Cengiz über das Problem, dass man als Ausländer nicht in Discos reinkommt (Interview)

Als Newcomer hat man es nicht immer leicht und selten ist es der Fall, dass man kaum beziehungsweise gar keinen Hate in den Kommentaren unter seinen Videos bekommt. Cengiz jedoch kann von sich behaupten, genau solch ein Newcomer zu sein. Sein Rezept dafür klingt einfacher als es ist. Ein Haufen Humor, guter Flow, eine Prise Vorurteile und natürlich, um es nicht zu vergessen, Ironie.

Seine aktuelle Free-EP Türkisch für Fortgeschrittene kannst du dir auf seiner Homepage kostenlos runterladen.

Wir haben mit ihm gesprochen und erfahren, wie man türkisch fortgeschritten ist, was sein Problem mit Sierra Kidd ist und was Eko Fresh eigentlich von seiner EP hält. Aber Cengiz wäre nicht Cengiz, wenn die wichtige Döner-Thematik nicht behandelt werden würde.

Kannst du unseren Lesern erklären, wann man als fortgeschrittener Türke gilt? Kann man diesen Status vielleicht sogar als Nicht-Türke erreichen?

Cengiz: Man gilt als fortgeschritten türkisch, wenn man in keinen Club in Deutschland reinkommt, egal wie man aussieht. Man kann ihn aber auch erreichen, wenn man kein Türke ist, zum Beispiel wie mein Kumpel Kevin. Er sieht aus wie ein Kanake und kommt nirgends rein. Ich bin der liebste Mensch und komm trotzdem in keinen Club rein. Man ist aber auch fortgeschritten türkisch, wenn man die Grundlagen der türkischen Sprache beherrscht, wie natürlich die Beleidigungen und das Grüßen. Wenn man wöchentlich mindestens drei Döner isst, kann man sich auch als fortgeschritten türkisch bezeichnen.

Tut mir leid heute nicht behandelt das ewige Thema, dass Ausländer es schwer haben, in Clubs reinzukommen, diesmal aber aus der Sicht eines Türstehers. Du drehst das Ganze aber und sagst: "Heute kommt der Schwarzkopf rein, der Blonde nicht!" Passiert dir das wirklich so oft oder wie kamst du zu dieser Thematik?

Ich habe verschiedene Freundeskreise, einer davon besteht nur aus Studenten. Mit ihnen wollte ich einmal feiern gehen. Sie mussten mich überreden, ich geh' nicht gerne feiern. Wir waren zu acht, auch Mädels waren dabei, dann standen wir an der Tür und der Türsteher meinte, ihr könnt alle rein, außer der und er zeigte auf mich. Ich war natürlich geschockt und hab' ihn dann gefragt, warum ich nicht darf. Er meinte, weil er mich nicht kennt, diese typischen Türsteher-Ausreden halt. Ich hab' mich bisher nur viermal angestellt und hab' es echt aufgegeben. Ich dachte, ich muss dann mal einen Song schreiben, der aus meiner Perspektive ist, wie ich es machen würde. Und  wie würde es wirken, wenn man nur die Deutschen an der Tür wegschickt? Ich will ja auch nur meinen Spaß haben und keinen Ärger machen. Die Türsteher sind selber Ausländer, die sind ja keine Rassisten. Ich will niemanden in eine Schublade stecken. Es steckt ja auch Ironie dahinter, es wird oberflächlich beurteilt. Es ist ja auch der Club-Besitzer, der sagt: "Wir wollen dieses oder jenes Klientel nicht drin haben." Aber andere Situationen sind mir nicht bekannt, in denen ich anders behandelt werde, nur weil ich Ausländer bin. Daher muss man alles auch mit Humor sehen.

Du sagst, die Türsteher seien meist selbst Ausländer. Müssten dann nicht gerade sie wissen, dass das alles nur Vorurteile sind? Was denkst du, warum sie sich so verhalten?

Weil sie selber anscheinend so asoziale Menschen sind und schnell Stress anfangen würden. Man sieht es ja, wie sie reden, die sind vom Intelligenz Quotienten einfach nicht so stark, wie andere auf Grund deren Anabolika Konsums. Die wissen, wie sie selbst auf Dinge reagieren könnten und denken alle anderen würden auch so reagieren, nur weil sie Ausländer sind.

Alle Songs haben ihr eigenes Thema, trotzdem sind die alle schon etwas battlelastig und sehr direkt. Wie gehst du grundsätzlich an die Songs heran? Hast du beim Schreiben einen konkreten "Gegner" vor dir?

