Vega über sein neues Label "Über die Grenze", finanzielle Engpässe & viel Alkohol (Interview)

Als Frankfurts selbsternannter König und Freunde von Niemand-Oberhaupt Vega bekanntgab, ein weiteres Label zu eröffnen, rieben sich zahlreiche Rapfans verwundert die Augen, schließlich hatte er in der Promophase des Kaos-Albums offen über finanzielle Probleme seiner Labelheimat gesprochen. Warum er sich dennoch für ein zweites musikalisches Standbein entschieden hat und was in Zukunft kommt, hat er uns im Interview erzählt.

Im Juni gabst du überraschend bekannt, neben Freunde von Niemand ein zweites Label zu leiten. Wie lange spielst du schon mit diesem Gedanken und weshalb hast du dich letztlich entschlossen, Über die Grenze ins Leben zu rufen?

Vega: Es gab immer mal wieder Situationen, in denen ich darüber nachgedacht habe, neue Künstler zu signen. Das Problem war allerdings oft, dass diese Künstler nicht zu hundert Prozent zu FvN gepasst haben, oder ich mir nicht sicher war, ob sie sich in die bestehende Gruppendynamik einfügen können. Irgendwann hatte ich keine Lust mehr, tolle Künstler ziehen zu lassen, und habe mir überlegt, dass ein zweites Label mit einer "offeneren Ausrichtung" die perfekte Möglichkeit dafür wäre.

Wie sieht die konkrete musikalische Ausrichtung von Über die Grenze aus und inwieweit unterscheidet sich diese von Freunde von Niemand?

Vega: Eine klare musikalische Ausrichtung gibt es bei Über die Grenze nicht. Genau das ist Teil des Konzeptes des Labels und zeigt sich auch im Namen. So, wie sich das Konzept von FvN auch im Namen widerspiegelt. Bei ÜdG setzen wir uns keine musikalischen Grenzen, sondern gehen darüber hinaus. Da kann grundsätzlich alles passieren. Mit Montez, Samson Jones (ehemals Jonesmann, Anm. d. Red.) und Born haben wir ja auch direkt drei Künstler gesignt, die unterschiedlicher kaum sein könnten. Bei Freunde von Niemand ist das ja alles etwas homogener. Zwar hat jeder Künstler auch seinen eigenen Stil, dennoch hört man bei jedem eine Art FvN-Sound und Attitüde raus. Bei ÜdG soll genau das eben komplett offen sein.

Weshalb hätten die drei neuen Über die Grenze-Künstler nicht zu Freunde von Niemand gepasst?

Vega: Vielleicht hätten sie das sogar, aber wir wollten die ÜdG-Künstler einfach frei von jeglichen vorgefertigten Rahmen präsentieren. Außerdem wollen wir uns auch die Freiheit bewahren, Künstler zu veröffentlichen, zu denen der Name Freunde von Niemand einfach nicht passen würde. Der Name transportiert ja schon eine sehr starke und klare Message.

In älteren Interviews sprichst du davon, dass du mit potentiellen Signings mindestens einmal exzessiv getrunken haben musst und diese auch betrunken kennen musst, um zu entscheiden, ob eine Zusammenarbeit Sinn macht. Hast du das bei Über die Grenze beibehalten und gibt es eine interessante Anekdote von einem solchen Abend.

Vega: (grinst) Mit Born und Samson habe ich auf jeden Fall schon wilde Abende gehabt. Born war ja schon auf mehreren FvN-Touren als Support dabei. Da feiert man nach den Shows natürlich auch mal und der Junge kann auf jeden Fall feiern. Samson war im Sommer auch auf der ein oder anderen Show und der anschließenden Party. Die Anekdoten von solchen Abenden behalten wir aber natürlich für uns. Montez trinkt ja gar keinen Alkohol mehr, aber wir kennen uns auch schon mehrere Jahre. Da habe ich also keine Bedenken.

Auf der nächsten Seite erfährst du, wie es finanziell bei den Freunden von Niemand aussieht und was in Zukunft bei Über die Grenzen passieren wird...

Der Schritt zu einem weiteren Label hat auch deshalb überrascht, da es deinen Angaben zufolge finanzielle Schwierigkeiten bei den Freunden von Niemand gab. Sind diese Probleme überwunden oder befindet sich das Label nach wie vor in einer Rehabilitationsphase?

