Mädness & Döll über Four Music, "Ich und mein Bruder" und den "algerischen Rick Rubin" (Interview)

Im Jahre 2014 rappte Mädness noch mehr oder minder resigniert: "Ich bin cool mit der Sache / Ich muss es nicht mehr auf's Juice-Cover schaffen." Das klang nach einem versöhnlichen Rückzug aus der Rapszene. Jetzt, knapp zweieinhalb Jahre später, steht euer Album Ich und mein Bruder in den Startlöchern. Was hat dir den Hunger gegeben, noch einmal anzugreifen und es so letztlich doch aufs Juice-Cover zu schaffen?

MÄDNESS: Die Maggo-EP sollte kein Rückzug sein. Ich wollte einfach neue Songs veröffentlichen, um damit live spielen zu können. Gleichzeitig wollte ich mit der Platte schon so langsam aber sicher von Rap loslassen. Mein damaliger Job ließ nicht viel Platz für Musik, womit ich aber cool war, weil ich in ihm meine Zukunft sah. Dann kam aber irgendwie alles anders und ich entschied mich aus diversen Gründen gegen den beruflichen Plan. Und in diesem Moment ploppte für mich auch wieder Rap auf. Ich musste ein paar Dinge loswerden und setzte mich direkt an Songs. Döll war zu dieser Zeit auch am Schreiben und wollte wie ich einfach mal raus. Also beschlossen wir gemeinsam, ein paar Tage mit Torky Tork wegzufahren und Mucke zu machen. Als wir nach einer Woche zurückkamen, hatten wir dann plötzlich Material für ein komplettes, gemeinsames Album und das völlig ungeplant.

Deine damalige "Dann halt nicht"-Einstellung lässt sich durchaus nachvollziehen. So konntest du in der Vergangenheit bereits mit Marteria, Savas und Olli Banjo zusammenarbeiten und kamst mit Grime- und Dubstep-Soundentwürfen um die Ecke, lange bevor sich die komplette Szene auf diese stürzte. Kannst du dir erklären, warum dir zu dieser Zeit der ganz große Durchbruch nicht vergönnt war?

MÄDNESS: Ich glaube es lag zum einen an der Zeit, in der ich Alben veröffentlicht habe, und zum anderen an mir selbst. Ich habe mich nie komplett auf Rap verlassen wollen und hatte immer ein berufliches Standbein neben der Musik. Mit unserem gemeinsamen Album setze ich zum ersten Mal nur auf Rap und vielleicht wurde dieser Schritt deswegen jetzt belohnt.

Besteht zu den Kollegen aus dieser Zeit heute noch Kontakt? 

MÄDNESS: Jein, zumindest, was die oben genannten angeht. Hin und wieder trifft man sich bei Gigs, aber es ist nicht so, dass wir wöchentlich telefonieren. Zu meinem damaligen Produzenten-Team Kollege Schnürschuh habe ich noch Kontakt. Nur auf musikalischer Ebene arbeiten wir seit einiger Zeit nicht mehr zusammen.

Zwei Jahre nach den Zeilen, die in der ersten Frage zitiert wurden, steht nun die Veröffentlichung eures Kollabo-Album Ich und mein Bruder an. Wie kann man sich den kreativen Prozess unter Brüdern vorstellen, die einander scheinbar in- und auswendig kennen?

DÖLL: Im wohl wahrsten Sinne, den das Wort familiär haben kann. Und das nicht nur, weil wir uns als Brüder, sondern eben auch als Musiker in- und auswendig kennen. Der eine weiß um seine, vor allen Dingen aber auch, um die Stärken des anderen – und umgekehrt. Mäd ist gesanglich zum Beispiel stärker und erfahrener als ich. Unter anderem aus dem Grund war auf meinen bisherigen Veröffentlichungen wenig bis kein Gesang zu hören. Das hat sich auf Ich und mein Bruder geändert. Insgesamt glaube ich, dass durch unsere Zusammenarbeit auf musikalischer Ebene sehr viele Synergien entstanden sind, die man auf dem Album hören kann.

Yassin zufolge stand am Ende dieses kreativen Prozesses ein Album mit einer klaren Dramaturgie. Wie sieht diese aus?

DÖLL: Da würde ich Yassin, dem algerischen Rick Rubin, Recht geben. Wenn man das Album auf das Grundlegendste herunterbricht, verläuft die Dramaturgie wie folgt: Wir leiten in das Album ein und verarbeiten dann Erlebtes, bis wir mit Kein Tag den negativen Höhepunkt erreichen. Danach bricht mit Alright die Stimmung komplett und der Hörer wird hoffentlich mit einem positiven, zuversichtlichen Gefühl aus dem Album geführt.