Konkrete Gegner hab' ich nicht. Ich will einfach genau das sagen, was mir auf dem Herzen liegt, aber in ironischer Weise verpackt, wie die ganze EP halt ist. Man kann nicht konkrete Gegner sagen, die sind eher imaginär. Es kommt auf die Laune an, die man gerade hat. Wenn man abgefuckt ist, kann man das Battle-Ding mit Vergleichen und so weiter bringen. Ich mach's gerne ein bisschen im Eminem-Style, ich diss' mich selbst, damit es kein anderer machen kann. Ich repräsentiere so auch meinen Style und diese Battle-Lines, die immer mit dabei sind.

Wo wir bei Gegner sind: Ab und an kann man kleine Seitenhiebe in die Richtung von Sierra Kidd hören, auch auf der EP. Was ist passiert oder was stört dich, dass es dich dazu bringt, Lines zu schreiben wie: "Ich hab' einen dicken Schädel nach dem Saufen - Sierra Kidd!"

Es ist nichts passiert, aber ich will eins klarstellen: Ich möchte mich keineswegs an jemandem hochziehen! Das ist das erste Mal, dass ich jemand Bekanntes in meinen Songs nenne. Das muss ich klipp und klar sagen, damit hat es nichts zu tun. Ich hab' alles so ein bisschen verfolgt, was er gemacht hat. Das Ausschlaggebende für diese Line war keine große Sache. Ich war beim Bundesvision Song Contest, Teesy hatte mich eingeladen und Sierra Kidd war auch da und er war mir richtig unsympathisch. Dann ist er aufgetreten und ich mag seine Art zu rappen einfach überhaupt nicht. Ich hab' mir danach ein paar Interviews angeschaut und seine Art, wie er seinen Kopf beim Reden zur Seite neigt... Vielleicht ist er ein supersympathischer Typ,  aber es hat mir in den Fingern gejuckt, dass ich da was loswerden musste. Aber da muss man alles sportlich sehen. Vielleicht treffe ich ihn irgendwann auf einem Konzert und rede mit ihm, man ist sich vielleicht sympathisch und ist einer Wellenlänge.

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Auf Tracks wie Mediakraft und Scheiß auf die Juice kann man zwischen dem ganzen Witz auch Kritik raushören. Aber Hand aufs Herz: Was würdest du tun, wenn die Juice dir morgen das Cover anbieten würde?

(Lacht) Natürlich, ich würde sofort dahin fahren, es ist ja selbstverständlich, oder? Der Track war ja auch an Weekends Song Ich will das Juice Cover angelehnt. Das hat mich inspiriert und dann hab' ich noch etwas mit meinem Körpervolumen gespielt. Jemand hat mal bei YouTube darunter geschrieben: "Ich würde auch auf das Cover scheißen, wenn ich wüsste, dass ich da nie drauf kommen würde." Das fand ich auch sehr witzig. Mediakraft hingegen ist vollkommen ernstgemeint, da bin ich böse. 

Es wurde auch ein Seitenhieb in Richtung Credibil vermutet, da kurz vorher auch einen Artikel in der JUICE ihm gewidmet war. Ist da wirklich etwas dran?

Kredibilität ist doch ein deutsches Wort oder nicht? Das war Zufall, dass man vorher über ihn berichtet hatte. Niemals würde ich Credibil angreifen wollen. Ich feier ihn unfassbar krass, ich liebe seine Musik. Man kann schon denken, dass es an ihn gerichtet war, wenn man versucht, etwas zwischen den Zeilen zu interpretieren, aber da ist nichts, auf keinen Fall. Das war auch in einem YouTube-Kommentar. Die lese ich ganz gerne, ich hab' das aber wirklich nicht verstanden. 

Wo du gerade schon bei den Kommentaren bist: Auf YouTube kann man durchweg positive Kommentare unter deinen Videos finden. Zwischen den Kommentaren zeigen sich immer wieder überraschte Ersthörer, die eine völlig andere Tonalität und Style erwarten durch deine Optik und dein Auftreten. Es heißt zum Beispiel: "Ich dachte erst, als ich den Titel und das Bild gesehen habe, dass er jetzt ein 0815-Kanake ist, der irgendwie Weekend disst oder so! Da wurde ich positiv überrascht! Richtig dope." Lässt du dich von solchen Vorurteilen beeinflussen?

Geil oder? Aber was heißt beeinflussen, viele Leute die ich kennenlerne, denken das auch. Ich höre oft: "Du bist ja gar nicht so böse, wie du aussiehst!" Wenn ich frage, warum, heißt es immer: "Keine Ahnung, du guckst immer so böse." Ich verstehe das nicht. Ich schau' in den Spiegel und denk' mir: Ich guck' doch gar nicht so böse und bin voll der nette Mensch. (lacht) Aber wenn ich mich beeinflussen lassen würde, dann würde ich den Asi-Style-Film doch fahren, das ist einfach diese Oberflächlichkeit. Da kommt jetzt wieder ein Kanake, der redet über Drogen, dicke Karren und dann kommt genau das Gegenteil, das ist doch perfekt für mich. Damit kann ich ja eigentlich durchstarten.

