Dragon Ball Z im Hiphop: Wie ein Anime eine ganze Kultur inspiriert

"Kameee-Haaaame-Haaaaaa" – was sich liest wie kindliche Sprache, kennt wohl jeder, der sich in seiner Jugend auch nur in der Nähe eines Fernsehers aufgehalten hat. "Dragon Ball" und im Speziellen die "Dragon Ball Z"-Reihe ist in den Köpfen mehrerer Generationen tief verankert. Die Mangabände, die Daisuke Nishio als Show-Verantwortlicher auf den Bildschirm brachte, sind inzwischen zum auffälligen Bestandteil der gesamten Hiphop-Kultur geworden – und damit ist keineswegs ausschließlich Rap gemeint.

Die Abenteuer von und rund um Son-Goku scheinen eine Faszination auszuüben, wie sie kaum eine andere "Kinderserie" für sich beanspruchen kann. Dabei dient der gesamte Kosmos, den ursprünglich Akira Toriyama erdachte, als riesige kreative Goldgrube für das vielseitige Kräftemessen in der Hiphop-Welt. Der Geschichte um die Dragon Balls ist kaum auszuweichen und findet sich unter anderem in Lines, bei Sneakern und auf Häuserwänden wieder.

From zero to hero

Als Hauptcharakter Son-Goku noch ein kleiner Junge ist, nimmt ihn seine Umwelt kaum wahr. Er gilt als nicht viel mehr als ein Kind, das mit leicht abweichendem Aussehen, gesegnetem Appetit und übermäßig viel Kraft durch die Gegend streift. Mit Training, Ehrgeiz und einer Menge an Erfahrung mausert er sich zunächst zum Verteidiger der Erde und schließlich zu einem der größten Kämpfer des Universums. Sinnbildlicher für den erhofften Aufstieg eines Künstlers könnte diese Erzählung nicht sein. Aus der Unbekanntheit zum G.O.A.T. (Greatest Of All Time) – so lautete wohl der Masterplan von jedem Artist, der mal ganz unten angefangen hat.

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Auch die Hiphop-Szene zeichnet sich durch den ständigen Wettbewerb aus. Jede Platte, jeder Track, jede Outline, jeder Move muss sich einer wachsenden Konkurrenz stellen. Die besonderen Eigenschaften, die Künstler einzigartig machen, können dabei mit den Spezialfähigkeiten der Anime-Helden verglichen werden. Alle prägenden Serienfiguren verfügen über Techniken und Eigenarten, die sie von der Masse abheben. Die Kämpfer wissen vorhandene Energien auf ihre besondere Art und Weise zu bündeln. Alleinstellungsmerkmale dieser Größenordnung beansprucht wohl jeder da draußen für sich, der in der Szene nach Erfolg strebt.

Das Auftauchen neuer Herausforderungen aus dem sprichwörtlichen Nichts, ist ebenso auf die Hiphop-Landschaft anzuwenden. Auf einmal nimmt jemand am Spiel teil, der talentierter wirkt, als man es je für möglich gehalten hätte. Dieser Situation müssen sich die Akteure der Szene dauerhaft stellen. Sie sind fast gezwungen ihr Game ständig auf ein neues Level zu pushen, um nicht von der Konkurrenz geschluckt zu werden oder ihren Status einzubüßen. Das Übersichhinauswachsen im Angesicht des Untergangs ist sowas wie der Kerngedanke von "Dragon Ball". Wenn es so aussieht, dass Son-Goku am Ende seiner Kräfte angelangt ist, entwickelt er sich weiter und übertrifft sein altes Ich.

Die Geschehnisse, die sich größtenteils auf der Erde abspielen, spiegeln ebenso die typischen Verhaltensweisen in der Kultur wider. Bei der Betrachtung der Beziehung zwischen Vegeta und Son-Goku oder Piccolo und Son-Goku ist eines offensichtlich: Erbitterte Feindschaften können schlussendlich in Freundschaften münden. Wer da als Deutschrapfan nicht direkt an Fler und Farid Bang denkt, der hat 2017 verpennt. Der Banger Musik-Boss ist schon länger bekennender Fan:

Auch andere Figurenkonstellationen erinnern an den bunten Deutschrap-Zirkus. Manche Feindschaften bestehen für immer – Prinz Pilaf und seine Bande werden wohl ihr Leben lang versuchen die Dragonballs an sich zu reißen. Eher humorvolle Rollen wie Mr. Satan oder Muten Roshi zeugen von einer Bandbreite der Protagonisten, die in dem so rauen Universum funktionieren können. Kurzum: das Identifikationspotenzial mit der Serie ist enorm. Der Hanuschplatzflow-Mastermind Young Krillin entleiht seinen Künstlernamen beispielsweise direkt von dem glatzköpfigen Freund Son-Gokus. Nahezu alles aus dem Pool der Helden-Saga lässt sich mehr oder minder direkt auf eine persönliche und/oder auf die Hiphop-Ebene übertragen.

