Vom Posexen & Muschifisten: Verbaler Wahnsinn bei den 257ers

Es war einmal in Essen eine Truppe verwirrter junge Männer. Den Wahnsinn aus ihren Köpfen verpackten sie in Texten, die nicht nur inhaltlich, sondern auch formell anders als die der Anderen waren. Es muss 2009 oder 2010 gewesen sein, als ich die 257ers lieben lernte – gleichermaßen für das Lachen und das Stirnrunzeln, das sie einem aufs Gesicht zu zaubern vermochten. Was zur Hölle machten diese liebenswerten Idioten mit der deutschen Sprache? Genie oder Wahnsinn? (Spoiler: beides)

Auch heute kann ich mich noch an der "Smegma EP" und "Hokus Pokus" stundenlang erfreuen. Die Songs machen mehr als ein Mal Spaß: erst beim Hören und danach beim Rezitieren, welches mit unterschiedlichen Schwerpunkten mehrfach wiederholt werden kann. Was genau diese Faszination ausmacht, versuche ich hier zumindest anzureißen. Dabei wird es kleinere Ausflüge in die Welt der Sprachwissenschaft geben. Wer kein Problem mit Nerd-Shit hat, kann vielleicht sogar noch etwas lernen.

Zusammengesetzte Verben bei den 257ers

Normalerweise werden zusammengesetzte Verben wie umboxen getrennt geschrieben, wenn man sie konjugiert ("ich boxe den Nazi um"). Wie man es anders machen kann, zeigten Shneezin und seine Jungs damals regelmäßig in ihren Texten

"Ich crackticke die Beutel jetzt und wegficke die Bräute / auch wenn sich ihr hässliches Äußeres echt nicht verleugnen lässt“

"Ich hol deine B*tch und ich warmmache Gleitcreme/ danach gibbet harten Arschbacken-Freistil“

"Ey, ich rumlecke gleich mit ner Pfundlänge Fleisch / denn ich mag es sehr gerne für seine Umgänglichkeit"

Legt man den kreativen Umgang der 257ers mit Sprache zugrunde, kann man "Ich umboxe alle Nazis" oder "er umboxt alle Nazis“ oder "Du wegbetonierst immer diese Lelleks bei Twitter“. Solange es jeder versteht – kein Problem! Und lustig oder cool kann es definitiv klingen.

Exkurs: Mehr Sprachökonomie durch kreative Verben

Aber damit nicht genug. Aus Nomen wie Langstreckenlauf, Querschnittlähmung und Bunsenbrenner werden kurzerhand Verben gebastelt, weil es besser in den Takt passt, weil es lustig ist und generell einfach weil man es kann. Das Verständnis der Texte wird dabei nicht eingeschränkt, es erfordert nur ein bisschen mehr Eigenleistung vom Hörer.

"Und ich inbrandstecke Baum / Dann ich langstreckenlaufe wieder ganz schnell nach Hause“

„Also wer f*ckt wen? / Du bist 'ne Nervensäge / Bitch, ich querschnittslähme dich“

"Bitch, ich bunsenbrenn dein scheiß Wunschzettel gleich / Und jetzt stell mir keine Fragen, ich sag grundsätzlich nein"

Hinzu kommt: Solche Konstruktionen sorgen für eine verbesserter Sprachökonomie. Dieser Begriff wird normalerweise benutzt, wenn man versucht zu erklären, warum Sprache sich verändert. Ein meist relativ kläglicher Versuch, dieses Phänomen festzuhalten, ist immer wieder bei den Schöpfungen bei der Wahl zum Jugendwort des Jahres zu beobachten.

Tatsächlich spielt Jugendsprache beim Sprachwandel trotzdem eine große Rolle. Und wenn man von der Sprache der Jugend spricht, dann muss es auch um Rap gehen. Das soll nicht heißen, dass wir jetzt alle wie die 257ers reden sollten – Gott bewahre! Das bedeutet vielmehr, dass viele Änderungen, die die Eltern verteufeln mögen (übermäßig viele Anglizismen beispielsweise) neben Swag-Gründen auch eine höhere Effektivität der Sprache als Ursache haben. Dinge lassen sich mit neuen Wörter und Ausdrucksweisen vielleicht kürzer und präziser beschreiben.

So sieht es auch bei den oben genannten Beispielen aus. Anstatt eine adverbiale Bestimmung einbauen zu müssen ("ich verbrenne deinen Wunschzettel mit dem Bunsenbrenner"), parkt man diese ganz einfach im Prädikat ("bunsenbrennen") – weniger Worte, gleicher Inhalt, höhere Ökonomie.

Vom Nomen zum vielseitigen Verb

Der Vollzug des Koitus in allen möglichen Varianten ist ja bekanntermaßen eine zentrale Thematik im Rap. Da lassen sich die 257ers nicht lumpen. Was sie mit Sex so anstellen ist aus sprachlicher Sicht beeindruckend.

Sex ist ein Nomen und maskulin (yeah!). Die 257ers basteln auch hieraus einfach ein Verb. Diese Wortschöpfung konnte ich auch schon bei Freunden, Bekannten und mir selbst beobachten:

"Zappe im Videotext, während du Klitoris leckst / und ein anderer Mann dir dabei den Schließmuskel sext"

"Ficker, guck mal bitte, wie ich sexe die H*ren"

"Das ist Kitzler superhart, drei mal gesext"

"Vielleicht ich posexe gleich / er ist sowieso steif"

Unter grammatikalischen Gesichtspunkten kann das Wort sexen also auf drei verschiedene Arten eingesetzt werden:

1. ohne Objekt, z.B: "Ich trinke, esse und sexe täglich."

2. mit einem Objekt, z.B.: "Ich sexe alles, was nicht bei drei auf'm Baum ist."

3. mit zwei Objekten, z.B.: "Ich sexe ihr das Nasenloch."

Außerdem sieht es so aus, als könne man nach Belieben Körperteile an das Verb koppeln, um die Art des Sex zu spezifizieren. Denkbar wären neben posexen klassicherweise mundsexen und muschisexen, aber ich möchte da niemandes Kreativität einschränken.

Zum Schluss noch ein paar sprachliche Kuriositäten verpackt in Wahnsinns-Lines, die ich euch nicht vorenthalten will:

"Ich bin on fire, geh' in Russendissen grooven / Du hast Muskelrisse, ich bin cool, ich muschifiste H*ren"

"Ey ich kack dir in den Essen rein/ und jetzt schmier dir'n Wurstbrot / du Furzknoten bist einfach der h*rensohnste" – eiskalt ein Nomen wie ein Adjektiv gesteigert. Nice!

"Gib mir Rum, Sekt und Wein und Menschenfleisch / dann ich rumtekkendrei während ich zungenbreche Lines"Zungenbrecher zum Verb gemacht und Tekken 3 irgendwie auch als Verb verwendet. WTF!?

"Weil ich sie mit Wodka verführt hab / gefotzenschleimschlürft und gekotzt und gewürgt hab / bin ich wieder back" – mein Liebling! Mit diesem Beispiel konnte ich mal in einer Hausarbeit meine gesamte Argumentation beweisen.

P.S.: Wer Interesse an einer ausführlichen Hausarbeit zum Thema hat, kann sich gerne melden.