Marc Reis über "Nostalgie" und Freundschaften zu RAF Camora und Chakuza (Interview)

Schon seit über zehn Jahren ist Marc Reis, ehemals Sprachtot, in der Deutschrap-Szene präsent. Kollaboriert hat er unter anderem mit RAF Camora, Chakuza oder DJ Stickle. Sein letztes Album Monolog stammt aus dem Jahr 2011.

Wir haben uns mit dem aus Mannheim stammenden Rapper über sein nun kommendes Release Nostalgie unterhalten, das am 24. Januar 2014 erscheint.

Alle Informationen zum Album findest du übrigens in unserer Release-Section oder auf Amazon:

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Warum knüpfst du auf Nostalige an so viele frühere Tracks an?
Der Titel ist ziemlich passend, um an vergangene Momentaufnahmen anzuknüpfen. In der Schaffungsphase von Nostalgie ist viel passiert, das mich in Erinnerungen hat schwelgen lassen. Viele alte Eindrücke sind während des Albums wieder hochgekommen. Es gibt immer wieder Dinge, die im Hintergrund ablaufen, welche von den Fans der Musik am Ende gar nicht wahrgenommen werden. Ich wollte mit dem Album noch einmal dahin, wo es egal ist, was ein Manager oder ein Label sagt. An meine Anfänge, wo ich einfach nur gemacht hab', ohne das mir jemand erklärt hat, dass man sonntags auf Facebook postet, weil dann die meisten Menschen vor dem Rechner sitzen. Dieser ganze Fortschritt und Business-Quatsch hat viele meiner Kollegen zum Negativen verändert. Richtig und Falsch ist auf einmal sehr dehnbar geworden. Ich war auch damit konfrontiert. Aber mit Abschluss des Albums habe ich auch zu alter, alter, konsequenter und ehrlicher Stärke gefunden und werde meine Musik gestalten, wie sie primär erst einmal mir gefällt und hilft. Alles darüber hinaus ist schön, aber nicht wichtig, um einen Song zu schreiben. Sprich, mit der Verknüpfung von Mittelfinger Reloaded und Alles ok 2, Auf Wiedersehen schließe ich auch gleichzeitig die Tür nach hinten zu.

Wofür stehen die Objekte auf dem Cover im Einzelnen?
Das sind alles Gegenstände, die in meinem Besitz waren. Gegenstände, die mich länger als andere begleitet haben, teilweise länger als Freundschaften. Daher spielen sie auch eine zentrale Rolle auf dem Cover. Ich finde, dass die Gegenstände auch gewisse Begriffe widerspiegeln. Wenn man das Cover ansieht, sieht man zum Einen Gegenstände, aber ich persönlich sehe dort auch Spaß, Musik, Gewalt, Sucht und noch mehr. Nur um ein paar herauszuheben.

Welche Rolle spielt She-Raw auf Nostalgie?
Unsere Wege haben sich schon vor knapp 8 Jahren gekreuzt und ich fand immer schon, dass sie ein Ausnahmetalent ist. Sie ist einer der Top-5-Hiphop-Künstler für mich. Da aber die Welt nicht nach Talenten sucht, sondern nach Marionetten, teilen wir ähnliche Rückschläge. Sie ist eine totale Bereicherung für das Album und würde ich je die Option sehen, ein Album für eine Sängerin zu schreiben, dann wäre es mit Sicherheit mit ihr.

Warum nicht mehr Features?
Weil niemand anderes in meinen nostalgischen Erinnerungen auftaucht. Alle anderen, die vielleicht einige Fans gerne auf dem Album gesehen hätten, haben mit der Zeit, in der das Album spielt, einfach nichts zu tun. Also warum sollte ich diese dann auf das Album holen? Nur wegen ihren Namen? Leider ist im Laufe der Zeit auch dieser Gedanke ein wenig verloren gegangen, die Leute wollen nur noch Namen auf dem Album oder machen ein Feature, um dann später einen Gefallen übrig zu haben. Ich hätte jeden, mit dem ich schon einmal gearbeitet habe, drauf haben können, aber ich wollte es schlichtweg nicht. Und ich nehme auch stark an, dass mir das niemand übel nimmt, da diejenigen wissen, ich mache einen Song für mein eigenes Schaffenswerk nur dann, wenn es Inhalt hat und zu meiner Vorstellung passt.

Wie viel Autobiographisches steckt hinter Nostalgie?
Manch einer meiner Freunde würde sagen: zu viel. Ich sage: zu wenig. Ich dachte, mit dem Album hätte ich endlich mal alles abgehandelt. Aber immer wieder kommen Dinge ans Tageslicht, die im Vergessenen lagen. Wer meine Musik verfolgt, weiß sicherlich, dass ich fernab von Entertainment agiere. Ich habe genug erlebt, ich muss mich nicht künstlich in einen noch nicht erlebten Moment hinein versetzen. Auch, wenn ich auf manch Erlebtes durchaus verzichten könnte, ist es ein Teil von mir.

