Rap hat 2016 rasiert! Die Top 10 von Aria

2016 hat Spaß gemacht, was Rap angeht. Die musikalische Qualität stieg hierzulande auf ein Allzeithoch und auch sonst wimmelte es von interessanten Ereignissen. Hier 10 Highlights, die das Rap-Jahr für mich am stärksten geprägt haben.

10. Das Coup-Missverständnis

Coup (Haftbefehl & Xatar) - Kanack (Offizielles Video)

Manchmal laufen Dinge einfach schief – egal, was man macht. Irgendwann sind die beiden besten Gangsta-Rapper Deutschlands kommentarlos aus einer ProSieben-Glitzershow verschwunden. Das ganze Missverständnis startete irgendwo zwischen der ersten Singleauskopplung AFD und damit, dass keiner genau wusste, wie Coup ausgesprochen wird. Ein horrend teurer Film gab auch die musikalische Richtung vor: Explosiv, aber chaotisch. Der Holland Job bleibt ein kurios prägendes Event für Rap-Deutschland 2016, aber jetzt können Haft und Xatar dem Land wieder mit Soloalben Feuer unter dem Arsch machen.

9. Lebende Legenden

Redman über SSIO, Xatar, Kool Savas & Respekt für Deutschrap / Hiphop-Realtalk (Interview) - US+A

Der Mythos, alle US-Stars wären unendlich abgehoben und super arrogant, hält sich wirklich hartnäckig. Ja, manchmal sind sie tatsächlich unangenehm wie Macklemore, aber meistens überraschen Rapper mit ihrer Menschlichkeit. Zum Beispiel, als ich im Januar Ice Cube zum GQ-Interview traf oder auf dem Out4Fame-Festival mit Redman über Deutschrap sprach. Diese Typen haben einzigartige Karrieren in den Knochen und doch nehmen sie sich die Zeit für Gespräche, an die man sich immer gerne zurückerinnert.

8. Wenn Journalisten über Hiphop reden...

SIDO - Hamdullah (prod. by DJ Desue)

Hätte ich wirklich nicht erwartet. Ich bin nicht der größte Fan von Astronaut, auch wenn Sidos Frauenfeld-Auftritt vor einpaar Milliarden Menschen mir wieder klargemacht hat, warum so ein Song im Katalog gar nicht mal so übel ist. Aber ich bin nunmal mit Maske aufgewachsen, und wenn die jetzt aus Gold ist, passt mir das auch. Soll Sido machen, was er will (wie die Haare von Rooz), aber beim Rumpöbeln auf Desue-Beats feier ich ihn am meisten.

7. Der König lebt

AZAD - Weltbild feat. Schatten und Helden | LEBEN II (Official HD Video)

Ich dachte zwischendurch, Azad macht den Dre-Move und vergisst sein eigenes Album. Dann hat sogar Dre seinen Faden gefunden und Azad dran erinnert, was eigentlich Phase ist. "MEIN ALBUM ERMORDET DAS NEUE DR. DRE ALBUM!", kündigte der Straßenrapkönig 2015 selbstsicher an. Letztes Jahr hat er nach 80 Monaten endlich neue Musik abgeliefert. Azad ist Hiphop in reinster Form und Leben II eine Platte mit Haltbarkeitsdatum im nächsten Jahrzehnt.

6. KC Rebell hat das Dissen verstanden

KC Rebell ✖️ DIZZ DA ✖️ [ official Video ]

Klassische Disstracks sind mittlerweile ein Relikt der Vergangenheit. Seit Das Urteil steht meistens irgendwer im Wald und gräbt seinen Gegner aus, jagt oder verbrennt ihn. Von allen Deutschrap-Akteuren hätte man wohl am wenigstens auf KC Rebell getippt, wenn man Anfang 2016 gefragt hätte, wer den besten Disstrack des Jahres abliefern wird. Immerhin wurde KC vor dem Sommer noch eher mit DagiBee als mit einem handfesten Beef assoziiert. Umso wichtiger für den Banger also, seinen Standpunkt in der Rapszene mal klar und deutlich zu unterstreichen. Mit knackigen Strophen auf einem Beat, der auch nach 2016 klingt. Vielleicht hat er Back To Back gehört.

