Rap im TV: Was das Neo Magazin Royale alles richtig macht

"Rap wird wieder cool, ich fang an mich zu schäm'n", rappt Marsimoto in Wo ist der Beat. Rap wird nicht nur cool, Rap wird wohl cooler als je zuvor. Zumindest, was die Vermarktung und die mediale Präsenz angeht. Teile der Rapszene driften Richtung Pop und Mainstream ab, aber muss man sich deshalb schämen? Nicht, wenn man sich auf das Gute konzentriert.

Klar, Hiphop ist aus Prinzip dagegen. Gegen das Establishment, gegen den Mainstream, gegen den Kommerz. Die Entwicklungen der letzten Jahre scheinen allerdings unumkehrbar, also lasst uns das Beste daraus machen.

Denkt man an Rap in politischen Diskussionsrunden, drängt sich immer noch das Bild von steif mit den Armen fuchtelnden Moderatoren auf, die zu erkennen geben, dass sie alle Rapper für Asoziale oder Idioten halten. Okay, vielleicht sind nicht alle Moderatoren so von Vorurteilen geprägt, aber die Wirklichkeit der Hiphop-Community wird auch von offenen Journalisten meistens nicht verstanden. Das Gefühl, dass der Rapper im Fadenkreuz steht und sich permanent rechtfertigen muss, wird man nicht ganz los.

Wenn Rapper jetzt regelmäßig auf Pro7 zu sehen sind, dann ist das sicher nicht schlecht für den Ruf unserer Subkultur. Noch besser macht's das Neo Magazin Royale.

Die Unschuld vom Lande in der ZDF-Bande

Es ist eigentlich argumentationstechnisch nicht besonders ausgebufft, das beste Argument direkt am Anfang rauszuhauen, aber egal. Er ist doch nur Dendemann, aber das ist schon viel mehr als die meisten anderen haben. Jimmy Fallon, der Late-Night-Vorzeigeboy aus den Staaten, hat The Roots – Jan Böhmermann hat Dende, denn der ist gut.

Jede Woche liefert der Mann da mit seiner Band textliche Glanzleistungen ab. Da werden Klassiker wie 99 Problems, What's Beef, Fight the Power, Fäule oder Full Clip kunstvoll mit aktuellen Themen verwoben. Diverse Bezüge auf die Rap-Geschichte in den Cuts, dem Text oder im Beat – das kann doch viel mehr als beispielsweise das das simple Covern bekannter Songs in anderen Late-Night-Shows.

Diese Hommage an Mr. Spock ist einfach von vorne bis hinten genial! Und das ist bei weitem nicht der einzige Dende-Clip, der hier stehen könnte. Falls irgendjemand die Erklärung dafür braucht, warum das so gut ist, sollte er hier nachlesen und hören.

Sag gerne in den Kommis Bescheid, wenn es da noch mehr geilen Rap-Stoff irgendwo im TV gibt.

Böhmermann verarscht Rap - aber richtig!

Als der Moderator Böhmermann das (Zitat Neo Magazin Royale vom 30.4.) "lyrische Jahrhundertwerk und wohl bekannteste moderne Loblied auf die unerschütterliche Arbeitsmoral und den klassenbewussten Leistungswillen unterprivilegierter junger Menschen" – Style & das Geld – mit seinem Nerdchor neu interpretiert hat, gab es einen Kommentar unter unserem Facebook-Post, der ihm vorwirft, durch Hiphop Klicks sammeln zu wollen. Darauf hat er persönlich geantwortet.

Naja, ob der Typ, der Dendemann als Bandleader hat (Totschlag-Argument!), moderne deutsche Rapsongs covert und sich selbst disst, nicht vielleicht auch ein persönliches Interesse an Rap hat? Man munkelt.

Fler findet den blassen, dünnen Jungen ja bekanntermaßen nicht so prickelnd. Muss man ja auch nicht. Man kann ihn auch für einen ganz schönen Otto halten – gibt genug Leute, die das tun. Trotzdem konnte Flizzy im Endeffekt dessen Cover von Mit dem BMW feiern, wie er hier ab etwa 17 Minuten verrät. Man kann sich halt auch mit Stil über etwas lustig machen.

So auch bei Gangsterrappern wie halt Fler oder Haftbefehl. Die Sendung hat sogar eine eigene kleine Rubrik für Beef-Angelegenheiten: den Beefträger! Die haben das Game gecheckt. Das ist Humor für Leute, die Rap feiern. Gerade dadurch versteht man den ganzen Witz ja erst richtig. Da wird sich halt nicht (nur) über Politiker lustig gemacht, sondern genau über die Prominenten, die für die jüngeren Generationen – für uns – medialer Alltag sind.

