Prinz Pi Interview
Ein lauer Tag in Berlin. In einem Hinterhof öffnet mir Wassif, der mit Prinz Pi das Label Keine Liebe Records führt, die Tür und führt mich in den Keller. Dort rüseln gerade Casper und Prinz Pi ein paar Sachen zusammen, da es am nächsten Tag für Shows quer durch Deutschland geht. Nach freundlicher Begrüßung und dem obligatorischen Small-Talk schließt sich Friedrich Kautz , als Rapper unter dem Namen Prinz Porno bekannt geworden und mittlerweile in Prinz Pi umbenannt, mit mir in sein Studio ein um die Illuminati EP zu hören. Es folgt ein persönliches Gespräch über die Herangehensweise eines Künstlers an sein Werk, welchen Einfluss das Kunststudium hat, Kuriositäten des Internets, Fanfreundschaften und Depressionen.  Früher war ja für Viele alles besser. Wie haben sich deine Texte und die Herangehensweise geändert?
Die Texte waren damals auf gar keinen Fall intelligenter als heute. Früher habe ich geschrieben, was mir in den Kopf gekommen ist, das aufgenommen und raus gebracht. Heute mache ich mir viel mehr Gedanken darüber. Ich glaube aber, dass manche Leute denken, dass meine Sachen nicht so durchdacht sind wie früher, was natürlich Unsinn ist. Aber ich glaube, dass diese Leute auch stört, dass sie nicht mehr die Ausnahme sind, wenn sie meine Musik hören, wie es früher der Fall war. Aber was soll man dagegen machen. Ich finde es ja gut, wenn viele Leute meine Musik hören und mögen. Als Künstler hat man ein bestimmtes Bild, wie man sich seine Fans vorstellt/gerne hätte. Casper hätte bestimmt gerne 20-jährige, hübsche Kunststudentinnen als Fans.(lacht) Wie sähe denn dein Prototyp-Fan aus?
Ich glaube meine Fans sind jetzt nicht diese Stereotypen, sondern coole und clevere Leute. Ich spiele ja auch viel live und treffe dann immer coole Leute und bei jedem Konzert lernt man Menschen kennen, die einen beeindrucken. Mir bedeutet es auch viel mit meinen Fans zu sprechen. Es gibt sicher auch Leute, die einen nerven. Wenn zum Beipiel ein Fan besoffen ist und dann zu mir kommt und mir ins Ohr schreit: "Ich will dich ja nicht nerven..." , dann nervt das nach dem 20. Mal schon. In der Regel lernt man aber coole Leute kennen und ich habe dadurch auch schon viele gute Freunde gewonnen. War Casper nicht auch großer Pi-Fan, sowas hat er früher mal gebloggt.
Wir haben uns ja damals über Seperate kennengelernt und angefreundet. Später ging es ihm dann labelmäßig nicht so gut und ich habe ihn mit auf die Tourette Tour genommen. Vorher haben wir auch schon zusammen Musik gemacht. Ich finde es einfach cool, wenn sich durch die Musik so eine
Freundschaft entwickelt. Gerade bei deinen Touren mischst du das Programm auch sehr. Du warst zum Beispiel mit Kollegah und K.I.Z unterwegs, dann mit Casper und Maeckes und Plan B.
Ich versuche immer mit Leuten auf Tour zu gehen, die künstlerisch richtig gut sind und beispielsweise eine krasse Bühnenshow haben, wie Maeckes und Plan B . K.I.Z und Kollegah waren damals, als ich mit ihnen auf Tour war, die mit Abstand interessantesten Deutschrapacts. Außerdem war das auch eine krasse Mischung. Das ist ja das coole an Musik. Es gibt so viele unterschiedliche Facetten, dass dann so eine rockige band wie K.I.Z. oder so ein Punchline-Monster wie Kollegah oder auch der ein oder andere credibile Straßenrapper entsteht. Maeckes und Plan B haben ja auch dieses überkrasse Theaterstück auf die Beine gestellt und Tua macht alle seine Beats selber, kann auch singen und richtig gut rappen. Also es gibt im Rap schon ein Facettenreichtum. Trotzdem steht das alles unter diesem Hiphop-Deckmantel und ich finde das dann geil, wenn man das alles auf einem Konzert erleben kann. Als ich mit K.I.Z und Kollegah auf Tour war, gab es sicher einige Leute, die sich wegen Kollegah an den Kopf gefasst haben aber K.I.Z gefeiert haben und umgekehrt. Am Ende des Tages haben sich die meisten Leute sicher gedacht: "Die anderen waren ja auch cool." Man gibt den Leuten damit die Möglichkeit, ihren musikalischen Horizont zu erweitern. Man kann ja tagtäglich in Kommentaren und Foren lesen, dass manche Leute musikalisch eingeschränkt sind.
