Silla über "Audio Anabolika", seine Beziehung zu Fler, Anwaltsschreiben, Mobbing, Familie uvm. (Interview)

Die Promophase des Noch-Maskulin-Signings Silla neigt sich langsam ihrem Ende entgegen. Viele Interviews wurden geführt, viele Themen behandelt und dennoch blieben einige Fragen offen, die unserer Meinung nach gestellt werden mussten. So haben auch wir uns mit Silla getroffen, um Antworten auf diese zu bekommen. Warum sein Anwalt Fler kontaktierte, erfährst du beispielsweise nur hier im Interview. 

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Zwischen den Zeilen hört man immer wieder heraus, dass dein Verhältnis zu deinem Vater nicht immer das Beste war. So merktest du jüngst an, dass er dir nie Lob zugesprochen hatte. Wie kann man sich deine Jugend in dieser Hinsicht vorstellen und wie ist euer Verhältnis heute?

Silla: Papa war und ist immer da, wenn es drauf ankommt. Er brachte mir Fahrradfahren und Schwimmen bei, beriet mich und bezahlte meinen ersten Wagen. Er zahlte auch Rechnungen in letzter Minute. So gesehen war er immer total verlässlich. Im Loben ist er nicht so der Meister. Eher im Kritisieren. Aber das ist alles schon in Ordnung. Er ist der beste Mensch, der er sein kann und er ist ein toller Mensch. Oft erkenne ich mich mittlerweile in ihm wieder. Wir sind halt eher verschlossene Typen, die Gefühle nicht so gut ausdrücken können. Ich mache das natürlich über die Musik. Sie hilft mir immens dabei.

Nimmt er deine musikalische Karriere wahr und was hält er von dieser?

Silla: Damals hatte ich ja die Chance, den gleichen Job wie er zu machen. Er war Beamter mit einer hochrangigen Stellung bei der Regierung. Ich hätte damals, 2005, knapp 1.700€ im ersten Ausbildungsjahr verdienen können. Ich entschied mich allerdings dazu, als Back-Up von Hengzt mit auf die CCN2-Tour zu gehen. Hab's nicht bereut. Mein Vater ist auch stolz, glaube ich. Er hatte damals immer meine BRAVO-Poster im Büro aufgehangen und verfolgt auch heute meine Facebookposts und stellt oft angeregte Fragen. Er fragt manchmal, warum ich nicht mal sowas mache wie Die Fantastischen Vier oder Peter Fox. "Musik mit Rhythmus" nennt er das.

Du bezeichnest den jungen Silla zu seiner Schulzeit als komplexbeladenes, kleines Opfer, das gemobbt wurde. Wie verlief deine Schulzeit und welche Auswirkungen hat diese möglicherweise auf den heutigen Silla?

Silla: Ich war ab der siebten Klasse schon sehr hiphop-affin und kleidete mich dementsprechend "offensiv" und modern. Ich war stylemäßig immer up-to-date. Ich rang meiner Mum immer die teuersten Jacken und Schuhe ab, um einen coolen Auftritt hinzulegen. Ich kiffte mit den Älteren und wollte immer respektiert und geliebt werden. Durch mein Auftreten wurde ich oft zur Zielscheibe von Neidern und Typen, die dachten, mich mobben zu müssen, um so vor den Mädchen als "die Cooleren" dazustehen. Das war damals schon ein battleartiges Verhalten. Im Rap fühlte ich mich auch so, aber mittlerweile kann ich das gut einschätzen. Man kann nicht von allen geliebt werden. Wenn ich heutzutage "Opfer" von Angriffen werde, beziehe ich das auf meine Rapperfigur Silla, denn ich weiß, dass ich gut bin und dass von mir eine sprichwörtliche Gefahr für andere MCs ausgeht. Ich nehme es nicht als Angriff auf die Privatperson und so fahre ich gut damit, denn privat bin ich entspannt, gehe nicht über Leichen und versuche gerecht und fair zu sein.

Kannst du Menschen, die selbst in solch einer Situation gefangen sind, möglicherweise etwas mitgeben?

Silla: Wie schon oben erwähnt, kann man nicht von jedem geliebt werden. Seid so wie ihr sein wollt, respektiert jeden und seid nett und höflich. Lasst euch aber nix gefallen und wenn die Angst so groß wird, dass ihr nicht mehr zur Schule wollt, dann weiht Lehrer und eure Eltern ein! Dann muss man dagegen vorgehen. Verkriechen bringt euch im Leben nicht weiter. Dauerte Jahre bis ich das selber gecheckt hab, deswegen: macht nicht dieselben Fehler.

Der junge Silla flüchtete sich in seinen Tracks dann häufig in eine Parallelwelt, was natürlich dafür sorgte, dass eine krasse Diskrepanz zwischen Kunstfigur und realer Person entstand. Wie hat sich diese Diskrepanz über die Jahre verändert und wie nah ist die Kunstfigur Silla heute der realen Person?