Hier hat der Beefträger auch einen Beef aus Rooz' Interview mit Fler dabei. Hier etwa ab Minute 46:25.

Wer da nicht drüber lachen kann, sollte sich den sprichwörtlichen Stock aus dem Hintern ziehen.

Verallgemeinerungen sind immer schwer. Wer die deutsche Rapszene auf die paar Gesichter runterbricht, die in allen Regionen Deutschlands und mehreren Altersklassen bekannt sind, der tut mindestens 50% der Szene unrecht. Genauso falsch wäre es also, zu sagen, dass die Leute vom Neo Magazin Royale Rap kacke finden, weil sie sich über einige Vertreter lustig machen.

Mit so manchem Rapper gibt es von den Idealen her sogar einige Überschneidungspunkte, was angesichts der Sachlage gut nachvollziehbar ist.

Gemeinsam gegen YouTuber

YouTube scheint das Fernsehen der Zukunft zu sein. Man ist nicht an Sendezeiten gebunden, man kann wunderbar die gewünschte Zielgruppe gezielt ansprechen und – am aller wichtigsten – man kann den Ahnungslosen ganz easy das Geld aus der Tasche ziehen und überall Werbung machen, wo es geht. Es gibt natürlich auch coole YouTube-Channels, aber viel sieht für den postpubertären Beobachter ganz einfach nach Abzocke aus.

Wenn die YouTube-Heinis und ihre Manager jetzt anfangen, Rap für noch mehr Geldscheffelei zu instrumentalisieren, ist es klar, dass die Community auf die Barrikaden geht. 3Plusss hat sich dazu deutlich geäußert. In den sozialen Netzwerken ist die Stimmungslage der meisten Rapper klar gegen die Dauerwerbung-sendenden YouTuber. Disstracks gegen diese Online-Stars sind allerdings mit Vorsicht zu genießen, da es sich da – unter dem Deckmantel der kulturellen Integrität – auch weitgehend um Fame und konsumfreudige Fans zu drehen scheint.

Dagegen ist auch das Neo Magazin Royale. Gegen den Kommerz (so gut es denn geht und sinnvoll ist) und die Ausbeutung von unreflektiert handelnden und lenkbaren 13-Jährigen! Und gegen Tom Beck! Gut investierte 8:52 Minuten:

Ein gemeinsamer Feind verbindet und beim Zuschauen kann man sich sogar noch schön intellektuell und gesellschaftskritisch fühlen. Dann kann man Sachen sagen wie "Ja, Mann!" oder "Endlich spricht's mal einer aus!". Schönes Gefühl... auch wenn die Vorstellung von zwei Vorschlaghämmern, die einen Hodensack zerquetschen, bei mir ganz schöne Beklemmungen auslöst.

ZDF – das hat mit Hiphop nix zu tun! Oder?

Es ist ja gar nicht die Absicht, das Neo Magazin als Hiphop-Sendung darzustellen. Das ist es natürlich nicht, aber es bringt Rap auf eine angenehme Weise ins Fernsehen und wenn jemand etwas gut macht, dann darf man ihn aber auch mal dafür loben. Aber Moment mal... läuft die Sendung nicht im ZDF – diesem GEZ-Gebühren schnorrenden Sender für alte Menschen in ihren supergemütlichen Sesseln?

Ja, aber so lahm ist das ZDF gar nicht, auch wenn da Markus Lanz läuft. Die machen schon länger auch coole Sachen mit den heißgeliebten Gebühren. Da gab es diverse Aufnahmen vom Splash! und anderen Festivals und auf dem Spartensender ZDFneo laufen schon länger immer wieder interessante Formate. Da steht das Neo Magazin Royale exemplarisch für ein unverkrampftes Beispiel dafür, wie junges Fernsehen heute gut gemacht werden kann.

Die Einbindung des Internets durch ein Hashtag der Woche oder exklusiven Web-Content ist einfach zeitgemäß. Punkt. Ein Internetphänomen wie Captain Obvious hat es in die Show geschafft. Allein diese Tatsache und ihre Umsetzung sprechen Bände.

Wer sich trotzdem noch über seine verschwendeten GEZ-Gebühren aufregt, für den hat Diggi-Dendemann was. Das Schlusswort auf dem alten James Brown-Instrumental von The Payback:

Kategorie

Groove Attack by Hiphop.de