Ja aber ich finde, man sollte das ganze Internet nicht überbewerten. Man muss auch bedenken, dass die meisten Leute, die Kommentare oder Forenbeiträge schreiben, entweder krass Pro oder krass Kontra sind. Der ganze Rest, und das ist oft die Mehrheit, schreibt gar nicht, weil sie schlichtweg zu faul sind oder es ihnen zu blöd ist. Andere Kids sind richtig aktiv in Foren und diskutieren alles aus. Man darf sich als Rapper aber nicht dazu verleiten lassen, zu denken, man
sei der größte Superstar, nur weil 20 Forumkids einen in den Himmel heben. Andererseits darf man sich auch nicht negativ beeinflussen lassen, wenn man in Foren auseinandergenommen wird. Was viel wichtiger ist, ist der Kontakt mit realen Menschen und deren Kritik. Peter Fox ist beispielsweise der erfolgreichste deutsche Künstler, findet aber im Internet so gut wie gar nicht statt. Weder vor seinem Album noch nach dem Release. Das ist aber eigentlich egal, weil seine Fans seine Sachen trotzdem kaufen und er viele Leute mit seiner Musik erreicht. Andere Leute werden im Internet rauf und runter diskutiert, verkaufen aber gerade mal 100 CDs und keiner kommt auf ihre Konzerte. Gerade in Deutschland sollte man also Internethypes nicht überschätzen!? In Amerika kann man durch diese Hype groß werden, wie zum Beispiel Tila Tequila. In Deutschland ist das aber fast nicht möglich, oder?
Internet ist im Endeffekt ein Kuriositätensammelplatz. Die Leute gehen auf Youtube und googlen Leute, die verrückte Sachen machen. Das Internet ist die größte Bibliothek, die es gibt und die Leute suchen dort trotzdem nur nach kuriosen Menschen und Aktionen. Das ist so, als wenn du einen Haufen Einzeller in eine Bibliothek lassen würdest. Sie haben eine Menge Möglichkeiten, wissen aber nichts damit anzufangen. Teilweise ist das ja auch okay. Man will sich unterhalten lassen und Spaß haben. Ich mache das auch. Ich habe eine Liste mit kuriosen Rappern und Musikern, die ich verfolge und dere Sachen ich mir zusammen mit meinen Kumpels anschaue. Wer ist denn da zum Beispiel auf der Liste?
Es gibt verschiedene. In Japan gibt es zum Beispiel so komische Freaks. Hast du Die Antwoord gecheckt oder schonmal davon gehört? [ Die Antwoord im Jänzzen-Blog ]
Nein, bis jetzt noch nicht. Es gibt momentan einen Hype um eine Gruppe, die auf Afrikaas rappen. Diese Mischung aus holändisch und englisch ist super lustig.
Austrain Death Machine kann ich sehr empfehlen. Das ist eine Metal Band die ausschließlich Arnold Schwarzenegger Filmtexte singt oder Wesley . Der spielt immer auf einem Casio Keyboard und nimmt immer einen eingespielten Demosong, worauf er dann Songs über Prominente singt. Sowas ist wirklich witzig. Bekommst du eigentlich Demos für Keine Liebe zugeschickt und antwortest du dann dadrauf?
Also ich antworte nur, wenn ich es cool finde. Es ist ja so, dass ich auf einer Kunstuni war, wo es sehr schwer ist, drauf zu kommen. Und die Leute, die dann dort nicht aufgenommen werden denken dann: "Warum erkennen die mein Talent nicht an?" Da bewerben sich im Schnitt über 1000 Leute auf 16 freie Plätze. Ab dem sechsten Semester muss man dort helfen, die Bewerbungsmappen durchzugucken und da ist mir aufgefallen, dass von diesen 1000 Mappen ungefähr 90 Prozent identisch sind. Die könnten alle von der gleichen Person gemacht worden sein. Alle Mädchen machen zum Beispiel Stillleben von Äpfeln und schwarweiße Bleistiftnacktportraits. Wirklich alle. Und wenn du dich dort bewirbst, denkst du, dass du etwas anderes machst als alle
anderen. Wenn du aber die anderen Mappen siehst, erkennst du sofort, wer gut ist und wer eher mainstream, also so wie alle anderen und dadurch uninteressant ist. Und wenn man Demos bekommt, ist das genauso. Du erkennst einfach, wer anders ist und wer so ist, wie alle anderen. Wie schaffst man es denn, dich von jemandem inspirieren zu lassen, ohne ihn zu kopieren.
