Kool Savas und Staiger über Backpfeifen und Abmahnungen (Interview)
Kool Savas

Was war da eigentlich los? Staiger sagt, Melbeatz hätte Savas geschlagen, weil der nicht den Abwasch gemacht hat. Savas reagiert mit Humor, lässt seinen Anwalt aber auch Abmahnungen an Staiger und Die Wochenzeitung schicken, weil sie eine falsche Story in die Welt gesetzt haben sollen. Warum sagt man sowas? Warum wurde es ein Fall für Anwälte? Was dürfen Medien und wie wird ihre Arbeit juristisch eingeschränkt? Wie kam es zu der Äußerung? Wir haben Savas darum gebeten, uns zu erklären, wieso er der Meinung ist, dass der Fall einer für die Anwälte ist. Staiger haben wir gefragt, wie es dazu kam und wie er die Geschichte inzwischen sieht.

Der Hintergrund: Die Wochenzeitung hatte ein Portrait über Marcus Staiger und seine vermeintlichen Widersprüche veröffentlicht. Er setze sich "für Lesben in Gaza ein", habe sich aber durch die Veröffentlichungen auf Royal Bunker "dem Vorwurf ausgesetzt, Rap in Deutschland sexistischer und homophober gemacht zu haben". Gemeint waren Songs von Kool Savas.

Für den Artikel wurde Staiger interviewt. Staiger will deutlich machen, dass bei Royal Bunker keine schwerkriminellen, rechtsradikalen Machos unter Vertrag standen und sagt nach angeblich "noch mehr Havana Club": "Kool Savas war nie ein Gangster. Melbeatz, die Exfreundin von Savas, die war Gangster" und erzählt die Anekdote, über die in Zukunft vielleicht Gerichte entscheiden müssen. Außerdem distanziert er sich von den Aussagen, die Savas später auf Wo sind sie jetzt mit Xavier Naidoo brachte: "[M]it Xavier Naidoo zeichnet Savas ein Bild von Homosexualität als eine Abnormalität in diesem unseren Sündenpfuhl, wo die da oben verdorben sind und die da unten asozial, und deshalb gilt es, an den Kleinbürger zu appellieren, das gesunde Volksempfinden zu retten. Das ist faschistoid. Mit all dem hatte Royal Bunker nichts zu tun."

Die Zeitung hat die Stelle mit den Ohrfeigen inzwischen geschwärzt. Schreibt aber, sie wolle weder die Unterlassungserklärung unterschreiben, noch Savas’ Anwaltskosten zahlen. Beide Forderungen sind gängige Praxis bei mutmaßlich falschen Tatsachenbehauptungen in der Presse und mutmaßlichen Verstößen gegen das Persönlichkeitsrecht. Rechtliche Mittel, die einerseits nachvollziehbar sind, andererseits aber auch zur Einschränkung der Pressefreiheit missbraucht werden können. Wenn Savas’ Anwalt die Forderungen gerichtlich durchsetzen will, muss ein Richter entscheiden, ob die Behauptung falsch war, ob die Behauptung ein Eingriff in Savas’ Persönlichkeitsrecht darstellt und ob die Zeitung sie sich "zu eigen gemacht" hat.

Du hast Staiger und der Zeitung, die das Interview mit ihm geführt hat, eine Unterlassungserklärung geschickt. Warum findest du, dass Staigers Aussage verboten sein sollte?

Kool Savas: Weil sie schlicht und ergreifend gelogen ist. Seine Meinung ist seine Meinung. Wenn ich in seinen Augen ein Faschist bin, kann ich ihm das schlecht ausreden. Aber mit dieser Story hat er es zu weit getrieben. Das hat mich wirklich abgefuckt und ich werd gar nicht so tun, als ob es mich nicht juckt.

Ihr kennt euch sehr gut, wieso müssen das Anwälte klären? Habt ihr nie persönlich darüber gesprochen oder konntet ihr euch nur nicht einigen, wer Recht hat?