Bevor Mädness und Döll in der zweiten Hälfte des Interviews über Four Music, Risiken und die Stieber Twins sprechen, kannst du hier noch einmal das Video zu Ich und mein Bruder abchecken. 

Die Produktion des Albums stellte auch ein Stück weit ein Risiko dar. So schien für Döll nach der Veröffentlichung der von der Kritik gefeierten Weit entfernt-EP der Zeitpunkt für ein Soloalbum gekommen zu sein. Mädness hingegen hatte sich in der Zwischenzeit mit GUDE ein stabiles Unternehmen aufgebaut. Warum ist es jetzt dennoch genau richtig Ich und mein Bruder zu releasen?

MÄDNESS: Wie bereits erwähnt, stehe ich in keinerlei Beziehung mehr zu meiner alten Firma. Dass Döll und ich jetzt Ich und mein Bruder veröffentlichen, könnte man fast schon als Fügung bezeichnen.

DÖLL: Wir haben uns nie mögliche Risiken oder eventuelle Chance vor der Veröffentlichung eines Releases vor Augen geführt, um danach dann zu entscheiden, was wir denn überhaupt releasen. Und so war es auch bei diesem Release nicht. So plump wie das vielleicht klingen mag: Musik hat für mich sehr viel mit Gefühl zu tun. Auch damit, wie es sich anfühlt, etwas auf eine bestimmte Art und Weise zu tun oder eventuell eben auch komplett zu lassen. Ich und mein Bruder jetzt zu veröffentlichen, hat sich ganz einfach richtig angefühlt. Genauso wie alle Entscheidungen, die wir rund um das Album getroffen haben.

Nach einigen Untergrund-Releases erscheint das Album dieses Mal über das altehrwürdige Major Label Four Music. Das hebt die komplette Albumproduktion und die Promotion der Platte sicherlich auf ein anderes Level. Verändert das etwas an eurer Herangehensweise und verspürt ihr so etwas wie Druck, jetzt abliefern zu müssen?

MÄDNESS: Der einzige Druck, den ich verspüre, ist der, den ich mir selbst mache. Das bestmöglichste Album abzuliefern war das Ziel und dem sind wir beide zu 100 Prozent nachgekommen. An der Herangehensweise, Musik zu machen, hat sich nichts geändert, außer, dass wir uns mit Yassin einen Executive Producer an Bord geholt haben.

DÖLL: Wir hatten bessere Voraussetzungen, was die Produktion angeht und konnten unter anderem den Sound des Albums auf ein, wie du sagst, anderes Level bringen. Der Druck kommt für mich viel mehr von innen als von außen. Ich versuche bei jedem Song, den ich schreibe, meinem eigenen Anspruch gerecht zu werden. Oder anders gesagt: Mein größter Gegner in der Musik bin ich selbst.

Der Albumtitel und die Hookline der ersten Single der Platte stellt eine Hommage an das legendäre Brüderpaar Stieber Twins dar. Welche Bedeutung haben diese für eure Musik und was verbindet ihr mit diesen?

DÖLL: Fenster zum Hof ist ein Klassiker. Ich denke, das wird mir der Großteil Rapdeutschlands so unterschreiben können. Alben, über die man sowas sagen kann, gibt es ja aus dem Deutschrap-Bereich erstmal ziemlich wenige. Und Alben, mit einer dermaßen hohen Zitierbarkeitsquote, noch weniger. Zudem sind manche Zitate heute aktueller denn je und das Beste: Hören kann man das Ding bis heute auch noch wunderbar. Abgesehen vom Gesagten ist Martin, den haben wir letztes Jahr kennengelernt, ein sehr feiner Kerl. Beste Grüße an der Stelle!

MÄDNESS: Unser Album ist der beste Beweis, dass uns die Stiebers nachhaltig geprägt haben.

Wenn ihr die Attitüde von Ich und mein Bruder mit einer Zeile des Albums beschreiben müsstet, welche Zeile wäre das?

DÖLL: Ich und mein Bruder – das zweite Weltwunder.

Marc Schleichert

Autoreninfo

Marc Schleichert ist seit Anfang 2014 ein Teil von Hiphop.de und leitet hier den Textinterview-Bereich. In dieser Funktion spricht er regelmäßig sowohl mit hungrigen Newcomern als auch mit alteingesessenen Künstlern.