Silla: Klar, zu Orgi-Zeiten war es mitunter extrem. Wilde Sexfantasien gepaart mit gewalttätigem Zerfleischen der Konkurrenz. Damals war Musik ein Killer der Langeweile. Ich wollte nix vermitteln, sondern gehört, respektiert und bewundert werden. Einfach des Rappens wegen. Das war weit weg von mir. Nach meiner Wiederbelebung 2009 ging das los mit der Selbstreflexion, mit der Disziplin und der Fehlersuche bei mir selbst. Heute bin ich eins zu eins das, was ich rappe. Das ist nun auch real. 

Du hast häufig genug davon gesprochen, die Alkoholabhängigkeit hinter dir gelassen zu haben und auch durch Fitness mit beiden Beinen fest im Leben zu stehen. Könnte dich ein, zumindest von dir so bezeichneter, ausbleibender Erfolg wie zu Die Passion Whiskey-Zeiten wieder so aus der Bahn werfen wie damals?

Silla: Es passieren fast täglich Dinge, bei denen etwas nicht so läuft, wie es sollte. Sachen gehen schief, klappen zeitlich nicht oder können nicht umgesetzt werden. Früher hab' ich das auf mich als Person bezogen. "Du kannst das nicht, du hast es nicht drauf, du bist halt ein Loser." So Dinge gingen mir dann durch den Kopf. Heute weiß ich, dass nur Fehler letztendlich zum Erfolg führen. Nehmen wir mal einen Basketballspieler: Bei dem geht das ganze Spiel über kein Dreier rein. Nicht einer von zehn Versuchen. Doch im spielentscheidenden Moment ist auf einmal das Glück auf deiner Seite, du triffst und entscheidest das Spiel und damit die Meisterschaft für dich und deine Truppe. An den Triumph werden sich die Leute später erinnern. Deswegen sollte man immer weiterkämpfen und nie, nie, nie, nie aufgeben! Zur Flasche greif ich nicht mehr. Ich spule, falls das Verlangen aufkommen sollte, immer einen Film vor meinen Augen ab, was wieder alles Schreckliches passieren wird, wie ich meine Sportergebnisse zerstöre, wie ich Menschen wehtue. Dann verfliegt das Verlangen. Ich war früher egoistisch und badete im Selbstmitleid. Doch die alleinige Schuld meines Scheiterns liegt immer bei mir selbst. Du hast einen Chef, der über dich bestimmt und bei dem du dich nicht entfalten kannst? Heul nicht rum, kündige und starte allein!

Wie ist grundsätzlich dein Umgang mit Alkohol heute?

Silla: Ich meide Clubs, denn das ist nix mehr für mich. Freunde wissen um meine Geschichte und trinken in meinem Beisein nicht. Höchstens paar Bierchen oder so und das ist auch vollkommen okay. Ich verurteile niemanden für seinen Konsum. Ich habe außerdem ein Wundermittel entdeckt, welches mein Verlangen vollkommen auf Null geschraubt hat. Aber dazu wird es bald eine etwas größere Geschichte geben, die ich jetzt noch nicht vorwegnehmen möchte. 

Dem Alkohol entkamst du unter anderem durch exzessives Training. Welche Rolle nimmt dieses mittlerweile in deinem Leben ein?

Silla: "Fitness hat mich vor dem Abgrund bewahrt, meine Psyche gestärkt, als ich ganz unten lag." Das ist eine Zeile aus meinem Song Cheatday. Ich definiere mich über meinen Körper, denn ich mag die bewundernden Blicke der Männer und den schmachtenden Blick der Frauen. Ich richte den ganzen Tag nach dem Fitness-Lifestyle. Aufstehen, Creatin anrühren, Zink, Vitamin B, C und D zu mir nehmen, Frühstück, Sport, Shake danach den ersten Snack, Mittagessen, zweiten Snack und Abendessen. Alle drei Stunden nehme ich Nahrung zu mir. Ohne Ausnahme! Auf Reisen bereite ich mich penibel vor. Fitness ist die einzige Konstante in meinem Leben und nichts und niemand kann mir da reinreden. Das ist mein Ding. Gerade als Künstler, der nicht nach festen Zeiten lebt und arbeitet, ist es wichtig, seine Abläufe zu haben. Ich brauche diese Regelmässigkeiten, um glücklich zu sein. Ich lasse mich nicht vom Chaos beherrschen, sondern bin der alleinige Herrscher über mein Leben. 

Wie sehr leiden dein Privatleben und deine musikalische Laufbahn sogar unter diesem Lifestyle?

Silla: Gar nicht. Es umfasst zwar alles in allem, komplett 24 Stunden, das eigentliche Training geht aber "nur" eine Stunde. Plus An- und Abreise komme ich auf zwei Stunden. Das sind nicht einmal zehn Prozent vom Tag. Da bleiben noch über 90 Prozent für den Rest. Alles geil!