Wie kann jemand bei einer Lüge, die er gezielt in die Welt setzt, um einen abzufucken, Recht haben? Ich habe unmittelbar, nachdem ich den Artikel gelesen habe, bei der Zeitung angerufen. Da gab's nur 'n Anrufbeantworter, wie bei so 'ner Briefkastenfirma. Ich habe Staiger eine persönliche E-Mail geschrieben, ihn gefragt, was das soll und gesagt, dass ich finde, dass er es zu weit getrieben hat. Seine Reaktion darauf war, nicht zu reagieren. Ich habe ihm ein Wochenende lang vergeblich hinterher telefoniert und über eine gemeinsame Bekannte versucht, das irgendwie zu klären. Aber ich frage mich: Wie lange soll ich mich denn vor ihm klein machen? Wenn jemand tagelang auf sowas nicht reagiert, sagt er damit genauso viel wie: "Du bist ein Hund und ich scheiß' drauf, irgendwas mit dir zu klären." Ich habe nie öffentlich etwas zu seinen "Kritiken" gesagt, aber in dem Moment, wo private und familäre Dinge eingemischt und durch bewusste Lügen manipuliert werden, ist ein Punkt erreicht, an dem ich nicht mein Maul halte. Ich kenne ihn sehr lange und er kennt mich lange. Egal, ob man die Arbeit oder die Einstellung des anderen feiert oder nicht, ich finde die Familie und das Private wird aus dem Spiel gelassen. Ich würde mir niemals anmaßen, ein Wort über seine Frau oder seine Kinder zu verlieren, ganz gleich, wie sehr ich auf ihn Abturn habe im Moment. Mel war zu dem Zeitpunkt meine Freundin, meine Familie und er stellt nicht nur mich damit dumm dar, sondern sie ebenso. Er hat diesmal einfach verkackt. Ich bin zu 100 Prozent im Recht und bin überzeugt, dass er oder diese "Reporterin" der WOZ bei solchen Lügen genauso reagieren würden. Staiger selbst hat mal in einem Interview oder sowas betont, dass er bei Bedrohung die Polizei aktivieren würde. Das bedeutet, er macht vom Rechtssystem Gebrauch, wenn es ihm nützt. Dann darf man nicht mit zweierlei Maß messen!

Was hat die Zeitung deiner Meinung nach falsch gemacht? Findest du, Medien sind moralisch verpflichtet, jede Aussage eines Interviewgastes auf ihren Wahrheitsgehalt zu prüfen, bevor sie ein Interview veröffentlichen?

Ich kann nicht beantworten, wer zu was verpfichtet ist, jeder hat seine eigenen Vorstellungen. Ich finde, wenn man diesen Kopf-durch-die-Wand-Journalismus betreibt, muss man bereit sein, alle daraus resultierenden Konsequenzen zu tragen. Die Reporterin hätte irgendwann im Laufe des Interviews erkennen können, dass er es anscheinend sehr auf mich abgesehen hat und nach den wahren Gründen fragen sollen. Oder man zieht sich aus der Verantwortung und sagt: "Okay, ich drucke ALLES ab, was mir hier erzählt wird." Was würde denn z.B. der Chefredakteur der Zeitung machen, wenn Staiger behauptet hätte, dass der Chefredakteur der WOZ seine Frau schlagen würde? Hätte es den Hauch einer Chance gegeben, dass solch eine Lüge in dem Bericht landet? 100-prozentig nicht! Genau das meine ich mit zweierlei Maß. Hätte ich statt der WOZ der Bild eine Unterlassungsklage geschickt, hätte ganz Deutschland applaudiert. Das beantwortet alles, denke ich. Die WOZ hat nach dem Schreiben meines Anwaltes nicht mal probiert, das Gespräch zu suchen. Stattdessen gehen die auf Konfrontationskurs und versuchen alles, um mich weiter zu diffamieren und lächerlich zu machen. Sowas sind meiner Meinung nach keine Menschen, sondern Tiere, die sich auf ein gefundenes Opfer stürzen. Und ich sage ganz deutlich: Hätten die eine normale Richtigstellung gedruckt und hätte Staiger sich öffentlich und ernstgemeint für diese Lüge entschuldigt, hätte ich alles zurückgezogen und auch die Anwaltskosten auf beiden Seiten übernommen. Darauf gebe ich mein Wort. Ich zeige euch auch gerne die E-Mail, die ich an Staiger geschrieben habe.

Es wird doch jedem Leser deutlich, dass das einfach eine Behauptung Staigers ist, die man glauben oder eben nicht glauben kann. Reicht es nicht, öffentlich zu sagen: "Der labert scheiße"?