Also ich glaube, ein Künstler ist dann ein Künstler, wenn er seinen eigenen Style entwickelt. Wenn du einigen Rappern ein Thema für einen Song vorgibst, dann würden es nur einige schaffen, aus einer ganz eigenen Persektive zu erzählen. Style entwickelt sich ja auch erst mit der Zeit. Savas hat früher ja auch ganz anders gerappt als heute. Sein Style hat sich entwickelt und die
Leute, die das nachmachen, hinken dann natürlich immer etwas hinterher. In der Kunst und der Mode ist es ja auch so. Ein Designer entwickelt einen neuen Style und dann machen es alle nach, bis es irgendwann bei H&M verkauft wird. Und heutzutage geht das immer schneller. Da ist es auch schwer einen eigenen Style zu entwickeln. Aber von der Kunst leben, kann man sicher nur dann, wenn man einen eigenen hat.
Viele Künstler sehen, was um sie herum passiert und denken, sie müssten auf den Zug aufspringen, um den Leuten zu gefallen, weil sie mit ihren eigenen Sachen nicht den Zeitgeist treffen würden. Ich glaube, das Wichtigste, was man beachten muss, um einen eigenen Stlye zu haben ist, an den Sachen, die einem gefallen festzuhalten und irgendwann wird der Zeitgeist dann auch dich
treffen. Darüber habe ich vor einiger Zeit auch mit Frauenarzt gesprochen. Seitdem ich ihn kenne, rappt er über diese Miami Base mäßigen Beats in einem relativ simplen Style und haut seine Sachen wie Sand am Meer raus. Wenn man es negativ ausdrücken wollte, könnte man sagen, er macht immer das Gleiche. Wenn man es positiv ausdrücken möchte, kann man sagen, er hält an seinem Style fest. Ich finde, er macht nicht immer Gleiche. Er hat sich auch weiterentwickelt. Ich finde seine Sachen richtig gut und fand sie immer schon gut. Ich habe damals auch sein erstes Tape gekauft.   Die Graphiken hast du auch wieder selber gemacht, oder? Ist das so ein kleines Steckenpferd von dir, wo du gerne Zeit investierst und dein Kunststudium ausleben kannst?
Ja das ist auch hier wieder ziemlich aufwendig. Meine Fans sind mir, wie gesagt, echt wichtig. Natürlich will ich auch gerne Alben verkaufen, aber bei diesem Release, gerade auch weil es textlich ein bisschen spezieller ist und die Songs alle einer Linie folgen. Das hier ist auch ein bisschen abgedriftet, gerade da fände ich es geil wenn die Leute es nur im E-Shop kaufen könnten. Es ist zwar nicht so, dass ich das verstecken würde und sage ihr müsst jetzt Rätsel lösen um es kaufen zu können, aber es ist eben nicht so, dass man einfach in den Media Markt rennen kann. Die Leute müssen mit unserer Website firm sein um darauf aufmerksam werden zu können. Natürlich verkaufen wir darüber viel weniger, aber es gelangt so direkt an unsere true heads und denen will ich im E-Shop nicht irgendeinen Unsinn verkaufen. Das muss mindestens genauso krass sein wie ein normaler Release der draußen verkauft wird. Da habe ich mir hier im Booklet auch noch mal Mühe gegeben und so ein paar richtig schöne Illustrationen gemalt. (wir sehen uns Grafiken an und Pi erklärt die Entstehungsphase) Du hast da also auch noch mal richtig viel Arbeit rein gesteckt. Du hast ja eigentlich immer alles selber gemacht, wie war das bei dem Neopunk Design?
Das habe ich auch selber gemacht. Hattest du Probleme, dass man dir rein geredet hat?
Nein, auf gar keinen Fall. Du warst ja beim Major und bist jetzt "wieder" dein eigener Boss. Früher hast du Majors oft kritisiert. Hattest du in der Zeit beim Major Probleme damit, dass man dir reinreden wollte? Mit dem Album wirst du ja im Großen und Ganzen zufrieden gewesen sein.
In der Zusammenarbeit mit mir war das Major sehr unmajorhaft, sonst hätte ich das nicht gemacht, aber eine Menge Fans haben mir das krumm genommen. Durch Majortaschen eröffnen sich einem ja auch viel mehr Möglichkeiten.
Das Ding ist, dass die Majors nicht mehr so erfolgreich sind, wie sie es mal waren. Heute beschäftigen sie nur noch ein Drittel der Leute, die sie vor 10 Jahren beschäftigt haben. Alle anderen wurden gekündigt. Und die Leute, die jetzt noch dort arbeiten, setzen sich gerne mit Musik auseinander und sind Musikliebhaber, sonst würden sie da nicht arbeiten. Die verdienen dort ja nicht Unmengen an Geld. Und ich muss sagen, dass ich die Zusammearbeit mit denen nicht schlimm fand, denn das waren coole Leute und ein cooles Team, aber mir hat es nicht so viel gebracht, wie ich vorher erwartet habe. Mit Universal mussten wir zum Beispiel sehr viel mit MTV handeln, damit die meine Videos spielen und jetzt bei Elfenbeimturm und 3 Minuten war es so, dass MTV von sich aus angefragt hat. Independent läuft es zur Zeit einfach besser, als es mit Universal war.