Fler kontaktierte dich neulich mit den Worten "was schreibt mir jetzt dein toller Anwalt? Paranoia a la Julian?" öffentlich auf Twitter. Was steckt hier dahinter?

Silla: Ich hatte Fragen zu Vertragsdetails und da ich nach ein paar Mails keine befriedigende Antwort bekam, habe ich es über die Anwälte laufen lassen. Find ich eh sinnvoll, denn was soll ich mich mit dem Bürokram, Klauseln und sonst was rumschlagen. Dafür gibt's doch diese netten Anwälte. Mittlerweile habe ich die Infos auch bekommen.

Zeitnah wirst du versuchen, immer mehr in die eigene Hand zu nehmen zu nehmen. Wie viel hast du in Bezug auf Marketing und Labelarbeit bei Audio Anabolika in die eigene Hand genommen und wie sehr erfüllt dich diese Arbeit neben der Musik?

Silla: Ich habe da einen netten Herren, der auch meine Bookings macht, im Hintergrund, mit dem ich alles plane und koordiniere. Dem Label liefere ich alles auf Anfrage an. Coverartwork hat das Label übernommen. Das kommt nicht von mir. Da ich kein Budget für groß angelegtes Marketing habe, machen wir das, was möglich ist. Interviews und Social-Network-Geschichten. 

Hintergrund dieser Frage war ein Post von Fler, in dem er schrieb: "Jedes mal wenn ich leuten unter die arme greife bin ich am ende der arsch. #lassmal". Gab es bezüglich der Marketing-Ausrichtung Differenzen zwischen euch beiden und wo lagen diese?

Silla: Er fand in den zwei Jahren, in denen ich beim Label war, schlichtweg 90 Prozent, was ich angeliefert habe, wack und sah wohl somit kein Potenzial, in das es sich lohnen würde zu investieren. Die Videos zu Die Passion Whiskey habe ich selber gezahlt und die für Audio Anabolika auch. Ich habe dann irgendwann angefangen, Ratschläge abzublocken. Er äußerte seine Kritik nämlich meistens sehr destruktiv und dann schaltete ich ab und ein vernünftiger Austausch war selten möglich. Ich meinte dann, ich werde meine Musik nicht verändern und so kamen wir zum Entschluss, dass ich mich ab diesem Zeitpunkt selber um alles kümmern würde. Das war mein Wunsch und das ist vollkommen ok so. Ich bin dankbar für diese Erfahrung, denn man sieht nun, dass es künstlerisch einfach nicht mehr passt und somit wird es Zeit, weiterzuziehen. Sollte nicht sein.

Diese Tweets lassen natürlich die Frage aufkommen, wie friedlich die Trennung von Maskulin letzten Endes abgelaufen ist.

Silla: Wie gesagt, es ist auch Gutes passiert. Wir werden beide unseren Weg gehen. Ich hege keinen Groll und schaue nicht zurück. Mich wirst du auch öffentlich keine schmutzige Wäsche waschen sehen. Von mir gibt es kein Schwarz-Weiß-Denken á la "Entweder mit mir oder gegen mich".

Bei Audio Anabolika hast du viel in die eigene Hand genommen. Du hast nun jüngst wegen Problemen im Rahmen deiner Promophase dein Album um drei Wochen nach hinten verschoben. Hattest du dir in dieser Hinsicht zu viel zugemutet und was würdest du konkret beim nächsten Album anders machen?

Silla: Ich werde beim nächsten Album so gut wie alles anders machen. Allein schon, weil ich mal Geld zur Verfügung haben werde, um endlich agieren zu können. 

Ein Großteil des Vorverkaufs ist nun abgeschlossen. Wie zufrieden bist du mit der Resonanz und wie nah kommen die Vorverkäufe deinen Erwartungen?

Silla: Ich bin generell fast nie zufrieden. Ich will immer mehr!

Lass uns gemeinsam einen Blick in die Zukunft wagen. Welche Projekte gehst du nun nach deiner Maskulin-Trennung musikalisch an und was erwartet die Fans in dieser Hinsicht?

Silla: Dazu möchte ich mich aktuell noch nicht äußern, denn wo bleibt da die Überraschung und der "Wow"-Effekt?

Wird sich deine Musik nun nach der Trennung verändern oder gehst du konsequent den eingeschlagenen Weg weiter?  

Silla: Überraschen lassen.

Es ist möglich den Titel Audio Anabolika in verschiedene Richtungen zu interpretieren. Kannst du zum Abschluss des Interviews versuchen, das Album anhand einer exemplarischen Zeile zusammenzufassen?

Silla"Ich laufe durch die Beats, wie Marshall Mathers' Sohn/ Laufe durch die Streets, wie Schwarzeneggers Klon!"  Danke für das Interview!

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Interview: Marc Schleichert