Auf Facebook hast du ein Bild von RAF Camoras Schwarzer Rabe gepostet mit der Beschreibung "#Nostalgie". Wird davon irgendwann auch eine Fortsetzung kommen? Ist RAF sonst in die Produktion involviert?
Das habe ich gepostet, da ich den Song seit langem nicht mehr gehört hatte. Und ich fand es stark, dass der Song im übertragenen Sinne das geschildert hat, was letztendlich irgendwie eingetroffen ist. Beziehungsweise behandelt er die Wahrnehmung von sich in der einer möglichen Zukunft. Ich glaube, jeder hat einen schwarzen Raben auf der Schulter, der mit Ihm spricht. In die Produktion von Nostalgie ist RAF nicht eingebunden gewesen. Er hat das Album natürlich vorher zu hören bekommen und wir haben uns ausgetauscht. Ich finde es stark, wie viel Energie er aufbringt für seine Musik, und ich erinnere mich gerne an die Anfangszeiten, wo wir noch zusammen Musik bei ihm in der ersten WG gemacht haben, in einer kleinen Kammer, in der kaum Platz war, mitten in der Küche. Damals sind Leute wie Chakuza, Stickle, Bizzy Montana immer gerne vorbeigekommen, weil wir ziemlich viel Spaß hatten. Ich habe mit RAF auch eine kleine gemeinsame Geschichte und es ist immer wieder überraschend zu sehen, wie sich alles entwickelt. Eventuell kommen wir irgendwann noch einmal für einen guten Song zusammen.

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Du hast alles in deinem eigenen Studio aufgenommen. Warum?
Um diese Geschichte wirklich zu beleuchten, müsste ich alte Wunden aufreißen, und das wäre für manch einen mit Sicherheit schmerzvoller als für mich. Daher sagen wir einfach: Ich habe die Möglichkeit gesehen, mit zwei unbefangenen Produzenten einen Raum zu mieten und habe es gemacht. Es ist ein kleiner Raum mit ein paar Geräten. Dort herrscht Kreativität. Oberste Regel: HABE SPASS. Und ich arbeite dort mit positiven Menschen. All das zusammen sind die Gründe, Nostalgie dort aufzunehmen. Momentan arbeite ich mit Nuri Singör und den Stereoids an neuen Sachen. Mal sehen, wohin die Reise geht.

Wieso hast du dich gerade für die Stereoids als Produzenten entschieden?
Ich habe einen der beiden durch RAF kenngelernt. Ich weiß nicht, ob ich mich für sie entschieden habe, oder Glück habe, dass sie für mich produzieren. Das liegt wohl im Auge des Betrachters. Für mich sind das zwei junge Typen, die Bock haben, Musik zu machen. Meiner Meinung nach können sich Ihre Produktionen auch außerhalb von Deutschland messen. Aber wir wissen doch, wie das in Deutschland ist, hier im Land versteht niemand so richtig, dass Produzenten sehr großen Einfluss auf einen Song nehmen. Eigentlich ein sehr undankbares Aufgabengebiet. Auf jeden Fall wünsche ich ihnen und allen anderen talentierten Produzenten viel Erfolg.

Nostalgie bedeutet für dich ein Abschluss einer langen, schweren Zeit. Was planst du für die Zeit nach der "Befreiung"?
Mein erster Schritt ist, nichts mehr machen, das ich nicht fühle oder das mir Bauchschmerzen bereitet. Ich habe mich bereits von ein paar Leuten distanziert, mit denen ich keine gemeinsamen Nenner gefunden habe. Aber das ist natürlich nur der kleine Bereich Musik in meinem Leben. Die größte Rolle spielt meine Familie, Gesundheit und meine neu dazugewonnen Freunde. Mir wäre es wichtig, dass alle Menschen um mich herum für sich einfach das Beste rausholen und wenn es Ihnen gut geht, geht es auch mir gut.

Welche Rolle hat deine Heimatstadt Mannheim für das Album gespielt?
Eine große. Viele Momente, die auf Nostalgie abgehandelt werden, spielen in Mannheim. Alles Videos wurden in Mannheim gedreht. Ich habe dort eine alte Freundschaft wieder neu entdeckt. Mannheim und Ludwigshafen werden immer eine Rolle spielen. 

Wo und wann wird Nostalgie erhältlich sein?
Amazon, Saturn und Mediamarkt und in allen digitalen Stores wie Itunes usw.

Wie stehst du heutzutage zur Musikbranche? Du hattest viele Rückschläge, die zum Beispiel Namensänderungen mit sich zogen. Was sagst du zum Beispiel zu den ganzen Beef-Geschichten momentan?
Ich habe keinen Bezug zur Musikbranche. RAF und Chak sind so meine Brücke zu dieser Welt, aber ich lauf' nicht rüber. Ich finde es spannend, wenn sie mir ab und an erzählen, mit was für Dingen sie sich auseinandersetzen müssen. Es ist wirklich interessant, aber eben so als Zuhörer. Ich möchte mir über diese ganzen Dinge keine Gedanken machen. Aber ich freue mich, dass ich wie gesagt Freunde habe, die das Ganze gut managen und ihren Weg gehen. Im Grunde gehören Auseinandersetzungen dazu, wie weit diese dann gehen, entscheiden immer die Beteiligten.

Haust du irgendwann auf gut deutsch gesagt nochmal auf die Kacke? Oder versuchst du die nachdenkliche, melancholische Seite weiter auszureizen?
Ich werde weiterhin Musik machen, die ich fühlen kann. Ich denke, also bin ich. Ich überlege, bevor ich rede, also läuft es zwangsläufig darauf hinaus, dass ich Musik machen werde, die eventuell nicht in das Bild von "auf die Kacke" hauen passt.

Letzte Worte?
Vielen Dank für das Interview.  Ich wünsche ein gesundes 2014.

Text: Lars Kollmann/Erich Unrau
Foto: Youtube