Abgesehen vom Rap: Hast du es auch schon im Privaten erlebt, dass du auf Grund deiner Optik unterschätzt worden bist?

Nee, aber heute zum Beispiel war ich in einem Juwelier und ich hatte das Gefühl, dass ich komisch angeguckt werde. Die geben einem das Gefühl, dass man anders ist, dass man anders behandelt wird. Es ist ein komisches Gefühl, aber ich vergesse es einfach irgendwann. Ich denk' mir dann: "Scheiß drauf!" Ich mein', wenn ich die Uhr haben will, gehe ich einfach rein und kauf' sie mir. Mir ist doch egal, was der von mir denkt. Es ist aber nicht so, dass es zum Nachteil für mich ist.

Bei Motrip ist das ähnlich, auch er entspricht ja nicht dem "0815-Kanaken", wie ihn einige YouTube-User bezeichnen, und viele vergleichen dich vielleicht genau deswegen mit ihm. In YouTube-Kommentaren wirst du beispielsweise "Motrip 2.0" genannt oder es heißt: "Er hat irgendwie Eko, Motrip, Genetikk und Cro Flow in einen Song verpackt." Wie stehst du dem gegenüber? Holst du dir deine Inspiration auch von anderen Rappern? Würdest du MoTrip vielleicht sogar als dein Vorbild bezeichnen?

Ja, definitiv. Ich hab' auch schon mal mit ihm persönlich gesprochen. Eko hatte auch mal gefragt, wie das Wie kaufe ich eine CD-Video angekommen ist. Ich hab' MoTrip auch mal erzählt, dass ich mit ihm verglichen werde. Was ich total als Kompliment sehe. Für mich ist er einer der Nummer-1-Rapper in Deutschland, mit Eko und Savas zusammen. Wenn jemand sagt, ich rappe wie MoTrip, dann kann es sein, dass ich mir meine Inspiration von ihm hole. Ich hab' bemerkt, dass ich nach seinem Album mich mehr darauf konzentriere, die Texte ähnlich wie er zu schreiben, nicht zu biten, sondern mehr nach seinem Style zu gehen, weil ich das einfach mega feiere. Der Typ ist einfach der King für mich. Was die Leute so schreiben... Also eigentlich müsste ich dann doch übelst bekannt sein, oder? (lacht) Ok, bei Cro verstehe ich den Vergleich aber irgendwie nicht. Aber ich würde ihn nicht als Vorbild bezeichnen, das ist mein Vater, aber Inspiration... Wenn du von Anfang an viel Musik von einem Künstler hörst und dann anfängst, Musik zu machen, dann gehst du automatisch in seine Richtung.

Läuft man mit solch einem Rap-Vorbild nicht die Gefahr, ihn ganz zu kopieren? Denkst du, das kann dir passieren?

Ich weiß, dass man dieser Gefahr entgegenläuft, deswegen versuche ich es so zu verpacken, dass es nicht passieren kann. So, dass ich ein bisschen was von ihm abgucke, aber trotzdem meinen Style beibehalte und nicht sage: "Ey, jetzt mach ich es komplett wie er." Da muss man aufpassen, dass man da nicht reingerät und nur noch mit ihm verglichen wird. Es macht ja keinen Sinn, MoTrip 2.0 zu sein. Wenn ich das wäre, dann würde ich nicht mit diesen humorvollen Aussagen spielen. Ich würde ja dann nicht mich selbst dissen und wäre auch nicht auf dem Battle-Trip. Das unterscheidet mich auch von ihm.

Auf der dritten Seite spricht Cengiz über den Klang der EP und mögliche Labeldeals.

Wie würdest du den allgemeinen Sound der EP beschreiben?

Ich finde, eine EP ist eigentlich ohne einen roten Faden, meistens sind es zusammengeschmissene Tracks. Bei dieser EP klingen die Tracks aber ziemlich zusammengehörig. Der Titel beschreibt die EP eigentlich am besten. Türkisch für Fortgeschrittene ist der Sound. Wenn ich es in wenigen Worten beschreiben müsste, würde ich es mit humorvoll und ironisch beschreiben. Sie ist objektiv betrachtet an alle Rap-Hörer angepasst. Natürlich, jemand der nur explizit Haftbefehl hört, würde sich vielleicht nicht unbedingt die EP anhören, aber die EP spricht ein weiteres Spektrum an Rap-Fans an. 