Weltweite Einschläge

Der Erfolg des Animes beschränkt sich nicht nur auf Deutschland und Asien. Besonders in Amerika genießen die epischen Schlachten der Saiyajin einen hohen Stellenwert. Das Gemeinmachen mit Story und Charakteren ist dort genauso möglich wie hierzulande. Weltweit können Menschen den Grundgedanken fühlen. Die Lyrics vieler bekannter Rapper sind kontinent-übergreifend von Verweisen und Referenzen durchzogen, die auf "Dragon Ball Z" Bezug nehmen. Um nur einige Beispiele anzuführen:

Mike Will Made It feat. Future, Swae Lee & The Weekend – Drinks On Us (Remix)

"And my hair be growing like a fuckin' Saiyan"

DJ Holiday feat. Ca$h out & Migos – Trap House

"My diamonds on cold, they callin' me Freezer / You p*ssy n*gga, they call you Vegeta"

Joey Bada$$ – Catharsis

"I'm a young Wayne, I'm going insane, Liu Kang / Super Saiyan whenever the loops be playing"

Frank Ocean feat. Andre 3000 – Pink Matter

"That soft pink matter / Cotton candy, Majin Buu, oh, oh"

Jeder der zitierten Musiker pickt sich eine Facette aus dem Anime heraus und baut sie metaphorisch in seine Lyrics ein. The Weeknd nimmt Son-Gokus üppige Haarmenge, um auf seine (inzwischen ehemalige) Frisur anzuspielen. Takeoff von den Migos nutzt die Doppeldeutigkeit von "Freezer", der zugleich für den Bösewicht als auch für einen Kühlschrank steht, um auf die Exzellenz seines Schmucks hinzudeuten. Vegeta, der als Saiyajin immer hinter Son-Gokus (oder wie er sagen würde "Kakarots") Kampfkraft zurückbleibt, dient dem Migos-Mitglied anschließend als Sinnbild für Verweichlichung. Im Angesicht des Loops weist Joey Bada$$ darauf hin, dass er über sich hinaus wächst – ganz genau wie ein Super Saiyajin. Frank Oceans assoziative Texte sind ebenso von "Dragon Ball Z" inspiriert. Eine weiche, rosa Köstlichkeit gleicht dort einer Mutation des vielgesichtigen Dämons Buu.

Die deutschen Kollegen sind nicht weniger vernarrt in die Charaktere aus dem Manga-Kosmos:

Celo & Abdi – Schlaghammer

"Wie Super-Sayajin von Heisenrath bis Kakaweg / Wo der Teer schmilzt vom Xenon-Licht"

Prinz Pi – Super Seiajin

"Die CD ist ein Omelett, vier Eier drin / Prinz Pi, Biztram, Super Sayajin"

Bausa – Was du Liebe nennst

"Erfüll' dir Wünsche wie bei Dragon Ball – Shenlong / Komplett auf Harmonies, voll auf Sendung"

Kollegah – Schusswaffengeräusche

"Von meinen Stretchlimogefährten, zück' ich Präzisionsgewehre / Und lass' mehr Menschen grundlos sterben als die Dragon-Ball-Z-Serie"

Celo & Abdi verbinden die Power ihres Schlagwerkzeugs mit der Mutation zum Super Sayajin. Prinz Pi benennt einen ganzen Song nach der Evolutionsstufe und selbst Bausas Überhit "Was du Liebe nennst" hantiert mit Verweisen auf das "Dragon Ball"-Universum. Die Wunschkraft eines Shenlongs ist Bestandteil eines der größten Chartbreakers der letzten Jahre. Das war so sicherlich nicht vorherzusehen. Auch französische Stars bedienen sich an der japanischen Vorlage. Kaaris orientiert sich an der nie komplett verblassenden Aggressivität Vegetas und bringt einen Track auf seinem Album "Dozo", der nach dem Saiyajin benannt ist.

Der kanadische Rapper Sayzee aka Sese stampft gar mehrere "Dragon Ball Z"-Mixtapes aus dem Boden:

Dies waren schon einige - aber auch nur vereinzelte Beispiele - die bezeugen wie stark der Einfluss der Serie auf der Ebene von Rap ist. Die Hiphop-Palette ist schier endlos mit "Dragon Ball Z"-Inhalten gefüllt. Das ist bei Weitem nicht das Ende der kulturellen Tragweite des Epos.