5. Kein Album von MoTrip

Jedes Jahr ein Album zu droppen, ist eine ziemlich harte Taktung. Vielleicht kommt da der ein oder andere Klassiker bei raus, meistens stellen sich solche Alben aber als Füllmaterial bis zum nächsten Füllmaterial-Album heraus. Für die Langlebigkeit ist es gar nicht mal so schlecht, ein bisschen Zeit vergehen zu lassen, so wie MoTrip es macht. 2012 holte er den Hiphop.de Award für das beste Album des Jahres, in den zwei Jahren darauf passierte nicht viel. 2015 kam Mama und schnappte sich den Award ein weiteres Mal. Letztes Jahr nahm Trip ein bisschen Abstand von der Industrie und ich bin mir sicher: Für das dritte Studioalbum war es die beste Medizin.

4. Deutschrap hat Auto-Tune gelernt

ZUNA - KMN (Official 4K Video)

Spätestens seit T-Pain diesen Knopf bei Fruity Loops entdeckt hat, lässt sich Auto-Tune nicht mehr wegdenken. Kanye West hat Hiphop damit revolutioniert (808s & Heartbreak), sein (Ex-)Homie Jay Z hat dem Stimmkorrekturprogramm sogar mal den Kampf angesagt (Death of Auto-Tune). Bis deutsche Rapper und ihre Produzenten gelernt haben, wie man das Zeug richtig einsetzt, hat es ewig lange gedauert. 2016 hat es schließlich funktioniert. Unter anderem Ufo361, Shindy, RAF Camora und die gesamte KMN Gang haben ihre Platten musikalischer und ausgereifter klingen lassen, als Deutschrap jemals war. Auch dank Auto-Tune.

3. Von Motorrädern und 30.000-Euro-Uhren

Manuellsen - Money (prod. by Juh-Dee)

Eigenartig, wie das Leben spielt. Bis vor Kurzem waren Manuellsen und Fler die größten Streithähne. Dabei haben sie einiges gemeinsam: Beide haben in ihrer Region viel für Hiphop geleistet, dann hat der Erfolg nachgelassen. In den letzten Jahren haben sich beide wieder einen Namen gemacht – kurioserweise mehr durch Frei-Schnauze-Interviews als mit kohärenten Alben. Was sie außerdem verbindet: 2016 haben sie die besten Alben ihrer langen Karrieren auf die Beine gestellt. Endlich. Gangland und Vibe lieferten musikalisch großes Tennis ab. Beide wussten Attitüde und Atmosphäre auf Albumlänge optimal zu verknüpfen. Zwei Figuren, die Deutschrap gut tun.

2. Vive la France

MHD - AFRO TRAP Part.7 (La Puissance)

Hätte man mal besser in der Schule aufgepasst, dann würde man auch verstehen, was SCH und Lacrim so erzählen. Worüber auch immer sie rappen, Tatsache ist: Deutscher Rap orientiert sich soundtechnisch immer mehr am westlichen Nachbarland. Ob die atmosphärischen Sing-Sang-Melodien der PNL-Brüder, Boobas karibischer Validée-Hit oder Afro Trap-Champion MHD – ihr Einfluss ist nicht wegzudiskutieren. Was sich 2014 schon andeutete (Kaaris' Einfluss auf Russisch Roulette), ließ sich 2016 gerade bei den vorherrschenden Themen (Nimo, Azet, Zuna, Kokaina, Palmen aus Plastik, Safari EP) nicht mehr von der Hand weisen. Dass deutscher Hiphop sich immer mehr traut, ist auch Frankreich zu verdanken.

1. Leute schieben Welle, doch Pablo ist Boss

TIDAL X YEEZY 3

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Was wurde nicht alles über Kanye West gesagt und geschrieben im vergangenen Jahr? 2016 begann für ihn mit der vielleicht großartigsten, bombastischsten, selbstmörderischsten Promophase der Popmusikgeschichte. The Life Of Pablo stellte Industriestandards auf den Kopf, weil Yeezy keinen F*ck gibt. Das Jahr endete für ihn mit einem Hausbesuch im Trump Tower beim frischgebackenen US-Präsidenten Donald Trump. Klingt verrückt, ist auch so. Deswegen passt Kanye West, der Wahnsinnige, auch so hervorragend in unsere Zeit.

Aria Nejati

Autoreninfo

Aria Nejati ist seit 2013 Teil des Hiphop.de-Teams. Als Chef des US-Ressorts interviewte er schon Größen wie 50 Cent und Ice Cube. Montags erscheint sein Format On Point. Außerdem schreibt er für die GQ.
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