"Ich fühle mich wie ein Marathonläufer" – RAF Camora im Portrait

Wenn mich jemand vor einem Jahr gefragt hätte, was ich mit dem Namen RAF Camora verbinde, hätte ich wahrscheinlich geantwortet: Raben, Roboter, düstere Musik, musikalisches Genie. Gute zwölf Monate später würde das allerdings nicht mehr reichen  – denn mittlerweile ist RAF Platin-Rapper, Neuerfinder des deutschen Dancehalls (gemeinsam mit Bonez MC versteht sich), 187-Ehrenmitglied und 1LIVE Krone-Gewinner. Pünktlich zum Release seines neuen Albums Anthrazit werfen wir einen Blick auf die bewegte Karriere des Rappers.

1984 kommt Raphael Ragucci, so RAFs bürgerlicher Name, in Vevey in der Schweiz zur Welt. Da das Städtchen in der Romandie liegt, wächst der Sohn einer Italienerin und eines Österreichers zunächst mit Französisch als Muttersprache auf – in einem Schloss, das nebenbei jede Menge Raben beherbergt.

Im Alter von acht Jahren zieht RAF mit seiner Familie nach Wien – kein leichter Schritt, wie er gegenüber Toxik erzählt:

"Ich bin gezogen vom Paradies auf Erden, wenn man so will, in den 15. Bezirk in Wien. Damals war auch der Balkan-Krieg. Das heißt, du hattest zu der Zeit nur graue Häuser, du hattest die ganzen Auffanglager vom Krieg und Sozialbauten und so weiter. Das war wirklich von einem Extrem ins andere. Das war auch der Grund, warum ich mich in Wien bis heute nie ganz wohl gefühlt habe." 

Was aber sowohl in der Schweiz als auch in Österreich eine Rolle spielt: Musik. Mit vier Jahren lernt RAF Geige spielen, später kommt Klavierunterricht dazu. In Wien widmet er sich aber zunächst anderen Musikrichtungen. Vor allem Metal.

"Die erste Musik, die ich gemacht habe, war sehr sehr düsterer Black Metal. Wir haben fast schon satanistische Musik gemacht. [...] Wir haben unseren Idolen nachgeeifert, Metallica, Sepultura, Nirvana. Das waren für uns die Helden."

Das Album Temples of Boom von Cypress Hill bringt RAF schließlich zum Hiphop. "Ich habe das Cover gesehen und dachte, das ist 'ne krasse neue Metal-Band. Ich habe dann reingehört und ich habe damals Hiphop verachtet. Das war gar nicht meine Welt, alles steril, alles Bling Bling", verrät RAF beim splash! Mag. Erst Cypress Hill hätten schließlich sein Interesse geweckt.

Von Deutschrap ist RAF in den 90ern aber noch weit entfernt. Er lässt sich vor allem von französischem Hiphop und Dancehall inspirieren, beginnt Beats zu bauen und ist Teil der Crews Rapatoi, French Connection und Assaut Mystik, damals noch unter dem Künstlernamen Raf-O-Mic. Es scheint eine schwierige Zeit zu sein: Mit 15 Jahren kehrt RAF seinem Elternhaus den Rücken zu, schläft auf öffentlichen Toiletten, in Clubs und in der Schule. Er tickt Gras, klaut Fahrräder und haut schließlich für kurze Zeit nach Marseille ab. 

Nach seiner Rückkehr nach Wien lernt RAF Joshi Mizu kennen. Über die Gruppe Balkan Express wird er schließlich Teil der Crew Family Bizz – und feiert seine ersten musikalischen Erfolge. Gemeinsam unterzeichnen sie 2001 einen Deal bei Headquarter Records – wo zu dem Zeitpunkt auch ein gewisser Chakuza gesignt ist.

Family Bizz - Killah - Raf Camora Joshi Mizu

2nd Single of Austrian trilingual rap group Family Bizz. 2006 EMI Music Austria. You can buy this song on iTunes!

Family Bizz macht sich einen Namen in der österreichischen Rap-Szene, signt bei EMI Austria, feiert Chart-Erfolge und gibt Konzerte vor tausenden Fans. Wirklich zu begreifen, scheint das damals aber keiner der Rapper, was schließlich zur Trennung der Crew führt.

"Wir waren damals viel zu verpeilt. Sogar zur Deal-Unterzeichnung ist unser DJ [...] eine Stunde zu spät gekommen. Einer hat angerufen und meinte, ob er morgen kommen kann. [...] Im Endeffekt haben wir das alles nicht ernst genommen."

Mit Emirez gründet RAF schließlich Skandal Music, kann außerdem mit Feature Parts auf Chakuzas Debütalbum City Cobra sowie auf Chakuzas und Bizzy Montanas Kollaboalbum Blackout erstmals auch in Deutschland auf sich aufmerksam machen.

Es ist dann auch Chakuza, der RAF nach Berlin holt. "Chakuza verdanke ich alles, was ich heute habe", erklärt RAF 2013 bei Viejetzt. Doch zunächst läuft es in der deutschen Hauptstadt schleppend. Chakuza steht bei Bushidos Label ersguterjunge unter Vertrag und kann seinem österreichischen Kumpel, trotz Versprechen, wenig unter die Arme greifen.