Größer als Rap

Wie eingangs angerissen, ist das "Dragon Ball"-Universum nicht ausschließlich für eine Hiphop-Disziplin interessant. Die Kultur bietet vielfältige Ausdrucksmöglichkeiten und so sind die Auswirkungen der Serie überall zu spüren, wo Hiphop eine Rolle einnimmt. Graffiti-Artists lassen sich immer wieder von den Figuren inspirieren und bringen Elemente des Anime-Hits in den öffentlichen Raum:

Manche gehen sogar bis ans Ende des Festlandes, um den Drachen Shenlong gebührend in Szene zu setzen:


Die Figuren gelten als derart beliebte Motive, dass sie hinter jeder Straßenecke lauern könnten. Die Welt ist voller Pieces und Murals mit den Helden und Antihelden, die so eine enorme Faszination ausüben. Auch die Modeindustrie hat Lunte gerochen. Die Generationen, die mit "Dragon Ball Z" aufgewachsen sind, gehören inzwischen zu den Stammkunden der Streetwear-Labels. Dabei bilden Sneaker die Standardausrüstung. Daher verwundert es kaum, dass Branchenriese Adidas eine Kollabo mit "Dragon Ball Z" auf den Weg gebracht hat. In Anlehnung an verschiedenen Figuren erscheinen wohl im Herbst diverse Sneakermodelle, die sich an den vertrauten Figuren orientieren.

Der Hype um die Modelle ist so riesig, dass Nike-Fans eigene Kreationen ins Netz stellen, um Hauptkonkurrent Adidas zu zeigen, wie die Umsetzung noch besser gelungen wäre. Custom-Designer verändern bereits Yeezies bis zur Unkenntlichkeit, um den "Dragon Ball Z"-Vibe schon vor allen anderen am Fuß spüren zu können:

Ganze Tanz-Performances lassen sich mit dem "Dragon Ball Z"-Effekten beschreiben:

Der Einfluss lauert an jeder Ecke und zeigt die Sogwirkung der Serie, die ihresgleichen sucht. Dabei sind es vordergründig Artists mit einer 80 im Geburtsjahr, die sich auf Son-Gokus Abenteuer berufen.

Das Kung Fu der Millenium-Kids?

Was Anfang der 90er Jahre mit dem Kung Fu-Film und wohl vor allem durch den Wu-Tang-Clan in die Hiphop-Kultur gespült wurde, scheint heute genauso das "Dragon Ball"-Universum herzugeben. Sowohl die Clan-Mitglieder als auch Kendrick Lamar aka Kung Fu Kenny bedienen sich zwar weiterhin an den zeitlosen (aber eher irdischen) Kampfsportreferenzen – flächendeckend scheinen jedoch modernere Formate die Oberhand gewonnen zu haben, die mehr auf Fantasie setzen. Die Beats und Vibes aus dem Shaolin-Universum sind trotzdem für die Ewigkeit. Sie weichen nur ein Stück zurück. Ebenso bieten die alten Actionhelden wie Van Damme, Jacky Chan oder Chuck Norris immer noch mindestens genauso viel Potenzial wie der Exportschlager aus Japan. Von Ikonen des Gangstalebens und des Gangstafilms wollen wir hier gar nicht erst anfangen. Diese Inspirationsquellen für kulturellen Ausdruck im Hiphop werden überleben. Der Kampf gegen das Böse oder an der Seite des Bösen verliert wohl nie an Faszination.

Die große Ära, in der sich andauernd und ausschließlich auf diese Haudegen berufen wurde, scheint jedoch vorbei. Die aktuelle Generation hat Animes geschaut beziehungsweise Mangas gelesen und ihre Inhalte in sich aufgenommen. Der Generationskonflikt thematisiert das Epos selbst ständig. Die Kinder von Son-Goku und Vegeta sind nicht minder ambitioniert als ihre Eltern. In Son-Gohan, Son-Goten und Trunks Lebensläufen steckt Aufbruch und Anderssein genauso wie in Kids, die heute Hiphop feiern und gegen vermeintlich verkrustete Strukturen rebellieren. "Dragon Ball" ist zum Anknüpfungspunkt vieler Künstler der Jetztzeit geworden. Die fantastische Welt lässt kaum los und zieht den Hiphop-Kosmos magisch an. In zehn bis zwanzig Jahren sieht es eventuell wieder anders aus. Aber aufgepasst: Die Anime-Serie erlebt gerade eine Renaissance in Form von "Dragon Ball Super". Sie bietet neue Einblicke mit einer Vielzahl bekannter Charaktere – also vielleicht ändert sich doch weniger als gedacht und "Dragon Ball" zieht auch die Hiphop-Artists von morgen und übermorgen in den künstlerischen Bann.

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