN BOSS | GRABREDE | ANALYSE II 2018

iTunes: https://geo.itunes.apple.com/us/album/grabrede/id1273183192?i=1273183196&mt=1&app=music Google Play: https://play.google.com/store/music/album/JULIEN_BOSS_Grabrede?id=Bas3iopwnyfltlzx6h64bdbhfjy HURENSOHN HOLOCAUST von PA SPORTS ist in meinen Augen antisemitische Musik. Das ist meine Antwort zu dem Thema.

Das Kollektiv ApeCrime muss mit allerlei Gerüchten um eine Tourabsage leben. Das Interesse am Live-Shows der Jungs scheint ausbaufähig. Ihre Taktik war es, sich eines angesagten Styles anzunehmen. Allerdings sind sie nicht mit oder an Trap-Instrumentals gewachsen, von denen sie zum Beispiel eins für ihren "Zombie"-Track benutzen. Ein Song über Insta-Girls auf sphärischem Beat orientiert sich an der Zielgruppe. Die Kommentare und Bewertungen sind aber ausgestellt. Ein Interesse am direkten Feedback der Community scheint nicht gegeben.

ApeCrime - Zombie

Album "Exit": http://apecrime.lnk.to/EXIT Tour Tickets: http://bit.ly/2iRGepx Shop: http://crimeshop.de Video by MacDuke Animation: @deveroe / www.deveroe.com Licht: Nik Evers Performance: http://instagram.com/nikeatathompson Model: Frankie Miles (http://instagram.com/_frankiemiles)

Soundcloud oder Szeneblogs sind nicht der Ursprung des musikalischen Schaffens, sondern Challenges mit Schokoaufstrich. Die verschiedenen Upload-Plattformen positionieren sich als die neue weltweite Cypher. Wer es aus dieser Welt in die Playlists der Leute schafft, der hat sich gegen aberwitzig viel Konkurrenz durchgesetzt. Der YouTuber, der sich dazu entschließt, einen Track zu machen, ist nicht durch diese und erst recht nicht durch die Rapper-Schule des letzten Jahrtausends gegangen. Er setzt der aufgebauten Community einen musikalischen Happen vor, den sie sich als Fan der Internet-Persönlichkeit genehmigt. Die Musik steht nicht für sich, sondern ist immer mit einer Vorgeschichte verbunden. ApeCrime-Mitglied Cengiz spricht in der Frankenpost über die Probleme, in der Branche Fuß zu fassen: " […] als YouTuber hat man es schon sehr schwer, in der Musikbranche ernst genommen zu werden." Weil dies so schwierig ist, suchen die YouTuber nach Anknüpfungspunkten beziehungsweise nach künstlerischer Wertschätzung.

Zwischen Traum und Wirklichkeit

Vermeintliche Hilfe kommt teilweise direkt aus dem Rap. Prominente Artists sind sich nicht zu schade, den YouTubern zur Seite zu springen und ihr Werk zwangsläufig aufzuwerten. Einer, der Promophasen zelebriert wie kaum jemand anderes, ist Ali As. Den Beweis liefert er durch sein Auftreten auf einem Song von Leon Machère. Auf dessen Song gegen ApeCrime liefert Ali die Wahrheit auf dem Silbertablett. Er nennt selbst den Grund, warum er auf diesem Track stattfinden wollte:

"Guck, wie ich mich reinspreize, indem ich paar Lines schreibe / Und zu Leons Reichweite, für mich selber einheimse"

APECRIME wird geROASTET! (DissTrack) Leon Machère feat. Ali As

Uploaded by Leon Machère on 2017-07-06.

Unter all diesen Beispielen waren hier ausschließlich bekanntere YouTuber. Die Quellenlage ist nahezu unerschöfplich. Das Verlangen nach Rap als einem zusätzlichen Betätigungsfeld scheint enorm. Das Bemühen um Glaubwürdigkeit steht dem in kaum etwas nach. Warum? Vielleicht, weil diese Generation weiß, dass die Karriere zumindest möglich ist. Vielleicht weil es Leute wie Money Boy gibt, die sich vom Vorwurf der austauschbaren Witzfigur zum festen Inventar der Popkultur gemausert haben. Was den Jungs bei YouTube jedoch abzugehen scheint, sind Originalität und Gespür für Eigenes. Dem Publikum wird zwar zunehmend egal, ob ein Rapper freestylen kann oder seine Lyrics selbst schreibt, aber seine Rolle muss man ihm schon abkaufen. Dafür suchen die Jungs Schlupflöcher und lassen sich viel einfallen, um ihr Image aufzupolieren.

Das führt im Endeffekt leider oft zum Gegenteil und lässt die Lücke zwischen kredibilem Rapper und YouTube-Phänomen eher anwachsen, als sie zu schließen. Durch die Bekanntheit über musikfremde Inhalte scheint es um einiges schwerer, den Fuß in die Musiker-Tür zu bekommen. Wie viele Soap-Darsteller haben schon gesungen und wer ist nun noch da? Dem Typen, der sich für Publicity 24 Stunden in einer Schule einsperren lässt, glaubt man verhältnismäßig wenig, dass er auf einmal als ernstzunehmender Musiker agiert. Der Knast macht dich vielleicht härter, aber dieses Problem löst er nicht.
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Groove Attack by Hiphop.de