Vega: FvN geht es mittlerweile wieder gut. Unsere kritische Phase war Ende 2013/Anfang 2014, nachdem wir auch unsere Labelstruktur im Hintergrund einmal komplett umgekrempelt hatten. Das ist jetzt mittlerweile knapp zwei Jahre her. Seitdem haben wir ja durchweg erfolgreiche Releases gehabt. Mein Album Kaos ging auf die 1, mit M.a.d.U. 4 von Bizzy Montana konnten wir Top Ten gehen, die zwei letzten Labelsampler liefen auch super und meine Live-DVD is auf Platz 3 der DVD-Charts gegangen. Das hat sich natürlich auch im Wirtschaftlichen gezeigt. Natürlich sind wir noch lange nicht reich, aber das Label steht mittlerweile absolut auf einem festen finanzellen Fundament. Dass es FvN gut geht, ist natürlich eine Grundvorraussetzung dafür, überhaupt ein zweites Label zu eröffnen. Es würde ja gar keinen Sinn machen, eine neue Firma zu eröffnen, wenn die Hauptfirma gerade mit Existenzschwierigkeiten zu kämpfen hat. Die beiden Labels werden zwar fast komplett von den gleichen Leuten im Hintergrund betrieben, funktionieren aber wirtschaftlich schon autonom voneinander. Generell können die beiden Labels aber auf jeden Fall voneinander profitieren. Wir haben ja mit FvN schon sehr gute Kontakte in die komplette Szene, was natürlich auch den ÜdG-Künstlern zugute kommt. Andersrum kommen wir zum Beispiel durch Samson Jones in Kontakt mit Medien, die sich für FvN vielleicht nicht unbedingt interessieren würden. So entstehen für beide Labels Vorteile.

Samson Jones führte bereits selbst ein Label und entdeckte dort unter anderem Haftbefehl. Wird dieser anders ins Tagesgeschäft involviert als Montez und Born und hast du dich in Bezug auf potentielle Signings mit ihm ausgetauscht?

Vega: Samson Jones ist bei uns als Künstler gesignt und übernimmt auch nur die Aufgaben eines Künstlers. Er konzentriert sich komplett auf seine Musik und mein Team und ich kümmern uns um den ganzen Rest. Er sitzt also nicht regelmäßig bei uns im Büro, sondern verbringt momentan jede freie Minute im Studio. Was seine Musik angeht, hat er natürlich ein Mitspracherecht, aber das ist bei allen unserer Künstler so. Über die Signings habe ich mich mit ihm auch nicht ausgetauscht. Das liegt aber daran, dass Samson als letzter Künstler zu ÜdG kam. Zu dem Zeitpunkt waren Born und Montez schon gesignt.

Inwieweit bist du dennoch offen für neue Künstler und setzt du dich selbst mit eingesendeten Demos auseinander?

Vega: Grundsätzlich sind wir immer offen für neue Künstler aus allen möglichen Bereichen. Allerdings ist es mit Demos immer etwas schwierig. Wir kommen ehrlich gesagt gar nicht dazu, uns Demos wirklich anzuhören. Darum rufen wir auch ganz bewusst nicht dazu auf, uns welche zu schicken. Wir haben unsere Ohren aber auf jeden Fall am Ort des Geschehens und bekommen auch sehr viel von dem mit, was im Untergund brodelt. Es werden in Zukunft auf jeden Fall noch Signings kommen, aber wann und wer, steht noch komplett in den Sternen

Am 13. November erschien schließlich das erste Über die Grenze-Release Für Immer und Eh Weg von Montez. Welche Erwartungen hattest du an dieses Album und was kann man in naher Zukunft von Über die Grenze erwarten?

Vega: Für immer und Eh Weg von Montez ist gerade erschienen und obwohl es das erste Release von ÜdG war, ist alles ziemlich rund und eingespielt abgelaufen. Was die Erwartungen angeht, ist uns klar, dass wir nicht von heute auf morgen Gold gehen und so ist auch nicht die Ausrichtung des Labels oder der Künstler. Montez war jetzt einige Jahre von der Bildfläche verschwunden, da fängt man ein Stück weit wieder von vorne an, aber das ist okay. Wir setzen drauf, unsere Künstler durch eine konstant gute Arbeit auf lange Sicht aufzubauen und ihnen dadurch auch eine stabile Basis zu schaffen. Es wird sicher noch einige Zeit brauchen, bis wir mit dem Label wirklich Gewinne machen, aber das ist jedem von uns bewusst und auch absolut okay. Das zweite Release wird dann Anfang 2016 das Album von Born sein und direkt im Anschluss erscheint dann das Album von Samson Jones.

Marc Schleichert

Autoreninfo

Marc Schleichert ist seit Anfang 2014 ein Teil von Hiphop.de und leitet hier den Textinterview-Bereich. In dieser Funktion spricht er regelmäßig sowohl mit hungrigen Newcomern als auch mit alteingesessenen Künstlern.

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