"Steh' frustriert jeden Abend vor Bushido-Plakaten, träume von Raben / keinen Cent in der Tasche, die Jobcenterschl*mpe ist krass überfragt, null Unterstützung für mich ohne Arbeit und Staatsbürgerschaft / mach' Konzerte vor leeren Clubs, hab' diese ganzen Blamagen so satt", rappt RAF auf Alles probiert. Und liefert einen Einblick in seine damalige Situation, die ernüchternd und wenig vielversprechend zu sein scheint.

RAF Camora - ALLES PROBIERT feat. BONEZ MC (prod.by Beataura & RAF Camora)

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Eins dürfte allerdings klar sein: Wenn man RAFs Werdegang über die Jahre verfolgt wird deutlich, dass an Aufgeben nie zu denken war. Durchhaltevermögen und Entschlossenheit zeichnen seine Karriere.

Ab 2008 folgen die Releases schließlich Schlag auf Schlag: Mit Therapie vor dem Album veröffentlicht RAF sein erstes Mixtape für den deutschen Markt, 2009 folgt sein Debütalbum Nächster Stopp Zukunft, schließlich das gefeierte Kollaboalbum Artkore mit Nazar, zu dem sich viele Fans noch heute eine Fortsetzung wünschen.

Doch irgendwie wird man das Gefühl nicht los, dass RAF alles andere als zufrieden und glücklich über den aufkommenden Erfolg ist. Seine Texte sind düster, nicht selten finden sich depressive Untertöne in seinen Lyrics wieder.

Raf Camora - Schwarzer Rabe feat Sprachtot | Therapie nach dem Album

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Nachdem sich RAF seinem Zweitprojekt RAF 3.0 widmet, das erstmals mehr in Richtung deutscher Dancehall geht, scheint er ausgebrannt. Und das, obwohl er 2012 mit dem ersten 3.0-Album Platz #7 in den deutschen Albumcharts erreichen kann. Auftritte müssen abgesagt werden, RAF zieht sich zurück.

"Musikalisch ist es die beste Zeit meines Lebens, aber privat der absolute Tiefpunkt", äußert er bei 16bars

"Ich weiß nicht, ob ich es Burnout-Syndrom nennen kann, aber es war so schlimm, dass ich an einem bestimmten Punkt mir keine richtigen Melodien mehr merken konnte. [...] Ich dachte mir, jetzt wird es vielleicht da auch aufhören. Eine schlimme Zeit war das."

Der Rapper zieht die Notbremse, verbringt einige Zeit in Hamburg und erkennt: "Ich habe dort beschlossen, RAF Camora wieder rauszuholen, weil ich ihn ganz dringend gebraucht habe."

Auf Grundlage dessen ist es umso erstaunlicher, wie stark RAF sich zurückmeldet. Es folgen Therapie nach dem Tod und Hoch 2, mit dem er erstmals Platz #1 in den Albumcharts belegt. 2014 erscheint Zodiak, das Kollaboalbum mit Chakuza und Joshi Mizu. Pausen gibt es nicht. Bloß nicht nachdenken, lieber immer weiter machen.

Möglich, dass RAF 2016 dachte, seinen Peak mit dem Album Ghost erreicht zu haben. Doch es kommt zu der vielleicht schicksalhaftesten Begegnung in seinem Leben. Kontra K, den RAF auf der Straße in Berlin kennenlernt, stellt den Kontakt zu 187 Strassenbande-Gründer Bonez MC her. Die Chemie stimmt sofort. Und noch wärend RAF das Ghost-Release feiert, arbeitet er mit Bonez an der Kollabo Palmen aus Plastik, die Dancehall in Deutschland auf ein neues Level heben wird.

Gold, Platin, Mainstream-Erfolg, 70.000 Tour-Besucher. Bonez und RAF werden nicht müde, uns ihre Auszeichnungen in den sozialen Netzwerken unter die Nase zu reiben. Zurecht. Und gleichzeitig kann man es in RAFs Kopf quasi schon wieder Arbeiten hören. Während Bonez offenbar sorglos den Erfolg auskostet, gibt RAF lieber frühzeitig sein kommendes Karriereende bekannt und lässt im Interview mit Visa Vie durchblicken, dass er weder Zeit noch Energie hat, den Hype so richtig zu feiern.

"Ich fühle mich wie ein Marathonläufer, der gerade läuft" meint er – und könnte vielleicht keine passendere Beschreibung für seinen komplette Karriere finden. Denn den einfachen Weg hat man RAF Camora nie nehmen sehen und wird es vermutlich auch in Zukunft nicht. 

Nach allem, was wir über RAF wissen, wundert es überhaupt nicht mehr, dass er dem schönen Schein kaum trauen mag und auf seinem neuesten Geniestreich Anthrazit fragt:

"Wir haben alles, was wir wollten, Goldplatten, sogar Platin, was jetzt? Wo sind all die schwarzen Wolken? Bruder, traust du diesem Wahnsinn bis jetzt?"

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