Staiger ist ein Medienprofi und weiß, dass mittlerweile kein Rapper mehr ernstgenommen wird, dafür wurde einfach zu viel gelogen. Die Leute erzählen so viele Storys, das man prinzpiell alles glaubt und wenn man sich wehrt, sieht man aus wie der Spast, der die Warheit verdrehen will. Viele sind von Staigers Art eingeschüchtert, wissen, dass er körperlich was drauf hat und wollen nichts sagen. Aber das ist Bully-Mentalität und inakzeptabel. Wenn das einzige Argument ist, wer mehr Leute hinter sich hat oder körperlich überlegen ist, dann könnte Nikolai Walujew die deutsche Hiphop-Szene übernehmen. Ich lasse mich nicht sinnlos unterbuttern. Wenn ich jemandem Unrecht tue oder mit dem Brot eines anderen spiele, muss ich mich dafür gerade machen, aber ich lasse nicht zu, dass man mich anspuckt.

Die Stelle aus dem Interview wurde noch viel bekannter, weil du dagegen vorgehst, meinst du nicht?

Natürlich. Aber sie entspricht nicht der Wahrheit, deswegen werde ich nicht meine Fresse halten, als wäre ich ein kleiner Welpe.

Im Zusammenhang mit dem Xavas-Album hat Staiger dich kritisiert. Ist aus einer sachlichen Diskussion über deine damaligen Aussagen jetzt etwas Persönliches geworden? Die Kritik war in der Sache doch nachvollziehbar. Du sagst etwas, Staiger sagt, er findet das scheiße. Hielt das die Freundschaft nicht aus?

Wir sind schon lange nicht mehr befreundet, dafür hatten wir viel zu wenig miteinander zu tun. Ich habe ihm dennoch nie etwas Schlechtes gewünscht. Wir waren eigentlich immer sehr offen zueinander. Er hat mir vorgeworfen, nur über Rap zu labern, ich habe ihm vorgeworfen, eine Rampensau zu sein, die alles tut, um Fame zu werden. Aber all das war von Angesicht zu Angesicht, auf einer Basis, die nie so respektlos wurde, dass man sagt, ich werde mit diesem Menschen nie mehr zusammenkommen. Ich habe viele Seiten an ihm bewundert und gewisse Aussagen aus seiner Sicht sogar nachvollziehen können. Genauso habe ich verstanden, dass viele nicht auf ihn klarkamen, aber er hatte immer meinen Respekt. Ich finde vieles von dem, was er tut, wirkt schizophren. Er setzt sich bei jeder Gelegenheit für Menschen ein, die in irgendeiner Form unterdrückt werden. Gleichzeitig versucht er, andere abzufucken. Er hat sich immer gegen diese Kanacken-Straßen-Politik ausgesprochen und wendet es manchmal so ähnlich an. Aber es spielt auch keine Rolle, jeder soll es so machen, wie er denkt.

Wie lässt sich der Streit jetzt klären?

Ich sage es gerne noch einmal: Ich wünsche mir ein öffentliches Statement, welches diese Lüge aufdeckt und zurücknimmt und eine ernstgemeinte Entschuldigung. Dann ist diese Scheiße sofort für mich gegessen. Um es in Straßensprache auszudrücken: "Bu benim hakkim!" Vielleicht verstehen manche das besser :)

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Staiger wollte die ganze Geschichte nicht groß kommentieren. Er könne nicht bestätigen, dass Savas versucht habe, ihn zu erreichen. [Edit: Die E-Mail tauchte schließlich doch auf, Staiger hatte sie übersehen, weil er im Urlaub war.] Außerdem:

Staiger: "Zur konkreten Aussage kann ich leider keinen Kommentar mehr abgeben, aber zwei Sachen möchte ich festhalten. Erstens wollte ich Savas nicht diskreditieren, sondern klarstellen, dass Melbeatz immer die realere und härtere war. Respekt dafür. Und zweitens habe ich Kool Savas nie als 'Pantoffelheld' bezeichnet und würd auch nie, in meinem ganzen Leben nicht, auf die Idee kommen, ihn als 'Pantoffelheld' zu bezeichnen. Ansonsten gibt es von meiner Seite aus nicht viel zu sagen, außer, dass ich mit mehr Nachdruck darauf bestehen hätte sollen, dass diese Passage nicht veröffentlicht wird. Die öffentliche Breitenwirkung war mir in diesem Moment nicht bewusst... und das mit meiner Medienerfahrung?! Mein Fehler. Ärgerlich. Entschuldige mich dafür, dass so ein Unsinn überhaupt in die Öffentlichkeit gelangt, das ist das Einzige, was mir im Nachhinein leid tut, weil es weder für die Geschichte noch überhaupt von Bedeutung ist."