Ist es vielleicht auch so, dass die Medien von einem Major-Label mehr verlangen, als von einem Independent Label?
Majors haben natürlich viel mehr Geld, als Indie-Labels. Aber ich habe für mich gemerkt, dass ich das nicht brauche. Ich will einfach nur Musik machen. Das ist das, was ich liebe und was mir Spaß macht. Ich bin auch zufrieden mit dem was ich mache. Auch wenn ich nicht mega viel Geld habe, habe ich immernoch genug, um mich und meine Kunst zu verwirklichen und damit über die Runden zu kommen. Ich bin sehr dankbar dafür, dass ich mit meiner Musik Menschen erreichen kann. Es gibt sehr viele Künstler, die von ihrer Musik nicht leben können und nicht so viele Menschen erreichen. Ich habe auch so viele Ideen, dass ich gar nicht weiß, wie ich sie alle umsetzen soll. Ich arbeite zur Zeit schon an einem neuen Album, das 333 Album ist auch fast fertig und mit Casper wollte ich auch irgendwann mal ein gemeinsames Album machen. Hast du auf Teenage Mutant Horro Show II die Reaktionen auf Neopunk verarbeitet? Du hast ja in Interviews gesagt, dass du eine depressive Phase hattest.
Ich denke, ich bin einer der teilweise depressivsten Menschen, die ich kenne. Ich habe Phasen, in denen ich sehr viel arbeite und dann sehr introvertiert bin. Und beim Neopunk Album habe ich ja nicht nur Musik gemacht, sondern auch eine passende Ausstellung. Und das war eines der Dinge, wobei ich mir wahnsinnig viel Mühe gegeben habe. Ich habe ungefähr zwei Jahre daran gearbeitet. Mir sind meine Fans ja auch wichtig und es trifft mich dann, wenn sie sagen, dass das nicht so gut war. Ich würde mich zwar für keinen verbiegen aber natürlich hat es mich verletzt, dass das Projekt nicht gut angekommen ist, denn ich habe da sehr viel Arbeit reingesteckt. Mittlerweile habe ich das Ganze aber relativiert. Natürlich habe ich das alles auch in meiner Musik verarbeitet. Ich denke, dass ich mit 60 auf mein Leben zurückblicken kann, indem ich mir meine Alben anhöre und mich durch meine Musik in alte Zeiten rein fühlen kann. Den Song 2030 habe zum Beispiel gemacht, als die Vorstellung, Kinder zu haben und ihnen die Welt zu erklären, wirklich nur eine Vorstellung war. Ein paar Monate später ist meine Freundin schwanger geworden und so ist das alles mittlerweile Realität geworden. Und wenn man ein Talent hat, bringt das auch immer seine Schattenseiten mit sich. Trotzdem kann man es nicht einfach abstellen. Ich bin ja schon froh, dass ich kein drogenaffiner Typ bin. Ich glaube, viele Künstler therapieren diesen Druck, der auf ihnen lastet, mit Drogen. Meine Ex-Freundin ist an Drogen gestorben und daraus habe ich gelernt, dass man von diesen Sachen lieber Abstand nehmen sollte. Kunst hat ja auch immer etwas mit innerem Schmerz zu tun und wenn man ihn betäubt, heißt es ja nicht, dass er weg ist. Im Grunde genommen versucht man ihn nur zu ignorieren und dadurch kann es mit der Zeit immer schlimmer werden.
Ein Song kann einem ja auch helfen, Schmerz zu lindern. Gerade bei Trennungsgeschichten. Ich hab dieses Lied geschrieben: Der Druck steigt , wovon ich glaube, dass jeder dieses Gefühl kennt. Man denkt, alles ist scheiße und es gibt kein Licht mehr, egal was du machst. Du fühlst dich einsam und dir fällt sogar das Atmen schwer. Das ist natürlich kein gutes Gefühl, aber in dem Moment, wo du es ausgesprochen hast, geht es dir besser. Man sagt zwar: Einsicht ist der erste Schritt zur Besserung. Aber ich denke, dass man sich auch über diesen Zustand bewusst sein kann, es aber trotzdem nicht ändern kann, weil man nicht weiß wie. Tua hat es in dem Song Es regnet beschrieben. Natürlich muss man zuerst merken, dass etwas nicht stimmt. Dann kann es aber auch passieren, dass man es weiß und sich dann selbst dabei zuguckt, wie es einem immer schlechter geht.
Der Vorteil, den man als Künstler hat ist, dass du nicht handlungsunfähig bist. Du kannst Gefühle in deinen Texten verarbeiten. 
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