Inwiefern war die Arbeit von zRy für das Ganze von Bedeutung?

Von sehr großer sogar, er hat alle Songs produziert. Vorher hab' ich alles auf Free-Beats gemacht, war auf Rappers.in und irgendwelche anderen komischen Seiten unterwegs, wo ich mir Beats heruntergeladen habe. Das Problem ist, ich kann nicht beschreiben, welche Beats ich haben möchte. Der krasseste Produzent könnte kommen und ich könnte es ihm nicht erklären. zRy hat einen Beat gemacht und meinte: "Wie klingt er?" Er hat mir gefallen und als ich im Urlaub war, hat er mir jeden Tag zwei Beats geschickt. Viele sagen zu mir, die Beats hätten krasser sein können, aber ich feiere sie zu Tode.

Gibt es hier gemeinsame Anekdoten im Rahmen des Produktionsprozesses?

ich nenne ihn gerne Johann. Weißt du, warum? Dann denkt man, der Türke kooperiert wieder mit einem Deutschen. Das ist gut für mein integrations-Image. Ich habe aber ein Jahr für fünf neue Songs gebraucht. Ich bin nicht faul, ich brauche sehr lange für Songs. Ich will einfach, dass sie perfekt klingen. Ich mache alles selber. Wenn ich ein Beat-Paket hätte, die mir alle gefallen, wäre es vielleicht etwas anders. Für den Türsteher-Song bin ich mehrfach ins Studio gegen und hab' alles neu aufgenommen. Der Feinschliff braucht immer sehr lange bei mir. Ich lege da sehr großen Wert darauf.

Wie wird es nach der EP-Veröffentlichung weitergehen? Was erwartet uns noc? Album, Labeldeal?

Ich wünsche mir natürlich das, was sich jeder Newcomer wünscht. Dass jemand kommt und in mich investieren möchte. Ohne Geld geht heutzutage gar nichts mehr. Du musst ja schon bei Facebook Geld investieren, damit du genug Leute erreichen kannst. Ich würde mich natürlich freuen, wenn jemand kommt und sagt: "Hier, unterschreib' mal!" Es muss jetzt natürlich kein Major Deal sein. Ich studiere natürlich noch, das läuft ganz gut und so was ist natürlich auch anstrengend. Wenn es klappen sollte, kann man beides verbinden. Ein großer Traum wäre es, eine komplette Tour zu machen, vielleicht schon als Support Act. Wie der Track Stagetime schon sagt, ich bin der beste Live Act aus NRW. Ich liebe es einfach, auf der Bühne zu stehen. Ich bin ein Live-Monster. Ich will nicht von mir in hohen Tönen reden, aber ich liebe es, aufzutreten. Nach dem Auftritt auf dem Koblenz Brennt Festival, bei dem ich den Slot bei euch gewonnen hatte, kamen einige zu mir und meinten, dass die Songs live viel geiler klingen als aufgenommen. Das gibt mir extrem viel.

Einige wissen ja von deinem Kontakt zu Eko Fresh. Hat er etwas zu deiner EP gesagt?

Ja, ihm hab' ich sie natürlich zukommen lassen: Er meinte sogar, sie sei ituneswürdig und warum ich sie als Free EP rausbringe. Aber meine Fanbase ist leider noch nicht groß genug dafür. Mir geht es auch überhaupt nicht um Geld, aber wenn ich sie als Free-EP veröffentliche, erreicht sie einfach mehr Leute. Eko feiert sie auf jeden Fall sehr.

Eine Thematik, mit der du dich auf der EP Türkisch für Fortgeschrittene auseinandersetzt, ist das fachgerechte Essen eines Döners. Kannst du unseren Lesern erklären, wie man denn als fortgeschrittener Türke Döner isst und was hier ein absolutes No-Go ist?

Cengiz: Komplett, ohne Ausnahmen. Auch mit Schafskäse, der kostet zwar immer extra, aber den musst du natürlich mitbezahlen. Und mit Ayran, der sättigt dann natürlich etwas mehr als eine Cola oder so.

Letzte Worte?

Meine EP runterladen, so viel Döner essen und Ayran trinken, wie es geht. Ansonsten viel essen und wenig bewegen. Die Cengotransformation kommt bald auch, da viele mich immer wieder fragen, wie ich es schaffe, so dick zu sein. Dazu wird es noch einige Blogs geben.

Alle Videos, Interviews und mehr Infos zu Cengiz findest du auf unserer Künstler-Seite.

Interview: Nava Zarabian
Foto: Youtube